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Die Grünen: Belebtes Orts-zentrum oder gefährliche Durchfahrtsstraße?

©Die Grünen Vorarlberg, VOL.AT/Mayer, VOL.AT/Steurer
Vielerorts gibt es im Ländle stark befahrene Landstraßen, die die Ortszentren durchschneiden. Das wollen die Grünen ändern.
Verkehrsberuhigung für Ortszentren
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Das Unfallrisiko auf Österreichs Straßen ist zu hoch: 2019 starben in Österreich 416 Menschen bei Verkehrsunfällen, 2020 waren es 344. Damit liegt Österreich im EU-Vergleich bei der Verkehrssicherheit nur im Mittelfeld. In Vorarlberg gab es im vergangenen Jahr 15 Verkehrstote – gleich viele wie im Jahr zuvor. Das oberste Ziel, null Verkehrstote, konnte kein Vorarlberger Bezirk erreichen. In den vergangenen fünf Jahren verloren 74 Vorarlberger ihr Leben, rund 11.700 wurden verletzt, das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Götzis. "Ziel muss sein, die Zahl der Verkehrstoten auf Null zu bringen", erklärt Daniel Zadra, Klubobmann der Grünen im Vorarlberger Landtag. "Hier darf es kein Zögern und keine Kompromisse mehr geben."

Begegnungszonen könnten viele Vorteile bringen. Bild: Die Grünen Vorarlberg

Vorteile durch Verkehrsberuhigung

In der Vergangenheit seien zwar viele Maßnahmen gesetzt worden, um die Folgen eines Unfalls zu mindern, aber es sei zu wenig getan worden, um Unfälle ganz zu verhindern, so die Grünen. Erforderlichen Maßnahmen könnten unter anderem eine sichere Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger sowie niedrigere Tempolimits sein.

Das Verkehrssystem sei so zu gestalten, dass ein menschlicher Fehler keine fatalen Folgen hat. Durch Verkehrsberuhigung, erhöhte Aufmerksamkeit und den kürzeren Anhalteweg passieren weniger Unfälle, argumentieren die Grünen.

Veraltete Straßenverkehrsordung

In Vorarlberg gibt es zahlreiche Bemühungen, Stadt- und Ortszentren wieder zum Mittelpunkt und Treffpunkt zu machen. Historisch gewachsen führen jedoch mitten durch das Zentrum vieler Ortschaften die großen Verbindungsstraßen: Landesstraßen mit einer erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h. "Auf diesen Landesstraßen – auch wenn sie mitten über den Kirchplatz führen – herrscht laut Straßenverkehrsordnung generell eine erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h. Dieses Temporegime stammt aus einer Zeit, in der alle Verkehrs- und Ortsplanung dem Auto untergeordnet und das einzige Ziel war: Vollgas und freie Fahrt für das Auto. Diese Zeiten sind lange vorbei. Jetzt gilt es, die rechtlichen Verordnungen zu entstauben und die baulichen Maßnahmen den aktuellen Bedürfnissen anzupassen", erklärt Zadra.

Auch in Lustenau könnte eine 30er-Zone entstehen. Bild: Die Grünen Vorarlberg

Gemeinden wollen Tempo 30

Zahlreiche Gemeinden wünschen sich bereits eine Veränderung auf den Landesstraßen im Ortszentrum, um eine bessere Aufenthaltsqualität für alle Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen, zu erreichen und das Zentrum zu beleben. Viele Bürgermeister wünschen sich eine Temporeduktion im Ortszentrum. Den Gemeinden müsse endlich ermöglicht werden, dass sie die Tempolimits in ihrem Ortsgebiet und insbesondere in ihren Ortskernen auch für Landesstraßen auf Tempo 30 senken und den Verkehrsraum sicherer und menschenfreundlicher gestalten können.

Rund 15 Gemeinden in Vorarlberg fordern seit Jahren eine Temporeduktion im Zentrum:

  • Vorderwald: Die Gemeinden des Vorderwaldes bemühen sich bereits seit vielen Jahren um die Entwicklung attraktiver Ortskerne. Eine besondere Herausforderung stellt die Tatsache dar, dass alle Ortskerne von einer Landesstraße durchquert und in den meisten Fällen von einem starken Durchzugsverkehr dominiert werden. Hier gibt es bereits eine Petition der Gemeinden des Vorderwaldes.
  • Lustenau: Eine weitere Problemstraße stellt die L 44, Philipp-Krapf Straße, in Lustenau dar. Die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h führt dazu, dass diese Straße eine trennende Barriere zwischen zwei Ortsteilen darstellt. Überquerungen sind gefährlich und stellen langsamere Verkehrsteilnehmer vor große Herausforderungen.
  • Bürs: Mitten durch das Dorfzentrum von Bürs verläuft die schmale Hauptstraße, die eine Landesstraße ist. Die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ist führt immer wieder zu brenzligen Situationen.
  • Satteins: Hier verlaufen sogar zwei Landesstraßen mitten durchs Dorf. Mit der L50 und der L54 wird gleich zweimal der Lebensraum durchschnitten. Eine Geschwindigkeitsreduktion würde dazu führen, dass das Dorfzentrum beruhigter und lebenswerter wird.
  • Nenzing: Auf der Landesstraße durchs Nenzinger Zentrum wurde die Höchstgeschwindigkeit bereits auf Tempo 40 heruntergesetzt. Mit durchwegs positiven Erfahrungen und Rückmeldungen. Eine weitere Temporeduktion im Zentrum auf 30 km/h würde die Aufenthaltsqualität im Zentrum weiter erhöhen und für alle Verkehrsteilnehmer sicherer machen.
  • Lochau: Auch im Leiblachtal kennen viele Gemeinden dieses Problem – so auch Bürgermeister Frank Matt in Lochau. Die Landesstraße mitten durchs Ortszentrum zerschneidet das Zentrum. Er möchte das Zentrum beleben und den Menschen mehr Aufenthaltsqualität bringen – dazu müsse das Tempo runter. Ein Tempolimit im Zentrum Lochaus (von Reiner bis Wellenhof) würde ein Plus von 21 Sekunden bedeuten. Kommt eine Begegnungszone mit Tempo 20 im Kern dazu (Kirche bis Schule) braucht man mit dem Auto 31 Sekunden länger für die Durchfahrt durch Lochau.

Rechtslage oder politischer Wille?

"Die Straßenverkehrsordnung ist hoffnungslos veraltet und bietet zu wenig Handlungsspielraum, um auf die Gegebenheiten vor Ort einzugehen", meint Zadra. Diese Ordnung entstammt in weiten Teilen noch immer dem Jahre 1960 und ist in vielen Bereichen nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Auch die für Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Landesstrassen anzuwendenden Bestimmungen sind überholt. Für eine Temporeduktion von 50 auf 30 km/h müsste eine "Erforderlichkeit" nachgewiesen werden. Erst wenn es an einer Stelle in einem gewissen Zeitraum zu einer Häufung von Unfällen mit Personenschaden gekommen ist, kann von einer Erforderlichkeit gesprochen werden. "Es darf nicht sein, dass Gemeinden warten müssen, bis mehrere Menschen zu Schaden kommen, um die Geschwindigkeit herabsenken zu dürfen!", verdeutlicht Zadra. Auch für die Errichtung von Begegnungszonen auf Landesstraßen gemäß gibt es etliche rechtliche Hürden: So existieren zahlreiche, gerade im ländlichen Raum nicht erreichbare Voraussetzungen, beispielsweise eine bestimmte Fußgängerfrequenz.

Zadra fordert ein Handeln auf Landes- und Bundesebene. Bild: VOL.AT/Mayer

Was es zu tun gibt

Im Mobilitätskonzept Vorarlberg 2019 wurde die Aufwertung des öffentlichen Raumes in Zentren und Quartieren als Ziel und Handlungsschwerpunkt im Mobilitätskonzept definiert. Auch im Raumbild 2030 wurde das Ziel verankert, dass der Straßenraum in Stadt- und Dorfkernen wieder zum Lebensraum werden soll. Um mehr Begegnungen und ein Miteinander im Straßenraum zu ermöglichen, sollen Landesstraßen in den Ortszentren flächendeckend fußgeher- und radfahrfreundlich und tempoberuhigt sein. Auch das Arbeitsprogramm der Landesregierung 2019 – 2024 geht klar auf diese Forderungen ein und bekennt sich zu einer Verbesserung der Aufenthalts- und Lebensqualität von Ortszentren. Der Leitfaden für Begegnungszonen auf Landesstraßen soll nun rasch fertiggestellt sowie präsentiert werden und dann verbindlich zur Anwendung kommen. Die vollkommen veraltete Straßenverkehrsordnung muss endlich entstaubt und den Erfordernissen einer Mobilität der Zukunft angepasst werden. Die rechtlichen Barrieren zum Wohle von Rad- und Fußgängern müssen abgebaut werden.

(VOL.AT)

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