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Die Geschichte des Naturschutzgebiets Rheindelta

der Dammbau um 1960
der Dammbau um 1960 ©ew

Der heute als “Vater des Österreichischen Naturschutzes” geltende, und als ständiger Vertreter der österr. Landesfachstellen für Naturschutz tätige Günther Schlesinger (1886-1945) hatte Vorarlbergs Auffassungen zu Natur und Jagdrecht noch 1936 als “rückständig” bezeichnet: Alle als fischerei- oder jagdschädlich geltenden Tiere waren uneingeschränkter und schonungsloser Verfolgung ausgesetzt. Die so entstandene Liste wurde laufend um weitere “Räuber” erweitert, ebenso wie ländlichen Speisekarten, und bis Mitte des 20. Jhdts. waren Wolf, Luchs, Wilkatze, Braunbär und Fischotter in Vorarlberg gänzlich ausgerottet.

== Verordnung über die einstweilige Sicherstellung des Naturschutzgebiets Rheinau ==

1939 stellte Friedrich Lürzer, Forstmeister aus Bregenz, einen Antrag auf die Anwendung des Reichsnaturschutzgesetzes auf einer 750 ha großen Fläche am
Bodenseeufer zwischen Alter und Neuer Rheinmündung und empfahl dringend, ein Schutzgebiet im Rheindelta auszuweisen, das “hinsichtlich des Landschaftsbildes und der Tierwelt eines der seltensten [Gebiete] Mitteleuropas” war. Am 21. August 1942 war es dann so weit: Mit der Verordnung über die einstweilige Sicherstellung des Naturschutzgebiets Rheinau wurde das Rheindelta seeseits des schon damals geplanten Polderdamms einschließlich eines 1 km breiten Wasserstreifens und des Rheinholzes zum ersten Vorarlberger Schutzgebiet erklärt.
Außerdem schrieb die Seeuferschutzverordnung, die alle Seen Vorarlbergs und Tirols vor weiterer Verbauung und Privatisierung schützen sollte, vor:
“Innerhalb dieses Gebietes ist es verboten, das Landschaftsbild zu verändern, neue Entwässerungsanlagen, Badehütten und Weganlagen zu errichten, landwirtschaftliche Nutzung einschließlich des Rohrschnittes und der Viehweide in einem größeren als dem bisherigen Umfange auszuüben und Holzschlägerungen (außer im Rheinholz) durchzuführen.”
Nach dem 2. Weltkrieg gab es rege Debatten zur Übernahme der Seeuferschutzverordnung in das Vorarlberger Landesrecht. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als untere Naturschutzbehörde, und die Bodenseegemeinden Bregenz, Lochau und Hörbranz traten für die Beibehaltung ein. Hard, Höchst, Fußach und Gaissau waren dagegen, weil wirtschaftliche Nachteile und Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse befürchtet wurden. 1949 wurde die Verordnung im Amtsblatt Nr. 33 für das Land Vorarlberg schließlich wieder verlautbart und sämtliche Gemeinden Vorarlbergs aufgefordert, als Baubehörden für die Einhaltung der Seeuferschutzbestimmungen zu sorgen.
Ab Anfang der 1950er Jahre häuften sich am Bodensee die Ansuchen um Ausnahmebewilligungen für den Bau von Badehütten, Wochenendäuschen, Campingplätzen, Fischerhütten und Geräteschuppen. Auch für die Anlage von Häfen, Lagerplätzen, die Entnahme von Kies oder Sand waren Ausnahmegenehmigungen von der Seeuferschutzverordnung erforderlich.
1957 beschloss die Vorarlberger Landesregierung schliesslich, im Rheindelta keine Ausnahmebewilligungen mehr zu erteilen.

== Der Polderdamm ==

Mit der Errichtung des Polderdammes (1956 – 1963), der Absenkung des Wasserspiegels durch die Pumpwerke, und der Rodung der Au- und Bruchwälder konnten seenahe Flächen intensiver landwirtschaftlich genutzt werden.
Befürworter der Eindeichung sahen darin “die Eroberung einer beträchtlichen Kornkammer”, Naturschützer hingegen wiesen schon bald auf die negativen Folgen des veränderten Grundwasserhaushalts hin und forderten, einen Teil der Feuchtwiesen unter Naturschutz zu stellen, um die Vielfalt der Pflanzen und Tiere zu erhalten.
1963 berichtet die Zeitschrift Schweizer Naturschutz unter dem Titel “Das Rheindelta vor dem Untergang” dass “das vogelreichste Gebiet in Mitteleuropa schon teilweise zerstört und in Bälde dem völligen Untergang geweiht ist, wenn es nicht gelingt, wenigstens Teile zu schützen”. Ein Jahr später beschließt der WWF-International, das Rheindelta als Projekt mit besonderer Dringlichkeit in sein Tätigkeitsprogramm aufzunehmen.

Noch in den 1960er Jahren wurde ein Grundwasserpegel festgelegt, der nicht unterschritten werden sollte. Doch den Bürgermeistern der Rheindeltagemeinden war der kurzfristige Erfolg bei den Wählern offensichtlich wichtiger als die nachhaltige Gestaltung ihres Lebensraumes. Und so wurden widerrechtlich Bauanträge mit Kellern genehmigt, das Wohngebiet rückte immer weiter in ehemaliges Hochwassergebiet vor, und der Grundwasserspiegel mußte entsprechend immer weiter unter den vereinbarten Pegel gesetzt werden.
Als deshalb das Fußacher Pumpwerk aufgerüstet werden mußte, weigerte sich der Bund zu zahlen.

Auch das Österreichische Institut für Naturschutz und Landschaftspflege äußert sich in einem Schreiben aus dem Jahr 1971 kritisch: “…nach übereinstimmender Ansicht in- und ausländischer Naturschutzexperten [gehört] das Vorarlberger Rheindelta zu den wertvollsten und zugleich schutzwürdigsten Gebieten Europas. Die Vorarlberger Landesregierung sollte daher die Arbeiten zur Absenkung des Grundwasserspiegels sofort einstellen lassen und ehestens alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um eine wirksame Unterschutzstellung des Gebietes zu erreichen.”
1976 erließ das Land Vorarlberg aufgrund der in Anlehnung an Naturschutzordnungen in Tirol und Niederösterreich von der Vorarlberger Fachstelle für Naturschutz vorbereiteten Entwurfs dann eine Schutzgebietsverordnung, die 2000 Hektar Flachwasser, Schilfröhrichte, Feuchtwiesen und Auwälder, und rund 250 ha Streuwiesen in Fußach und Höchst landseits des Polderdamms umfasste.

== Rheindelta goes international

Seit 16. Dezember 1982 steht das Rheindelta unter dem Schutz der Ramsar-Konvention für Feuchtschutzgebiete.
Bis Anfang der 1990er Jahre war die Verordnung für die Flächen landseits des Polderdamms aber auf jeweils fünf Jahre befristet. Die Forderung, alle Flächen dauerhaft unter Schutz zu stellen, sowie die wertvollen Flachmoore des Gaißauer Riedes und der Speichenwiesen Höchst in das Naturschutzgebiet zu integrieren, scheiterten am
Widerstand der Gemeinden. Ebenso wurde ein von Broggi 1981 gefordertes Landschaftsschutzgebiet als Pufferzone für das Naturschutzgebiet nicht realisiert.
1992 wurde erstmals eine Verordnung für die Dauer von zehn statt fünf Jahren erlassen, die seit 2002 unbefristet gilt.
2003 wurde das Rheindelta zum Schutz der wertvollsten europäischen Arten und Lebensräume und dem Erhalt der biologischen Vielfalt (Biodiversität) in die Liste der Natura 2000-Gebiete gemäß der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie der EU aufgenommen. Damit gilt für das Gebiet ein Verschlechterungsverbot, d.h. jede Maßnahme die den Erhaltungszustand beeinträchtigt,
ist illegitim.

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