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Deutschland wählt - und fast alles ist möglich

Mehr als 61 Millionen Deutsche sollen am 22. September wählen. Das Resultat ist trotz zahlreicher Umfragen völlig ungewiss.

Drei Wochen vor der Wahl ist vor allem offen, ob die rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder eine zweite Chance bekommt. Der Bundeskanzler und seine SPD geben sich ebenso zuversichtlich wie Herausforderer Edmund Stoiber und dessen Unions-Parteien. Auch Außenminister Joschka Fischer und seine Grünen sowie FDP-Chef Guido Westerwelle und dessen Liberale setzen auf Stimmen-Gewinne. Nur die Reformkommunisten der PDS müssen sich um den Wiedereinzug ins Parlament sorgen, nachdem ihnen ihr Star Gregor Gysi durch die Bonusmeilen-Flugaffäre abhanden kam.

Bislang stehen die Zeichen auf Wechsel. Nach den meisten Umfragen könnte Schröders rot-grünes Kabinett nach nur vier Jahren abgewählt werden. Es wäre das erste Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte, dass einer Regierung nur eine Legislaturperiode vergönnt ist. Allerdings haben die Sozialdemokraten nach der Flutkatastrophe aufgeholt, bei der sich Schröder als Krisenmanager bewährte. Der Kanzler gab und gibt sich ohnehin optimistisch, dass im Endspurt der Trend noch umgekehrt werden kann. „Sie werden staunen“, sagte er in Interviews. Schröder setzt auf seine guten Sympathiewerte.

Nicht erfüllt hat sich allerdings seine Hoffnung, dass eine deutliche Konjunktur-Belebung rechtzeitig zur Wahl niedrigere Arbeitslosen-Zahlen bringt. Die Zahl der Stellensuchenden ist im Sommer vielmehr angestiegen. Tatkraft soll nun ein neues Arbeitsmarkt-Programm belegen, das im Auftrag Schröders eine Kommission unter VW-Vorstandsmitglied Peter Hartz entworfen hat. Doch für Stoiber ist das ein „reines Wahlkampf-Manöver“. Für ihn steht fest, dass Rot-Grün nach vier Jahren abgewirtschaftet hat. Arbeit, Steuern und Wirtschaft sollen deshalb auch in der heißen Phase des Wahlkampfs die Hauptthemen der Union sein.

Im Hinblick auf seine angestrebte Kanzlerschaft warnt der bayerische Ministerpräsident allerdings schon: „Wir übernehmen eine miese Schlussbilanz. Wir haben nichts in der Kasse.“ So könne auch eine von ihm geführte Regierung nicht alles ungeschehen machen, was Schröders Kabinett in vier Jahren angerichtet habe.

Zunächst aber muss der Wahl-Abend abgewartet werden. Selbst wenn die Umfragen einen Wechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb signalisierten, scheint noch immer fast alles möglich. Die Unions-Parteien wollen die SPD als stärkste Fraktion ablösen und sehen nur in der FDP ihren potenziellen Koalitionspartner, obwohl sich die Liberalen bis zum Schluss alle Optionen offen halten wollen.

Schröder hat sich und die SPD auf eine Fortsetzung von Rot-Grün festgelegt, wenn der Wähler dies möglich macht. Ausgeschlossen hat der SPD-Chef nur jede direkte oder indirekte Zusammenarbeit mit den Reformkommunisten, obwohl die PDS dazu Bereitschaft signalisierte. Die Möglichkeit einer Allianz mit der FDP schloss Schröder nicht aus, selbst wenn er die Liberalen im Wahlkampf heftig attackiert.

Eines ist klar: Wenn die PDS wieder in den Bundestag kommt, müssen für eine Koalition zwei Parteien mehr Sitze erringen als die drei anderen. Das könnte ein Problem werden. Falls die PDS aber aus dem Bundestag herausfiele, wären Koalitionsmehrheiten einfacher. Längst haben in Berlin deshalb Koalitions-Spekulationen eingesetzt, auch wenn alle Beteiligten solche Überlegungen weit von sich weisen.

Grüne wie Liberale sind strikt gegen eine rot-gelb-grüne „Ampel“ mit der SPD. „Unvereinbar“, sagt der FDP-Chef. Verhandlungen über ein solches Dreier-Bündnis hatte es zuletzt nach der Regionalwahl in Berlin Ende 2001 gegeben. Sie waren rasch gescheitert. Als durchaus möglich gilt dagegen eine große Koalition zwischen SPD und Unions-Parteien, selbst wenn Schröder und Stoiber diese vehement abgelehnt haben mit der Begründung, ein solches Bündnis bedeute nur Stillstand und löse die bestehenden Probleme nicht.

Zahlen und Fakten zur deutschen Bundestagswahl

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