AA

Deutsches Gericht: Arbeitssuchende EU-Bürger haben Anspruch auf Hartz IV

©dpa (Themenbild)
Für deutsche Kommunen könnte ein Gerichtsurteil teuer werden: Arbeitslose EU-Bürger, die schon lange in Deutschland leben und nicht selbst in die Sozialtöpfe eingezahlt haben, haben nach Auffassung eines Sozialgerichts Anspruch auf Hartz IV.

EU-Bürgern ohne Arbeit, die sich schon lange in Deutschland aufhalten, stehen nach einem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen nun doch Hartz-IV-Leistungen zu. Das Gericht sprach am Donnerstag einer in Gelsenkirchen lebenden vierköpfige Familie aus Rumänien einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig, die Bundesagentur kann Revision einlegen.

Kriterium: Ein Jahr im Land

Das beklagte Jobcenter hatte 2010 den Antrag der Familie abgelehnt. Nach geltendem deutschen Recht haben EU-Bürger, die nach Deutschland einwandern, um eine Arbeit zu suchen, kein Recht auf Fürsorgeleistungen. Das Gericht entschied nun, dass dieses Ausschlusskriterium nicht auf die Familie zutreffe, weil sie zur Zeit der Antragstellung schon ein Jahr in Deutschland gewesen sei.

Familie stockt inzwischen “ganz normal” auf

Die Kläger, eine Familie mit zwei Kindern, leben seit 2009 gemeinsam in Gelsenkirchen. Das Verfahren betrifft den Zeitraum von Mitte 2010 bis November 2011. Damals lebte die Familie von Kindergeld und vom Verkauf von Obdachlosen-Zeitschriften. Inzwischen hat die Mutter eine Arbeit, die Familie stockt mit Hartz IV auf. Ein Umstand, von dem in Deutschland eine steigende Zahl von Haushalten betroffen ist.

Mehrkosten für die Gemeinden

“Es handelt sich um eine wesentliche Grundsatzfrage, die bundesweit etwa 130 000 Personen betrifft”, erklärte das höchste nordrhein-westfälische Sozialgericht in Essen. Vor allem in Deutschland lebende und vergeblich Arbeit suchende Rumänen und Bulgaren haben nun Aussicht auf Hartz IV. Auf die Kommunen könnten zahlreiche neue Leistungsanträge und damit neue Kosten zukommen.

Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Österreich

In Österreich gibt es ähnliche Beschränkungen, was die dem deutschen “Hartz IV” sehr ähnliche “Bedarfsorientierte Mindestsicherung” für Ausländer betrifft. EU- und EWR-Bürger haben in Österreich nur dann einen Anspruch auf die Mindestsicherung, wenn sie als Arbeitnehmer nach Österreich kommen oder sich schon länger als fünf Jahre legal in Österreich aufhalten. In diesem Fall muss der Betreffende aber nachweisen, dass er über genügend Eigenmittel verfügt um seinen Lebensunterhalt ohne Arbeit zu bestreiten. Gelingt dies nicht, droht auch EU-Bürgern die Ausweisung aus Österreich.

Sozial-Tourismus uninteressant

Im Falle der rumänischen Familie wäre also in Österreich wohl ebenfalls ein negativer Bescheid ergangen, da Staatsangehörige aus Rumänien und Ungarn erst ab 1. Jänner 2014 Österreichern gleichgestellt sind. Bis dahin benötigen diese noch eine gesonderte Arbeitsbewilligung. Aber auch wenn beispielsweise ein deutscher Staatsangehöriger ohne Arbeit nach Österreich zieht (Hauptwohnsitz), gelten für ihn die bereits erwähnten fünf Jahre Aufenthalt, bevor er Anspruch auf Mindestsicherung hat.

Staatsangehörige von außerhalb der EU/EWR haben grundsätzlich erst dann einen Anspruch, wenn sie schon mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Österreich gelebt haben. Einen Überblick über die Mindestsicherung gibt es auf der Seite des Sozialministeriums.

Keine Mindestsicherung für Asylbewerber

Asylbewerber haben erst ab Zuerkennung ihres Status als Flüchtling (postiver Asylbescheid) oder subsidiär Schutzberechtigte (kein Asyl, aber geduldeter Aufenthalt weil im Heimatland Verfolgung droht, Anm.) einen Anspruch auf die Mindestsicherung. (red/dpa)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Politik
  • Deutsches Gericht: Arbeitssuchende EU-Bürger haben Anspruch auf Hartz IV