Der Triumph blieb Putin verwehrt
Seit Monaten dominiert Wladimir Putin das politische Leben Russlands derart, dass keinem seiner zehn Herausforderer auch nur der Funke einer Chance gegeben wurde. Als einzig spannende Frage für den Wahlabend galt sehr bald, ob Putin den Sieg bereits in der ersten Runde schaffen oder in eine Stichwahl gegen KP-Chef Gennadi Sjuganow ziehen würde.
Es sollte anders kommen. Die ausgezählten Wahlergebnisse blieben Stunde für Stunde unter der von Putin und seinem Lager angestrebten absoluten Mehrheit. Im Gegensatz dazu sagten zwar die ersten Prognosen und Hochrechnungen der verschiedenen Fernsehstationen Putin letztlich den ersehnten Sieg in der ersten Runde voraus. Doch auch mit den zuletzt erwarteten 51 bis 52 Prozent bliebe er weit unter den letzten Umfrageergebnissen und den Erwartungen seiner Anhänger.
Möglicherweise ist alles ein wenig zu perfekt gelaufen, seit Putin in der erste Reihe der russischen Politik steht. Im vergangenen August noch ein Unbekannter, wurde er plötzlich Ministerpräsident und katapultierte sich mit dem neuen Krieg gegen Tschetschenien an die Spitze der Gunst der Bevölkerung. Die Parlamentswahl im vergangenen Dezember wurde zu einem Triumph der Techniker der Macht des durch und durch korrupten Kreml über seine politischen Widersacher. Die Niederlage des Ex-Premiers Jewgeni Primakow und des Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow machte den Weg für den vorzeitigen Rücktritt des längst nicht mehr handlungsfähigen Boris Jelzin frei.
Denn Putin hatte bewiesen, dass er die ihm als allererste zugedachte Aufgabe zu erfüllen bereit und fähig war: den Schutz des Jelzin-Clans vor politischen Gegnern und gerichtlicher Strafverfolgung. Als Putin am 31. Dezember von Jelzin die Amtsgeschäfte übernahm, war seine erste Amtshandlung eine Amnestie für seinen Vorgänger und dessen Umgebung.
Bisher schien es, als würde seine frühere Verstrickung in ein zutiefst korruptes System nicht auf Putin ausstrahlen. Er gab den unbestechlichen, harten, asketischen, unantastbaren Ex-Geheimdienstler. Als sein Vorbild präsentierte er den ehemaligen KGB-Chef Juri Andropow, der den Niedergang der Sowjetunion in den achtziger Jahren mit einer Rückbesinnung auf knallharte Disziplin aufhalten wollte. Im Gegensatz zu anderen führenden sowjetischen Politikern dieser Zeit wusste Andropow zwar realistischer um den Verfall der damaligen Supermacht Bescheid. Aufhalten konnte er ihn nicht. Mit Demokratie, Pluralismus oder Menschenrechten hatte er freilich absolut nichts im Sinn.
Der Aufstieg Putins wurde von der russischen Bevölkerung zunächst fast mit Erleichterung begrüßt. Auf das Chaos und den Niedergang der Jelzin-Jahre sollten nun Ordnung, Disziplin, aber auch Wiederaufstieg folgen. „Demokratie ist Diktatur des Gesetzes“ und „Russland ist ein reiches Land armer Leute“ waren die beiden markantesten Aussagen aus Putins bescheidenen Wahlkampfäußerungen. Dass ein Politiker mit dem Amtssitz im Moskauer Kreml das Wort „Diktatur“ überhaupt in den Mund zu nehmen mag, könnten aber nun doch mehr Menschen als böses Omen gesehen haben als erwartet.
Dies könnte aber ein gutes Zeichen für die Demokratie in Russland sein. Denn politische Gegner, die ihm gewachsen sind, hat Putin seit der Duma-Wahl keine mehr. Im Parlament dominiert eine Allianz von Kreml-freundlichen Gruppierungen mit den Kommunisten. Primakow ist ein alter Mann am Ende seiner Laufbahn. Luschkow ist zuletzt – wie ungezählte andere vor ihm – vor dem neuen starken Mann zu Kreuze gekrochen. In Russland gibt immer noch der Hausherr den Ton an. Da ist es gut, wenn die Untergebenen wenigstens einen Zwischenruf versuchen.
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