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Der talentierte Mr. Madoff

Der Platz in den Geschichtsbüchern ist ihm sicher: Mit seinem weltumspannenden Schneeball-System gilt der New Yorker Ex-Broker Bernard Madoff als bisher größter Finanzbetrüger aller Zeiten. Der einstige Rettungsschwimmer "Bernie" brachte tausende Anleger in Not und viele um ihre Lebensersparnisse.

Auch ein halbes Jahr nach Auffliegen des 65 Milliarden Dollar (46,1 Mrd. Euro) schweren Mega-Schwindels rätseln die meisten Opfer noch immer, wie Madoff sie jahrzehntelang derart täuschen konnte – geschickt und skrupellos. Der talentierte Mr. Madoff hatte viele Gesichter.

Der stets korrekt gekleidete Herr mit Silberhaar war angesehen und leutselig. Ob im Golfclub in Florida oder beim Wohltätigkeitsball, überall umgab den heute 71-Jährigen eine Schar begeisterter Anleger. Sie vertrauten ihm ihr Geld an – gern einige Millionen oder mehr – und er sorgte für stabile, teils traumhafte Zinsen. “Er war ein begnadeter Verkäufer”, erinnert sich ein Börsenkollege.

Alles Lug und Trug. Hinter der schönen Scheinwelt mit einer New Yorker Investmentfirma, einem Penthouse in Manhattan und Luxus-Booten auch in Europas Häfen klaffte der Abgrund: Madoff tätigte Ermittlern zufolge nie auch nur ein einziges der Aktiengeschäfte für seine Kunden. Stattdessen warb er mit der einen Hand frisches Geld bei neuen Opfern, mit der anderen gab er es sofort als vermeintliche Gewinne an vorhandene Anleger.

Stets mit einem Lächeln im Gesicht war Madoffs Vertrauensbruch offenbar grenzenlos: Selbst Ehefrau Ruth (68) und die erwachsenen Söhne Mark und Andy sollen nichts gewusst haben. Erschüttert sagt ein enger Freund, dessen Trauzeuge Madoff war: “Ich krieg’ den Bernie, den ich kannte, nicht mit unter einen Hut mit diesem anderen Mann.”

Zum Schauspiel aus Charme und Chuzpe gehörte auch Madoffs Detailversessenheit. Die Anleger bekamen minutiöse Auflistungen angeblicher Transaktionen. Selbst die Börsenpolizei SEC narrte der Zahlenzauberer. “Alles musste bei ihm perfekt sein”, erinnert sich eine frühere Sekretärin. “Kein Papier durfte da auf dem Schreibtisch liegen.”

Seine Opfer schauten ihm nie richtig auf die Finger, Madoff selbst aber war ein Kontrollfreak: Die Londoner Firmenfiliale überwachte er laut Medien mit zwei Videokameras von New York aus. Dort zählte er zu den Genies der Wall Street – ein beeindruckender Aufstieg aus eher unscheinbaren Verhältnissen im New Yorker Stadtteil Queens.

Mit gerade mal 5.000 Dollar hatte Madoff nach einem Politik- und Rechtsstudium einst tatsächliche Börsengeschäfte gestartet. Als erste Deals schiefgingen, begann ihm zufolge der ganze Schwindel. “Ich habe geglaubt, mich und meine Kunden da schnell wieder rausholen zu können”, sagte Madoff einmal.

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