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Der Staat wird ausgetrickst: Schlupfloch bei Doppelstaatsbürgerschaft

Der Staat wird unbemerkt ausgetrickst.
Der Staat wird unbemerkt ausgetrickst.
Bekommt ein Türke die österreichische Staatsbürgerschaft, dann muss er die türkische aufgeben. Allerdings nicht wenige nehmen die türkische Staatsbürgerschaft später wieder an, wie der ORF berichtet. Die österreichischen Behörden bekommen das nur selten mit. Zum Beispiel dann, wenn beim Familiennachzug türkische Familienregisterauszüge geprüft werden.
Illegale Staatsbürgerschaften

“SPÖ und ÖVP müssen endlich das seit langem bekannte Problem der illegalen Doppelstaatsbürgerschaften von Türken in Österreich ernsthaft angehen. Außenminister Kurz, aber auch die Innenminister bis hin zu Sobotka haben dabei schon in der Vergangenheit versagt. Es fehlt hier offenbar am politischen Willen”, sagte FPÖ-Generalsekretär NAbg. Herbert Kickl. Laut FPÖ gibt es Schätzungen, die von mehreren zehntausend illegalen Doppelstaatsbürgern ausgehen, manche Quellen würden sogar von mehr als 80.000 Verdachtsfällen sprechen.

FPÖ-Generalsekretär bezeichnet Fischer als
FPÖ-Generalsekretär bezeichnet Fischer als "Lehrer Lämpel" und hält ihm dann selbst eine Standpauke. ©APA

Die mittlerweile auch in Österreich angekommene Diskussion um die Wahlkampfauftritte führender türkischer Politiker im Ausland hat den Blick erneut auf die türkischstämmige Bevölkerung hierzulande gelenkt. 116.000 türkische Staatsbürger leben heute in Österreich, knapp 40 Prozent davon in Wien.

300.000 türkischstämmige Menschen in Österreich

Der Anteil der Personen mit türkischem Migrationshintergrund ist jedoch deutlich höher: nach Angaben der Medienservicestelle Neue Österreicher leben rund 260.000 Menschen mit in der Türkei geborenen Eltern in Österreich; die Zahl aller Türkischstämmigen – einschließlich der dritten Generation – wird auf rund 300.000 geschätzt. Die meisten Türken in Österreich sind in den 1970er und 80er Jahren gekommene Gastarbeiter bzw. ihre Angehörigen und Nachkommen. Der Anteil der türkischen Asylwerber ist bisher niedrig geblieben: trotz der Konflikte im Heimatland und des zunehmend autoritäreren Auftretens von Staatschef Recep Tayyip Erdogan, insbesondere nach dem Putsch vom 15. Juli.

23 türkische Bürger beantragten Asyl

Zuletzt hatten im Jänner 23 türkische Bürger einen Asylantrag gestellt, das waren gerade einmal 1,13 Prozent aller Anträge. Auch seit dem Putsch hatte es bis dato keinen deutlichen Anstieg an Anträgen gegeben.

1,5 Millionen Türken in Deutschland

Anders ist es in Deutschland, wo es seit Sommer des Vorjahres die Antragszahlen in die Höhe schnellten: Waren es im Jänner 2016 noch 119 Asylanträge, so stieg die Zahl im August auf 762. Nach den jüngsten Daten der deutschen Migrationsbehörde BAMF vom Jänner stellen Türken heute mit 580 Anträgen 3,6 Prozent aller Asylwerber und liegen damit praktisch gleichauf mit Bürgern aus Somalia. Auch Deutschland hat einen hohen Anteil an türkischen Migranten, wie in Österreich hauptsächlich Gastarbeiterfamilien und deren Nachkommen: Bilden sie in Österreich 9,1 Prozent der ausländischen Bevölkerung, sind es dort mit 1,5 Millionen türkischer Staatsbürger gar 16,5 Prozent. Das entspricht einem Anteil von 1,8 Prozent an der Gesamtbevölkerung, wobei Türkischstämmige ohne türkische Staatsbürgerschaft dabei nicht eingerechnet sind. In Deutschland ist – im Gegensatz zu Österreich – eine Doppelstaatsbürgerschaft für Migrantenkinder in bestimmten Grenzen erlaubt.

grafik-tuerkei-oesterreich
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Türkische Innenpolitik in Österreich

In den letzten Jahren war das “Einsickern” der türkischen Innenpolitik nach Österreich wie auch nach Deutschland immer mehr zu einem Thema geworden. Besonderes Aufsehen weckten 2014 die Großauftritte von Erdogan, damals Premier, im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs in Wien und Köln. Bei diesem Votum konnten erstmals auch im Ausland lebende Türken mitstimmen.

Tausende Anhänger kamen zu Erdogans Auftritt in Köln.
Tausende Anhänger kamen zu Erdogans Auftritt in Köln. ©EPA

In und vor der Albert-Schultz-Eishalle in Wien-Donaustadt bejubelten am 19. Juni über 13.000 Menschen Erdogan. An Protestveranstaltungen gegen den Auftritt nahmen mehr als 7.000 Menschen teil. Auch mehrere österreichische Politiker übten Kritik an der Veranstaltung, darunter Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP).
In der Kölner Lanxess-Arena hatte der Premier bereits am 24. Mai vor 15.000 Anhängern Wahlkampf gemacht. Gleichzeitig marschierten 30.000 Menschen aus Protest gegen Erdogan durch die Innenstadt der deutschen Rheinmetropole.

Schadet Erdogan-Auftritt der Integration?
Schadet Erdogan-Auftritt der Integration? ©AP

Noch mehr erregten dann zwei Jahre später die Demonstrationen in Wien im Gefolge des Putsches vom 16. Juli die Gemüter. Zum Teil unangemeldet marschierten in der Nacht Tausende Anhänger Erdogans durch die Stadt als Solidaritätsbekundung für den Staatschef. Dabei attackierten manche Demonstranten ein in kurdischem Eigentum stehendes Lokal in der Mariahilfer Straße.

Türkische “Wahlkämpfer”on Tour

Knapp ein Jahr später ist nun wieder Wahlkampf in der Türkei, und zwar rund um eine Volksabstimmung über die Errichtung eines Präsidialsystems am 16. April. Kritiker befürchten dadurch die endgültige “Abschaffung der Demokratie” und die “Einführung einer Diktatur” in dem Land. Und wieder begann der Kampagnenzug türkischer Politiker ins Ausland, insbesondere nach Deutschland. Premier Binali Yildirim plädierte am 18. Februar in der Oberhausener Arena für ein “Ja”. Es gab auch Medienberichte über eine geplante Anreise Erdogans, wobei der Termin nicht bekannt wurde. Doch nach der Untersagung des Auftritts von Justizminister Bekir Bozdag in Gaggenau (Baden-Württemberg) und des Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci in Köln am gestrigen Donnerstag erscheint es fraglich, ob der Staatschef überhaupt wahlkämpfend nach Europa kommen wird.

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