Feldkirch hat ein brandneues Integrationsleitbild. Geschrieben hat es Kurt Greussing. Es verschweigt weder Konflikte noch die pluralistisch-säkulare Gesellschaft, die auch Vorarlberg heute abbildet. Integration ist ein Prozess, steht da. Eine ständige Herausforderung. Von den 193 Nationen dieser Welt sind in der Montfortstadt 98 vertreten. Das Leitbild tat also not. Aber wenn es Menschen wie Elisabeth Allgäuer nicht gäbe, bliebe es Makulatur.
Nichts Besonderes
Das hört sie nicht gern. Elisabeth Allgäuer findet nichts Besonderes an ihrem Engagement. Immer wieder sagt sie, dass sich vieles einfach ergab. Noch Kaffee? Die alten, silbernen Kannen aus Großbritannien unterstreichen den gediegenen Charakter in diesem lichten weitläufigen Wohnzimmer. Aber reden wir über das Haus Abraham. 2004 war Elisabeth Allgäuer das erste Mal im Asylwerberheim. Anlässlich eines Missionssonntags befand die Gisingerin, dass es auch in unserer Umgebung Missionsgebiete gibt. Sprachs und rief drüben an, im Heim der Caritas. Pater Georg ist dann mit uns hingegangen. Erste, vorsichtige Tuchfühlung. A kle erschreckend nahm sie wahr, wie alles so abgewohnt war. Bedrückende Bilder trug sie nach Hause. Dass die Menschen nicht arbeiten dürfen, ging ihr nicht in den Sinn, dass manche Jahre lang warten auf ihren Asylbescheid, hat Elisabeth Allgäuer nachdenklich gemacht. Weil sie ja lange schon mit dem Thema Migration vertraut ist. Nach der Handelsschule hat sie 1964 bei Getzner im Lohnbüro begonnen. Das war die Zeit, als man Weber und Spinner aus Jugoslawien und der Türkei geholt hat. Das weiß sie noch gut, wie sie sich mit Händen und Füßen unterhalten hat, wie schwer ihr die neuen Namen von der Zunge gingen. Und doch haben wir damals immer den Menschen gesehen, der grad gekommen ist und sich vermutlich mehr vor uns gefürchtet hat wie wir vor ihm.
Ein Netzwerk entsteht
Kein Wunder also, dass Elisabeth Allgäuer 40 Jahre später das Asylwerberheim Abraham in Feldkirch-Gisingen regelmäßig zu besuchen beginnt. Freundinnen tun es ihr gleich. Die Asylwerber kommen ihrerseits zu Besuch. So entsteht über die Jahre ein Netzwerk der natürlichen, unverkrampften Begegnung. Saba aus Eritrea, die heute als Konventionsflüchtling anerkannt in einem Dornbirner Kaffeehaus arbeitet, zählt dazu. Und Nadja aus dem Kongo, die am besten noch Französisch spricht und mir beim Putzen hilft. Manchmal zieht Elisabeth Allgäuer gemeinsam mit einer Flüchtlingsfrau den Atlas zurate, der Nähe und Distanzen sichtbar macht. Manchmal erlebt sie Enttäuschungen, wenn die vielleicht erhoffte Begeisterung ausbleibt. Manchmal stellen sich mir die Haare zu Berge, wenn Flüchtlinge erzählen. Allgäuer fragt nie nach. Irgendwann erzählen sie dann von selber. Fremden mit Würde und Respekt begegnen, das ist eigentlich alles, sagt Allgäuer. Die ganze Ausbildung zur interkulturellen Wegbegleiterin, die sie bei der Caritas in wenigen Tagen abschließt, hat in diesem Satz Platz: Fremden mit Würde und Respekt begegnen. Feldkirch hat ein Integrationsleitbild und Bürger wie Elisabeth Allgäuer, die nicht müde werden zu betonen, dass wir alle einen Schritt aufeinander zugehen müssen.
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