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Der Mythos von 1941: Rapid gegen Schalke

Ausschnitt aus der "Wochenschau" von 1941
Ausschnitt aus der "Wochenschau" von 1941
Wenn am Samstag Rapid zum 110-jährigen Jubiläum in Hütteldorf auf Schalke 04 trifft, wird auch eines alten Mythos gedacht. Am 22. Juni 1941 gewann Rapid in Berlin das Endspiel um die deutsche Meisterschaft gegen das damals dominante Team aus Gelsenkirchen mit 4:3.
Wochenschaubericht zum Finale 1941

Um dieses Match ranken sich Legenden, die auch mit der österreichischen Vergangenheitsbewältigung in Bezug auf die Zugehörigkeit zum Dritten Reich (1938 – 1945) zusammenhängen. Gewisse Facetten des Heldenepos’ aus der Nazi-Zeit müssen im Abstand von 68 Jahren indes hinterfragt werden, meinte der Historiker David Forster im APA-Gespräch.

Rein sportlich beeindruckt die Aufholjagd der Grün-Weißen, die durch drei Tore von Franz “Bimbo” Binder und einen Treffer von Georg Schors vor 95.000 Besuchern im Olympiastadion – am Tag des militärischen Überfalls Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion – einen 0:3-Rückstand in einen Sieg verwandelten. Nicht zuletzt deshalb gab es im Nachhinein die Interpretation, dass die Nazi-Obrigkeit eigentlich einen Sieg von Schalke gewünscht hatte, das Finish der Wiener demnach ein “österreichpatriotischer Widerstandsakt” gegen das Dritte Reich war.

Forster relativiert: “Die Verschwörungstheorie, Schalke 04 sei schon vor Anpfiff als Sieger festgestanden, passt natürlich gut ins Bild. Umgekehrt gibt es auch in Deutschland hartnäckige Schiebungsgerüchte, die ‘Ostmark’ habe gerade zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion eine moralische Stärkung gebraucht. Beweise sind nicht zu erbringen, aber der Umstand, dass beide Seiten eine Manipulation aus politischen Gründen vermuten, ist für mich ein gutes Indiz, dass das Match nicht abgekartet war.”

Auf Schalke wurde vor zehn Jahren am Widerstandsmythos aus Österreich gerüttelt: “Das Spiel war gesteuert”, wurde Herbert Burdenski, als 19-Jähriger Finalteilnehmer, 1999 in dem Buch “Stürmer für Hitler” zitiert. “Die Ostmark sollte einen Meister haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass Rapid zwei fragwürdige Elfmeter bekommen hat?”

Die Überlieferungen, dass die Nazis auf den Sieg der Wiener kühl reagierten, Adolf Hitler sogar vor Zorn tobte, und Schalkes Name schon vor dem Spiel in den Pokal eingraviert worden war, tat der 2001 verstorbene Burdenski als “Show” ab: Der Schalker “Spielführer” Ernst Kuzorra habe sich daher auch geweigert, von Reichssportführer Hans von Tschammer die Silbernadel für den zweiten Platz entgegenzunehmen.

In Österreich wiederum wurde erzählt, Binder & Co. seien kurz nach dem legendären Match als “Strafe” an die Front geschickt wurden. Das ist durch “Fakten widerlegt”, meint Forster, der sich gezielt mit dem Thema “Fußball unterm Hakenkreuz” und der jüdischen Geschichte dieses Sports in Österreich auseinandersetzt. “Ich habe mir Akten angesehen, die deutlich zeigen, dass zwischen dem Finalsieg und einem Fronteinsatz kein Zusammenhang besteht. Die meisten Rapid-Spieler waren bereits eingerückt, in der Regel auf recht sicheren Posten in Wien, und wurden erst im weiteren Verlauf des Krieges zu Kampfeinsätzen abkommandiert.”

Den Schalke-Spielern sei es außerdem “nicht anders” ergangen: “Im Gegenteil, deren Fronteinsätze ab 1942/43 wurden als propagandistische Notwendigkeit betrachtet.” In Deutschland ist die Rolle der Fußballvereine in der NS-Zeit aber bereits ausgiebig erforscht worden, so Forster: “Gerade Schalke hat auf vorbildhafte Weise die Aufarbeitung der Vereinsgeschichte betrieben.” 2005 erschien die vom Club geförderte NS-Studie “Zwischen Blau und Weiß liegt Grau”.

In Österreich ist Forster zufolge aber noch “kein Gesamtbild” möglich, selbst wenn es “erste, erfreuliche Ansätze” auf Vereinsebene gibt: So betraute Rapid-Präsident Rudolf Edlinger jüngst auf Initiative des Fußballmagazins “ballesterer” das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) mit einer Untersuchung der “Rapid-Geschichte” im Nationalsozialismus.

Aufklärungsbedarf ist für den Historiker gegeben: “Rapid war durchaus angepasst, wird aber heute gerne als ein widerständiger Club dargestellt”. Das kann auch in einem größeren Kontext gesehen werden. Laut Forster spiegeln die beiden Wiener Großvereine Rapid und Austria überhaupt zentrale Facetten der nach 1945 geschaffenen nationalen Selbstbilder Österreichs wider. “Die Austria begreift sich, ihren Mitläufern und Tätern zum Trotz, primär als Opfer des Nationalsozialismus.”

Rapids Sieg von 1941 birgt aber ein weiteres Problem. “Ein ‘großdeutscher’ Meistertitel zieht auch schnell Beifall von der falschen Seite nach sich”, warnt Forster vor einer Vereinnahmung durch Fans aus dem rechten Lager. Sein Fazit über den “unbestritten großen sportlichen Erfolg” lautet daher: “Es ist wichtig, die damaligen Verhältnisse zu beachten und differenziert damit umzugehen. Umgekehrt macht es auch keinen Sinn, aus hehren Motiven heraus irgendwelche Heldensagen und Widerstandslegenden zu stricken.”

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