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Der mysteriöse unentschlossene US-Wähler

Der Wahlkampf in den USA tobt seit mehr als einem Jahr. Hunderte Reden wurden gehalten, Tausende Werbespots geschaltet und Millionen von Dollar ausgegeben, um potenzielle Wähler zu überzeugen.

In den Medien und im Internet wurden ihre Positionen und Programme auseinandergenommen, diskutiert, verglichen, analysiert, kritisiert. Und trotzdem sind wenige Tage vor der Wahl noch acht Prozent der US-Bürger unentschlossen. Was ist los mit diesen Leuten?

“Es liegt nicht daran, dass ich zu wenige Informationen habe”, sagt Chad Moon, ein Unternehmer aus Ohio. “Es liegt daran, dass ich keinen der Kandidaten besonders mag.” Der 32 Jahre alte zweifache Familienvater stört sich einerseits an den Steuerplänen des Demokraten Barack Obama, mag aber andererseits weder die Sozialpolitik des Republikaners John McCain noch dessen Vize-Kandidatin Sarah Palin. “Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was ich tun soll”, sagt Moon.

Einer Studie des Pew-Instituts ergab in den vergangenen Tagen, dass die unentschlossenen Amerikaner häufig unterdurchschnittlich gebildet und wenig vermögend, eher weiblich und oft regelmäßige Kirchgänger sind. Komiker und Kritiker in den USA stellen sie inzwischen als süchtig nach Aufmerksamkeit oder einfach als Idioten dar. Dagegen erklärte der Neurowissenschaftler Joshua Gold in der “New York Times”, ihr Verhalten sei eigentlich sehr rational. “Man kann so so viele Informationen wie möglich sammeln”, sagt er über die Wähler, die bis zur letzten Minute warten.

Der Politikwissenschaftler Harwood McClerking von der Ohio State University ist da zynischer. Ein großer Teil der Unentschlossenen habe sich unterbewusst bereits entschieden, sagt er, und werde am Wahltag so wählen wie in ihrer Bevölkerungsgruppe üblich: Ein religiöser Weißer aus den Südstaaten werde eher für den Republikaner stimmen, eine gebildete Frau im Nordwesten eher für den Demokraten.

Für McClerking kommt noch ein anderer Aspekt hinzu: Angst davor, als Rassist dargestellt zu werden. Viele Wähler hätten sich bereits gegen den Afroamerikaner Obama entschieden, trauten sich jedoch nicht, das offen auszusprechen. “Wenn ich mir eine Wahlumfrage anschaue, lautet meine persönliche Faustregel, die Hälfte (der Unentschlossenen) dem weißen Kandidaten zuzuschlagen”, sagt er.

Und wann wird sich nun der Unternehmer Moon aus Ohio entscheiden? “Hoffentlich bald”, sagt er. Bis Dienstag hat er noch Zeit.

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