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Der letzte Faschingsschneider

Er hätte an keinem anderen Tag des Jahres geboren werden dürfen: Der letzte Faschingsschneider Österreichs, Andreas Greif, feiert am 11. November nicht nur Faschingsbeginn, sondern auch seinen mittlerweile 43. Geburtstag.

Seit elf Jahren führt er den 1948 von seiner Großmutter gegründeten Familienbetrieb geschickt durch schweres Fahrwasser, in dem ein Großteil der Faschingsartikel-Erzeuger bereits untergegangen ist.

Den Fuß in die Werkstatt der Firma Miranda Weissenfeld am Wiener Gürtel zu setzen, bedeutet, aus einer Zeitmaschine auszusteigen. Andreas Greifs Mutter fertigt per Hand nach wie vor Kostümkollektionen für die bewährten Klassiker wie Indianer, Cowboy und Prinzessin. Bis vor Kurzem ließ es sich auch sein 76-jähriger Vater nicht nehmen, an der „Tiefziehmaschine“, die nur 20 Jahre jünger ist als er, Formen für Ritterpanzer und Römerhelme zu fertigen.

Die zehn Angestellten gehören fast zur Familie. Sie sind seit Jahrzehnten dabei. Ihren jetzigen Chef kennen sie aus einer Zeit, als er selbst aus der Werkstatt von Papa und Mama eine Verkleidung für seine Kindergeburtstagsparty aussuchte. Tag für Tag werden hier Kostüme und die dazugehörenden Utensilien produziert, wie Hexenhüte, Mausohren, Wikingerhelme, Indianerschmuck – Stück für Stück handgemacht. Im Fasching 2001 war dem Bayerischen Fernsehen die Exotik des „Narrenschneiders von Wien“ sogar eine einstündige Dokumentation wert.

Andreas Greifs Großmutter Miranda Weissenfeld („eine elegante Dame, die nie ohne perfektes Make-up aus dem Haus ging“) hatte in der schwierigen Nachkriegszeit in Wien eine Erzeugung von Indianer- und Cowboyartikel, Springschnüren, Windrädern und Federmasken begonnen. Zehn Jahre später kam eine Lampionfabrikation dazu, die bis in die späten siebziger Jahre lief. In dieser Zeit wurden die erste Kostüme für Indianer und Cowboys entworfen. Von seiner charismatischen Großmutter und den Eltern hat Andreas Greif gelernt, das Faschingsgeschäft mit so viel Herz und Kopf zu betreiben, dass er im Gegensatz zu andern Branchenkollegen nicht von der Industrieware an die Wand gedrückt wurde.

Als er die Firma von seiner Mutter übernahm, kümmerte sich Greif um Kontakte außerhalb Österreichs. Greif: „Mittlerweile exportieren wir den Großteil der Produktion in den EU-Raum.“ Indianerartikel, Spielzeugtrommeln sowie Messer, Hellebarden, Schwerter und Tomahawks aus kinderfreundlichem Moosgummi sind die Renner im Sortiment. Neben dem Fasching widmet sich Greif nun vermehrt dem Thema „Verkleiden und Spielen“. Vom Polizisten über den Feuerwehrmann bis zum Bauarbeiter und dem Zauberer können Kostüme für einen Spielenachmittag geordert werden.

Um ein zweites Standbein zu schaffen, betreibt Andreas Greif seit 1998 in der Domgasse hinter dem Stephansdoms einen „Party-Shop“. Neben Kostümverkauf für Erwachsene und Silvesterknallereien gibt es dort u.a. Juckpulver, Niespulver, Pfefferbonbons, falschen Kaffee, täuschend echte Hundehäufchen, Schminkutensilien, Vampirgebisse und – erstaunlicherweise immer noch ein Verkaufsschlager – aufblasbare Furzkissen.

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