AA

"Der Freischütz" feiert geglückte Wiederaufnahme

©APA/DANIEL AMMANN
Bei der Wiederaufnahme von Webers Oper auf der Seebühne passte das Wetter – und fast alles andere.

Das nennt man Wetterglück. Goss es gegen Ende der Indoor-Eröffnungspremiere des "Œdipe" am Mittwoch aus vollen Kannen, so war das Wasser am Donnerstag bei der Freiluft-Wiederaufnahme von Carl Maria von Webers "Der Freischütz" ausschließlich dort, wo es hingehört: auf und hinter der Seebühne, wo ein kitschiger Sonnenuntergang samt Abendrot für jene Bilder sorgte, die für die Bregenzer Festspiele ebenso werbewirksam sind wie eine gelungene Inszenierung. Da stimmte (fast) alles.

Die aus dem Vorjahr stammende Inszenierung von Philipp Stölzl wurde ein wenig aufpoliert und akzentuiert, ansonsten aber nicht verändert. Kein Wunder, sorgte sie 2024 erstens für brechend volle Zuschauerränge, und steht sie zweitens exemplarisch für das Seebühnen-Konzept des Populären, das mit großer Geste neue Fans für das Genre gewinnen möchte, um sie in der Folge mit Diffizilerem zu konfrontieren.

Für den "Freischütz" bedeutet das, dass der romantischen Oper jede Romantik ausgetrieben wird und man stattdessen bei Grusel und Horror landet. Philipp Stölzls postapokalyptische Winterlandschaft wirkt mit ihren toten Bäumen, einsturzgefährdeten Häusern und Hochwasserrelikten wie eine Mischung aus Breugel und Bosch.

Der Teufel zieht die Fäden

Da passt es, wenn der Teufel persönlich die Fäden zieht. Philipp Stölzl hat der Oper eine Rahmenhandlung verpasst, die zum Schluss ein alternatives Happy End bereit hält, das mit einem teuflischen Lachen als grotesk-kitschig ausgewiesen wird. Jan Dvorak hat neue Texte geschrieben, mit denen Samiel in Reimen in den Kampf um die erhofften Seelen antreten lässt.

Moritz von Treuenfels hat dabei wie im Vorjahr alle Trümpfe in der Hand und alle Sympathien auf seiner Seite. Nicht nur, weil er mit einem aus dem See steigenden Pferdewagen und einer feuerspeienden Schlange eindeutig die besseren special effects hat, sondern auch, weil das irdische Personal wenig dagegenhält.

Irina Simmes kämpft als Agathe verzweifelt um ihren Max, der jedoch in Gestalt von Attilio Glaser so blass bleibt, dass man versteht, dass der freche und selbstsichere Kilian des Michael Borth die besseren Karten hat. Das Rennen um Agathes Gunst macht jedoch Ännchen (Katharina Ruckgaber). In dieser Frauenbeziehung blitzt eine zeitgemäße Neudeutung auf, von der man nicht sicher ist, ob diese alle Figuren des "Freischütz" vertragen würden.

Mehr fürs Auge als fürs Ohr

Sicher ist jedoch: Zu Herzen geht diese Geschichte um teuflische Verführung und Erfolgsdruck nicht. Dazu wird nicht nur zu wenig gut gesungen, wird auch der von den Wiener Symphonikern unter Patrik Ringborg intonierten Musik insgesamt viel zu wenig Raum gegeben. Schauwerte dominieren.

Wenn der Mond mitunter alle Blicke auf sich zieht, wenn ein Wasserballett die Träume und ein Zombieball die Wolfsschluchtszene begleitet, dann erwischt man sich bei der Überlegung, ob das Ganze nicht auch ohne Tonspur funktionieren würde.

Tatsächlich gehen einem nach der Aufführung etliche Bilder nicht aus dem Kopf - ist aber kaum eine Melodie in Erinnerung geblieben. Und das ist dann vielleicht doch nicht ganz die Richtung, die die Bregenzer Festspiele auf dem See einschlagen wollen.

(APA)

  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • "Der Freischütz" feiert geglückte Wiederaufnahme