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Der Fall Madeleine McCann - vom Mitleid zur Medienhysterie

Es war Donnerstag, der 3. Mai 2007. Eine Gruppe britischer Ärzte kommt an einem lauen Abend in einer Ferienanlage an der portugiesischen Küste in ein Tapas-Restaurant, lacht, isst, trinkt.

Um 21.30 Uhr steht eine blonde Frau auf, geht in ihr nahe gelegenes Appartement und sieht nach, ob ihre drei Kinder noch schlafen. Doch eines fehlt: Die dreijährige Madeleine ist verschwunden. Was zunächst nur einige britische und portugiesische Zeitungen meldeten, entwickelte sich zu einem weltweiten Medienphänomen, das die Schlagzeilen seit Monaten beherrscht: der Fall Madeleine McCann.

Die Anteilnahme war groß, als die Bilder von dem herzigen englischen Mädchen um die Welt gingen. Entführt, lautete die ersten Annahme. Von einem Kinderschänder, einem Pädophilenring, einem Menschenhändler? Die Eltern Gerry und Kate McCann richteten verzweifelte Appelle an die Öffentlichkeit. „Wir rufen Sie auf, mit jeder Information zu helfen, so klein sie auch erscheinen mag, um die sichere Rückkehr unserer kleinen Madeleine zu ermöglichen“, lautete der erste Aufruf von Gerry McCann. Seine Frau stand neben ihm und umklammerte Madeleines rosa Plüschtier. Und die Zahl der Kameras in dem kleinen Ort Praia da Luz an der Algarve wuchs von Tag zu Tag.

Prominente wie Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling, der britische Milliardär Richard Branson oder Fußballer David Beckham spendeten Hunderttausende, riefen öffentlich zur Mithilfe auf und heizten damit auch die Medienhysterie weiter an. Schließlich bekamen die gläubigen Eltern sogar den Zuspruch vom Papst persönlich.

Nach und nach wurde aber auch Unmut über den Rummel laut, und die McCanns gerieten zunehmend in die Kritik. Ob sie mit ihren ständigen Auftritten vor der Presse nicht das Leben ihres Kindes gefährdeten, wurden sie gefragt. Und warum hatten sie überhaupt ihre Kinder alleingelassen? Die entscheidende Wendung bekam der Fall aber, als die beiden Ärzte im September selbst zu Verdächtigen erklärt wurden, ihre Zelte in Portugal abbrachen und nach Rothley in Mittelengland zurückkehrten. Der Vorwurf: Die beiden 39-Jährigen hätten Madeleine selbst aus Versehen umgebracht und wollten die Tat vertuschen.

Gerüchte rankten sich massenweise um den Fall. Madeleines Leiche im Leihwagen, angebliche Entführer in Marokko, Hinweise aus Belgien und Plastiksäcke mit vermeintlich heißen Hinweisen: All dies beschäftigte die Presse Tag für Tag. Was wahr ist, was falsch, wusste niemand – auch weil die Polizei in Portugal öffentlich keine Informationen zu den Ermittlungen bekanntgibt.

Die Beamten in Portugal stehen sowieso im Zwielicht. Weder hatten sie den Tatort genügend gesichert, noch Zeugen ordentlich vernommen, so die Vorwürfe aus Großbritannien. Neben den Eltern wird immer noch ein Brite verdächtigt, doch die Ermittlungen dazu scheinen seit Monaten auf Eis zu liegen. Aus anonymen Polizeiquellen sickerten zudem ständig neue, teils krude Anschuldigungen oder Vermutungen durch.

Nun, fast acht Monate nach dem Verschwinden, weiß die Welt zwar fast alles aus dem Leben der McCanns, doch wo sich das Mädchen befindet, ist immer noch unklar. Die vollmundige Ankündigung der spanischen Privatdetektei Metodo 3, die Kleine bis Weihnachten nach Hause zu holen, hat sich nicht bewahrheitet.

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