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Der etwas andere "Detektiv"

Robert Kruse in seinem Labor in Gisingen.
Robert Kruse in seinem Labor in Gisingen. ©Tay Hagen
Geologe Dr. Robert Kruse hat sich der "Spurensicherung" von Materialien verschrieben.
Im Labor von Dr. Robert Kruse (2022)

FELDKIRCH-GISINGEN Dr. Robert Kruse ist seit über 20 Jahre Wahlgisinger. Als er ein Jobangebot in Liechtenstein erhielt, zog der gebürtige Deutsche mit seiner Frau nach Feldkirch.

"Als EU-Bürger darf man ja in Vorarlberg wohnen und wir fühlten uns sofort sehr wohl hier", merkt Kruse an. "Ich bin Geologe und habe noch nie als Geologe gearbeitet." Er habe seine Berufung woanders gefunden: Das Interessensgebiet hat sich im Studium abgezeichnet. "Es gibt hierfür verschiedene Bereiche", erklärt der Forscher weiter. Die Zweige sind breit gefächert. Es gibt Disziplinen wie etwa die Ingenieursgeologie (für Baugrund, Grundwasser, Triebwasser) oder die Rohstoffgeologie (Erkundung, Erdöl, Lagerstätten und vieles mehr). Darunter auch solche Forschungszweige wie die Sedimentologie, die auch Dr. Kruse für sich entdeckt hat: "Die gehen in die Berge und erforschen beispielsweise die Strukturen von Gestein." Je tiefer man in die Erdkruste geht, desto heißer und formbarer wird Gestein. "Es ist fast wie Knetmasse", fügt Kruse hinzu. Jene Bewegungen vom Gestein sind sehr langsam (teilweise dauern sie Jahrmillionen) - darunter findet man heraus, wie es sich verformt hat, wenn man solche Materialien in einem Rasterelektronenmikroskop (REM) untersucht. 

Nach dem Studium hat es den Geologen zwar in die Berge (Österreich) verschlagen, aber beruflich in die Forschung der Keramikverarbeitung. "Es war eine unglaublich spannende Zeit, bei der ich vieles gelernt habe", meint Kruse. Anschließend sammelte er Berufserfahrung in der Glasindustrie, bevor er sich dann 2018 selbstständig gemacht hat. "Werkstoffwissenschaften beschäftigen sich Großteils mit Metallen, die ganz ähnlich untersucht werden wie Gesteine", erklärt der Forscher. So war auch er stets mit der Materialwissenschaft konfrontiert. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis Kruses Labor funktionstüchtig war. Sein Ziel war es, ein Labor zu schaffen, das vom Qualitätsmanagement und der Entwicklung gebraucht wird. Nach der Anschaffung eines eigenen REMs war der Grundstein gelegt.

Asbest beseitigen

"Im Prinzip ist es eine Detektivarbeit, die unglaublich spannend ist", führt Kruse aus. "Man kann nie im Vorhinein sagen, dass man etwas findet." Sein Rasterelektronenmikroskop ist eines der modernsten Geräte in ganz Vorarlberg. Im Keller seines Hauses sind die Räumlichkeiten für das Labor und die Präparation. Sein Hauptgeschäft sind Baustoffproben für Asbest. "Wenn dieses Material vermutet wird, ist es immer ein heikles Thema", merkt er an. Asbest ist ein natürlich vorkommendes, faserförmiges Mineral, das aufgrund seiner besonderen Eigenschaften wie z.B. Brandfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit vor allem zwischen 1960 und 1990 universell eingesetzt wurde. Aufgrund der inzwischen eindeutig festgestellten Gesundheitsgefahren, die von Asbest ausgehen, ist der Einsatz heute in vielen Staaten verboten. 

Um auch die eigene Gesundheit sicherzustellen, sind hohe Anforderungen der Auflagen gegeben. "Hier geht keine Gefahr aus, auch wenn mit Gefahrenstoffen gearbeitet wird", hält Kruse fest. Ingenieurbüros führen bei Restaurierung oder Abriss alter Gebäudekomplexe eine sogenannte Schadstoffprüfung durch. Die Abfallverzeichnisverordnung gibt vor, wie weiter vorgegangen werden muss. Wenn die Proben Kruses Labor erreichen, nimmt er diese aus der Tüte und platziert sie in einen Tiegel (ein feuerfestes und chemisch resistentes Gefäß zum Erhitzen von Stoffen) und wiegt das Material anschließend ab. "In alten Baustoffen kann alles Mögliche drin sein", führt er weiter aus. Dann wird im Ofen alles was organisch ist verbrannt (Veraschung): Die übrigen Fasern werden präpariert und kommen mit einem elektrisch leitfähigen Klebeetikett unter das REM. Asbest ist gerne in älteren PVC Böden, Wänden (Putz), Fliesen- oder Plattenkleber. Die Erkundungen finden im 0,01-stelligen Bereich statt.

Über 100.000-facher Zoom

Das eigens hergestellte Filtersystem lässt die Luft bei der Probenentnahme nicht nach außen dringen. Der 80 Kilogramm schwere Sicherheitsschrank mit Chemikalien ist ebenfalls mit dem Abzug an der Lüftung angeschlossen. Alles was unter das Mikroskop kommt, darf nicht ohne Handschuhe angefasst werden, da die Haut eine Fettschicht absondert. Unter dem Mikroskop können auch Probleme von Materialien eruiert oder Fehler rekonstruiert werden. "Je nach Fragestellung findet das REM sein eigenes Einsatzgebiet", so Kruse. Ein weiteres Rasterelektronenmikroskop hat beispielsweise die Fachhochschule Dornbirn, die sich neben der Forschungs- und Lehrtätigkeit auf Metalluntersuchungen konzentriert. Kruses Mikroskop kann das Material über 100.000-fach vergrößern. Üblicherweise ist in seinen Arbeitsgebieten 1000 bis 10.000-fach gefordert. Kontrastreiche Materialien schaffen auch im 30-40.000-fachen Bereich scharfe Bilder.

Aus Neugierde hat Kruse auch schon Objekte aus der Natur unter das Mikroskop gelegt. "Interpretieren kann ich es nicht", schmunzelt der Geologe. Darunter waren Löwenzahn, Ringelblumen oder Samenkapseln von Majoran. Im Mikrometer-Bereich werden völlig neue Oberflächen sichtbar. Das REM benötigt viele Minuten, um ein einzelnes Bild entwickeln zu lassen. Helligkeit und Kontrast müssen dabei schon im Vorhinein richtig justiert werden. TAY

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