Was in der Mitte des Ortsteils Großdorf der Gemeinde Egg in den letzten Jahren passierte, steht beispielhaft für das, was in vielen Gemeinden geschieht – und wie man auf Probleme der Ortskernentwicklung reagieren und sie zum Guten wenden kann.
In Großdorf schlossen drei wichtige Häuser für immer: das Lagerhaus, das Sennhaus und das Dorfgasthaus Drei König. Zusammen mit dem Eigentümer schaffte es die Gemeinde, wieder öffentliche Nutzungen und zusätzliche Wohnungen anzusiedeln.

Die Bebauung wurde von der Gemeinde Egg mit Bürgermeister Paul Sutterlüty und von der Eigentümergesellschaft vorangetrieben, die der regionalen Raiffeisenbank und dem Projektentwickler PRISMA gehört. So war es möglich, vielfältige Wünsche an die neuen Häuser umzusetzen: Es gibt insgesamt 16 Mietwohnungen, die natürlich von einem Vermieter betrieben werden mussten. Es gibt eine Bankfiliale des Miteigentümers in dem Ortsteil mit etwa 1100 Einwohner(inne)n sowie eine vermietete Gewerbeeinheit, die etwa schon von einer Physiotherapeutin und einem Notar genutzt war. Und der anspruchsvollste Beitrag im Gesamtangebot, es gibt eine Sparfiliale, die die Nahversorgung für Großdorf gewährleistet. Das war nicht einfach, weil sich der Händler auf eine Fläche von nur 215 Quadratmetern beschränken musste. Mit einer jährlichen Mietunterstützung durch die Gemeinde war es möglich, Spar zu überzeugen.

Die Entwicklung am Dorfplatz zog sich über zehn Jahre: Alle drei Altbauten wurden abgetragen und durch Neubauten in fast exakt derselben Dimension ersetzt. Zunächst wurden das Sennhaus gegen einen Neubau für die Bankfiliale samt Wohnungen und das Lagerhaus gegen einen Wohnungsneubau getauscht, beide vom Architekten Walter Beer realisiert. 2019 entstand schließlich der letzte Beitrag zum Ensemble: Nahversorgung sowie sechs Wohnungen in einem Neubau des Architekten Bernardo Bader.

Dieser dritte Bau ist zweifellos der wichtigste im Ensemble. In diesem Fall wurde der Neubau gegenüber seinem Vorgänger um etwa einen Meter von der Straße weggerückt und etwas gedreht, um die räumliche Situation an dieser Stelle zu verbessern: Es handelt sich nicht um einen Dorfplatz, eher um eine Raumaufweitung an einer Straßenkreuzung mit Busstation. Durch die neue Stellung des Hauses ist mehr Platz an der Straße, es entsteht ein Vorbereich mit Baum, wo auch geparkt werden kann. In einer solchen Situation geht es auch darum, den Dorfbewohner(inne)n Raum für Aneignung zu lassen, nicht alles „durchzudesignen“, meint der Architekt. Das Raumprogramm erforderte drei Geschoße, allerdings sollten sich diese nicht in der Fassade abbilden, sonst wäre das Gebäude viel zu hoch geworden, insbesondere gegenüber dem Gasthaus auf der anderen Seite der Straße nach Schetteregg. Deshalb wurden drei Wohnungen im Dach untergebracht, mit eingeschnittenen Terrassen nach vorn und einer metallverkleideten Gaube nach hinten. Das Gebäude besitzt ein Walmdach, wie es hier klassischerweise Pfarrhäuser haben. Einerseits sollte diese Form ebenfalls einen Beitrag dazu leisten, den Neubau nicht zu hoch werden zu lassen, weil so Giebelwände vermieden werden. Das Haus hat auf allen vier Seiten eine Traufkante, die der Umgebung entspricht. Außerdem soll so die öffentliche Funktion markiert werden und das Haus ausstrahlen. Und schließlich macht es das Walmdach möglich, dass alle vier Seiten des Gebäudes gleichwertig sind. Dadurch wird gerade nicht die Linearität der Straße betont, sondern das Dorf „mit unters Dach genommen“, wie es Architekt Bader formuliert. Auch die Entscheidung gegen eine Schindelfassade und für die vertikale Holzschalung ist wohlüberlegt: Die Vertikalität streckt den Baukörper in die Höhe und erlaubt eine halbdurchsichtige Öffnung zum Lokal. Das Haus ist ein Hybridbau, bei dem Kern und Decken aus Beton bestehen. Hinter der Fassade befinden sich Stahlstützen und nichttragende, dämmende Holzelemente. So kann man die Speichermasse des Betons nützen, Akustikprobleme vermeiden und doch zu einem hohen Anteil mit Holz bauen.


Das Resultat dieser fein dosierten architektonischen Entscheidungen mag unspektakulär sein, doch es funktioniert räumlich bestens, es wird im Dorf geschätzt – und es leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualität des Dorfkerns. Entscheidend dafür waren das Engagement der Gemeindepolitik und des Bauherrn und die frühzeitige Einbindung des Architekten. So konnten die zwar kleine, aber dem Ort angemessene Geschäftsfläche gesichert, das Wohnen im Erdgeschoß vermieden und für Anlieferung und Parken eine verträgliche Lösung gefunden werden. Für ein Architekturbüro ist wohl ein Projekt „auf der Grünen Wiese“ einfacher. Aber die Wirkung dieser Art von Ortsentwicklung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.


Daten und Fakten
Objekt Dreikönig, Egg-Großdorf
Bauherr Bregenzerwald Investment, Egg; Projektentwicklung: PRISMA, Dornbirn
Architektur bernardo bader architekten www.bernardobader.com
Statik zte Leitner, Schröcken; www.zte.at
Fachplanung Haustechnik: ibee, Fußach; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Elektro: Schneider, Egg; Verkehr: Galehr, Feldkirch
Planung 01/2017–12/2018
Ausführung 03/2018–12/2018
Grundstück 876 m²
Nutzfläche 399 m² (zzgl. Verkauf und Keller)
Bauweise Erdgeschoß, Geschoßdecken: Stahlbeton; Obergeschoße: Holzbauelemente mit tragenden Stahlstützen; Walmdach: Holztragwerk; Fassade: Wechselfalz aus sägerauer Tanne
Besonderheiten Neues Wohn- und Geschäftshaus anstelle des alten Gasthauses Drei König
Ausführung Bauleitung: Jürgen Haller, Mellau
Energiekennwert 25 kWh/m² im Jahr (Heizwärmebedarf Wohnen) Baukosten 1,6 Mill. Euro

Text: Robert Temel | Fotos: Darko Todorovic
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