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Demontage von Tony Blair geht weiter

Monatelang hat sich der britische Premierminister Tony Blair standhaft geweigert, ein Rücktrittsdatum zu nennen. Er dürfte geahnt haben, was ihm dann blüht.

Seine zaghafte Rücktrittsankündigung vom Donnerstag hat die innerparteilichen Kritiker nämlich nur noch weiter angestachelt. „Ein willkommener erster Schritt“, sagten Vertraute von Blairs Erzrivalen Schatzkanzler Gordon Brown der linksliberalen Tageszeitung „The Guardian“ (Freitagsausgabe).

Unter den Labour-Abgeordneten wurde Blairs Demontage indes munter weiterbetrieben. „Das ändert überhaupt nichts“, quittierte der Blair-Kritiker Ex-Verteidigungsstaatssekretär Doug Henderson das zwölfmonatige Ablaufdatum, das sich der Premier selbst verpasst hat. Blairs Ankündigung „hat uns nicht weitergebracht“, kritisierte auch der Labour-Abgeordnete Graham Stringer. Blair müsse schon zum Jahreswechsel sein Amt niederlegen, damit Labour überhaupt noch eine Chance hat, ihre bisherigen Hochburgen Wales und Schottland bei den Regionalwahlen im Mai zu verteidigen.

Statt seine Rücktrittsankündigung für einen energischen Befreiungsschlag zu nutzen, hat Blair freimütig eingeräumt, dass er innerhalb der Labour Party das Heft nicht mehr in der Hand hat. „Ich hätte es lieber auf meine Art und Weise getan“, sagte er schmallippig. Geschwächt durch ein anhaltendes Popularitätstief und ohne ausreichenden Rückhalt im Parlament wird Blair bereits als „Dead Man Walking“ (Todeskandidat auf dem Weg zu Hinrichtung) beschrieben. Ob er sein zehntes Amtsjubiläum am 2. Mai 2007 erleben dürfte, scheint äußerst fraglich.

Aber über seine eigene politische Zukunft dürfte sich der einstige Strahlemann der europäischen Politik wohl kaum noch Gedanken machen. Seine letzte politische Schlacht dürfte die Durchsetzung eines genehmen Nachfolgers zum Inhalt haben. Während Blair selbst ein Stillhalteabkommen mit seinem aussichtsreichsten Nachfolgekandidaten Gordon Brown geschlossen hat, schießen sich die Vertrauten des Premiers auf den Schatzkanzler ein. Dass Brown am Mittwoch nach einem Krisentreffen mit Blair grinsend das Regierungsgebäude verlassen habe, sei „absolut dumm“ gewesen, ereiferte sich Ex-Innenminister Charles Clarke im Londoner „Evening Standard“ (Freitagsausgabe). „Ein Teil des Problems ist, dass es ihm (Brown) an Vertrauen mangelt. Er ist nervös. Das könnte sich ändern, wenn die Last des Wartens auf den Job von seinen Schultern fällt, und es wird wohl so sein. Aber wer weiß.“

Seit Jahren ist die Labour Party zwischen „Blairites“ und „Brownites“ zerrissen. Um inhaltliche Differenzen geht es dabei nur auf der Oberfläche, auch wenn Brown ein besseres Verhältnis zu den Gewerkschaften und der Parteilinken nachgesagt wird. Aus der Irak-Kriegskontroverse etwa ging der Schatzkanzler unbeschadet hervor, weil er sich in außenpolitischen Fragen kaum exponiert hat. Blair hat sich das Stillhalten seines Finanzministers, den er 1994 beim Rennen um die Labour-Führung ausgebootet hatte, mit der Abgabe von weitgehenden Befugnissen „erkauft“. Seit geraumer Zeit bestimmt der Säckelwart die großen Linien der Wirtschafts- und Sozialpolitik im Alleingang, während er Blair die unpopuläre Außenpolitik überlässt.

Über ein geheimes Abkommen zur Amtsübergabe zwischen Brown und Blair wird seit dem Amtsantritt des Premiers im Jahr 1997 spekuliert. Die Brown-Vertrauten warfen Blair mehrmals Wortbruch vor. Daher scheint nicht ausgeschlossen, dass Blair versuchen wird, seinen schottischen Landsmann in der Nachfolgedebatte auszubremsen. Als möglicher Gegenkandidat des Blair-Flügels gilt etwa Innenminister John Reid (59), der in der britischen Öffentlichkeit mit seinem hemdsärmeligen Auftreten als Krisenmanager gute Figur macht. Oder Umweltminister David Miliband (41), der es nach Ansicht des Blair-Lagers leichter mit dem jugendlichen Oppositionsführer David Cameron (39) aufnehmen könnte als der ewige „Kronprinz“ Brown.

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