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Das welsche Teufli

Ulrich Gabriel
Ulrich Gabriel

So sehr ich diesen Kanon ob seiner fröhlichen Melodie schätze, so sehr hat mir sein Text Rätsel aufgegeben. Vergnügt sang ich das Liedchen vor mich hin, als eine politisch Korrekte meinte: „Das ist fremdenfeindlich“. Oho! Abrupt versagte mein „böse Menschen haben keine Lieder“- Gefühl und stürzte mich in tiefe Zweifel, ob ich etwa böser Guter oder ein linker Rechter sei, sonst gibt es ja nichts zu sein. Wer ist denn dieses welsche Teufli? Woher kommt es? Was bedeutet der Text tatsächlich? Das fragte ich mich. Nicht einfach zu beantworten. Ich will euch teilhaben lassen. Lasset uns singen:

„Ich armes welsches Teufli, bin müde vom Marschieren, bin müde, bin müde vom Marschier‘n. Ich hab verlor‘n mein Pfeifli, aus meinem Mantelsa-ack, sa-ack, aus meinem Mantelsack. Schad‘t nichts, ich hab‘s gefunden, was du verloren ha-ast, ha-ast, was du verloren hast.“ So weit so gut. Lied aus. Jetzt eure Meinung bitte!

O weh. Die liberale Mittelklasse hatte grad keine Zeit, weil sie sich fragte, wohin die nächste Urlaubsreise geht. Die Linken haben gleich abgewunken, weil es angesichts der politischen Lage nichts zu singen gebe, außerdem sei ihnen Singen zu wenig wissenschaftlich. Die Political Goretexnässer hielten mich für einen Rechten, weil sie im Liederbuch des Reicharbeitsdienstes 1934 das Teufli gefunden hatten. Sie bereiten jetzt ein „Teufli-Manifest“ zur Reinigung der Liederbücher vor. Die Gutmenschen konnten grad nicht nachdenken, weil sie im Facebook die nächste Demokratie-Unterschriftswelle teilten. Den Rechten war „Kanonsingen“ zu wenig hart, sie singen lieber „Hulapalu“, sagten sie, weil sie da ohne Probleme mitkommen. Die Künstler haben gleich abgewunken, weil sie grad Reden zur Rettung der Demokratie abschreiben. Ich habe gar nicht bemerkt, dass sie untergeht. Kurz: Das arme welsche Teufli und ich blieben allein und lenkten unsere Schritte Richtung Goat Village. Ein Wirtshaus winkte. Das Teufli war müde vom Marschier‘n, ich hingegen war frisch wie Mundharmonika, der erst kürzlich im Sharp Corner aufgetaucht war. Erst jetzt fiel mir auf, dass am Schluss des Kanons neben dem Teufli ein zweites ICH auftrat. Das ICH, das das Pfeifli gefunden hatte: „Schad nichts, ich hab‘s gefunden, was du verloren hast!“. An der Theke zog ich das Pfeifli aus dem Mantelsack und gab es dem Teufli zurück. Freude.

Für Analytiker aber wurde klar, dass im Lied ein Doppelgänger gesteckt hatte: ICH, Verlierer und Finder zu gleich. Zwei Seiten eines einzigen Menschen so wie in Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde oder Calvinos geteiltem Visconte. Teufli lebt.

Da ertönte die Mundharmonika und ein großer Zug scheinheiliger Sittenwächter, Moralhüter, Demokratieretter, Abendlandverteidiger, Mahner, Liedermacher und Hasshosenscheisser verschwand im Luomloch.

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