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"Das Spiel der Mächtigen"

"Das Spiel der Mächtigen". Unter diesem Motto präsentierten am Mittwoch die auch im kommenden Jahr von fünf Weltkonzernen mitfinanzierten Salzburger Festspiele ihren Spielplan. Bilder  | S24-Video 

Inhaltlich wollen die Mächtigen der Festspiele dieses doppeldeutige Motto mit Kunst füllen, in der eben dieses Spiel der Mächtigen zentrales Thema ist. So hat Intendant und Opern-Chef Jürgen Flimm das Riesenwerk von Luigi Nono “Al Gran Sole Carico D’Amore” als Haupt-Produktion präsentiert und neben Händels “Theodora”, Mozarts “Cosi fan Tutte”, Rossinis “Moise et Pharaon” und Beethovens “Fidelio” gestellt.

Ingo Metzmacher und die Wiener Philharmoniker werden Nonos Oper in der Felsenreitschule musikalisch gestalten, Katie Mitchell ist für die Regie verantwortlich. Die maßgeblichen Interpreten von “Theodora” im Großen Festspielhaus heißen Ivor Bolton, das Mozarteum Orchester und Regisseur Christof Loy. Von diesem Team stammt übrigens auch die 2009 wieder aufgenommene “Armida” von Haydn aus dem Jahr 2007. Regisseur Claus Guth wird ebenfalls mit zwei Produktionen vertreten sein. Erstens mit einer neuen “Cosi fan Tutte” im Haus für Mozart, Adam Fischer wird die Philharmoniker dirigieren. Mit dieser Produktion wird Guth seinen Da Ponte-Zyklus vervollständigen. Zweitens soll der alte “Figaro” aus dem Jahr 2006 im Haus für Mozart wieder aufgenommen werden.

Im Großen Festspielhaus wird es darüber hinaus eine Gioachino Rossini-Oper geben und zwar “Moise et Pharaon”. Dieses Werk wird von Flimm – trotz dessen früherer Ankündigungen, in der eigenen Intendanz eher nicht Regie führen zu wollen – selbst in Szene gesetzt. Bei dieser Oper wird Flimm von den Philharmonikern unter Riccardo Muti unterstützt. Komplettiert wird das Opern-Programm mit Beethovens “Fidelio” mit dem West-Eastern Divan Orchestra. Daniel Barenboim wird diese konzertante Aufführung im Großen Festspielhaus leiten.

“Weg mit den Waffen, die Schwachen sollen umgürtet sein mit Stärke” – mit diesem Zitat versuchte Flimm an Giorgio Strehlers “Das Spiel der Mächtigen”, zwei Shakespeare-Produktionen des Jahres 1973, anzuknüpfen. Und Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler betonte, dass “die einzig atembare Luft die der Menschenliebe” sei.

Nicht nur in der Oper, sondern auch im Schauspiel der Salzburger Festspiele 2009 ist das Motto vom “Spiel der Mächtigen” inhaltlicher Leitfaden. Schauspiel-Chef Thomas Oberender bringt neben dem unvermeidlichen und 2009 nur in zwei Rollen veränderten Christian Stückl-“Jedermann” einen Klassiker von Euripides ins Landestheater – und zwar die von Goethe als die beste Tragödie der Antike bezeichneten “Bakchen”. Jürgen Gosch soll inszenieren, und Oberender hofft auf “eine Stabilisierung der Gesundheit” des Regisseurs.

Friedrich Hebbels “Judith” soll von Sebastian Nübling für die Pernerinsel in Szene gesetzt werden; dieses Stück wird mit Schauspiel und Staatsoper Stuttgart koproduziert. Erstmals in deutscher Sprache wird Peter Handkes “Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts” zu sehen sein. Handke hat sich darin mit Samuel Becketts “Das letzte Band” auseinandergesetzt. Becketts Stück wird gemeinsam mit Handkes Beckett-Reflexion für eine Schauspielerin (Nina Kunzendorf) im Landestheater zu sehen sein und zwar in der Regie von Jossi Wieler.

Der “Young Directors Project”-Gewinner des Jahres 2003, Alvis Hermanis, wird sein Stück ohne Worte mit dem Titel “The Sound of Silence” als zweite große Produktion auf der Halleiner Pernerinsel präsentieren. Dieses “Konzert, das nie stattgefunden hat” ist eine Art Geschichten-Sammlung über Menschen am Rande, die sich an der Musik von Simon & Garfunkel orientiert. Oberender sieht darin eine Arbeit über Gnade: “Schließlich ist die Macht eine rein imaginäre und nicht objektive Realität. Außer die Gewalt verhilft ihr dazu.”

Andrea Breths “Verbrechen und Strafe” aus dem Jahr 2008 wird auch 2009 zu sehen sein, und für das Young Directors Project hat Oberender wie üblich vier Gruppen eingeladen. Aus New York kommt “Welcome to Nowhere” von Kenneth Collins, und aus dem Schauspielhaus Graz wird “Alice” nach Lewis Carroll zu sehen sein. “Die Welt ist groß und überall lauert Rettung” heißt ein Stück von Ilija Trojanow, das Jette Steckel aus dem Thalia Theater Hamburg ins Republic bringen wird, und Dries Verhoeven zeigt sein eigenes Stück mit dem Titel “You Are Here” in deutscher Sprache auf der Pernerinsel.

Der “Dichter zu Gast” heißt 2009 Daniel Kehlmann. Er soll nicht nur aus eigenen und bisher nicht veröffentlichten Werken lesen, sondern hat eine Programmreihe kreativ mitgestaltet, wie Oberender erläuterte. So wird es szenische Lesungen, Autorengespräche, einen Nestroy-Schlagabtausch mit Walter Schmidinger und vor allem eine Show mit dem “Weltmeister der Kartentricks”, dem Zauberer Juan Tamirez, geben.

Konzerte mit Varese und Liszt

Auch im Jahr 2009, dem “Spiel der Mächtigen” bei den Salzburger Festspielen, stehen die Wiener Philharmoniker im konzertanten Zentrum. Das “Salzburger” Orchester wird neben der Oper fünf Konzerte mit Nikolaus Harnoncourt, Esa-Pekka Salonen, Riccardo Muti, Franz Welser-Möst und – die berauschenden Erfolge des Jahres 2008 dürften ausschlaggebend gewesen sein – mit Gustavo Dudamel. Inhaltlich hat Konzert-Chef Markus Hinterhäuser den Komponisten Edgar Varese (1883-1965) und Franz Liszt seine Schwerpunkte gewidmet.

Mariss Jansons, Valery Gergiev, Adam Fischer, Bertrand de Billy und Paul McCreesh werden die Gastorchester dirigieren und Simon Rattle “seine” Berliner Philharmoniker. Ein dreiteiliger Haydn-Zyklus kommt vom Marc Minkowski und Les Musiciens du Louvre Grenoble, und die Deutsche Kammerphilharmonie unter Paavo Järvi wird alle Beethoven-Symphonien spielen, “weil das das Beste ist, was seit langem mit Beethoven passiert ist”, so Hinterhäuser.

So wie 2007 wird das West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim auch 2009 eine eigene Konzertreihe gestalten. Meisterkurse, Orchesterkonzerte, konzertante Oper (“Fidelio”), ein Boulez-Abend sowie Kammermusik stehen auf dem Programm dieses sozial und politisch so engagierten Klangkörpers aus Israel und seinen arabischen Nachbarn.

Acht Konzerte hat Hinterhäuser im Zyklus “Kontinent Varese” zusammengefasst. Darin finden sich neben der Musik dieses Pioniers elektronischer Musik, dessen Jugend-Werk zur Gänze verbrannt ist, auch Komponisten wie Iannis Xenakis, Morton Feldmann, Claudio Monteverdi, Olga Neuwirth, Arnold Schönberg, Luigi Nono und – nicht zuletzt – Richard Strauss. “Alle diese Komponisten stehen in Beziehung zueinander. Mein Anliegen ist, diese Beziehungen im Sommer 2009 nacherlebbar zu machen”, wie Hinterhäuser sein Programm erklärte. Dazu gehören auch die “Liszt-Szenen”. “Besonders für diesen musikgeschichtlich so unterschätzten Komponisten will ich eine Lanze brechen.”

Im Bereich Lied, Kammermusik und Solisten kommt das who ist who der internationalen Interpreten-Szene: So sind etwa Matthias Goerne, Thomas Quasthoff, Magdalena Kozena, Rolando Villazon oder Anna Netrebko angesagt, die zusammen mit Daniel Barenboim Lieder von Nikolai Rimski-Korsakow und Peter I. Tschaikowsky geben wird. Lang Lang wird spielen, ebenso Evgeny Kissin, Grigory Sokolov, Maurizio Pollini, Martha Argerich, die Brüder Capucon, das Emerson String Quartett oder Mitsuko Uchida.

2008 haben 253.850 Besucher den Festspielen in 195 regulären und 31 Sonderveranstaltungen eine Gesamtauslastung von 93 Prozent sowie 25,2 Mio. Euro an Karteneinnahmen beschert. Das ist nach dem Mozartjahr 2006 der höchste Wert. Dennoch forderten die Festspiele erneut mehr Geld von der öffentlichen Hand. “Die hat uns zwar für 2009 die Subvention um drei Prozent oder 400.000 Euro erhöht, aber die Inflation der vergangenen Jahre hat dieses Geld längst geschluckt, so dass wir real weniger Geld haben als früher”, so der kaufmännische Direktor der Festspiele, Gerbert Schwaighofer. Und Präsidentin Rabl-Stadler betonte erneut, “dass uns das unselige Anti-Korruptionsgesetz, das fast zu einer Kriminalisierung unserer Sponsoren führt, mehr Sorgen macht als die Wirtschaftskrise”.

Die Sponsorenverträge für 2009 würden halten, für 2010 gab sich Rabl-Stadler aber skeptischer. 2008 trugen die Sponsoren rund 17 Mio. Euro zum Festspielbudget von knapp 50 Mio. Euro bei.

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