Nach langer Suche entschlossen sich zwei befreundete Familien für den Kauf eines knapp 1000 m2 großen Grundstücks in der Gemeinde Widnau, um darauf mit der Unterstützung von Architekt Joshua Loher ein Doppelhaus zu planen und zu errichten. Keine leichte Aufgabe, einen passenden Ort zu finden in der rasant wachsenden Gemeinde Widnau. Die kleine, von Überschwemmungen des Rheins ständig bedrohte Bauernsiedlung war mit dem Stickereiwesen selbstbewusst geworden ,sodass sie sich 1883 von Diepoldsau abspaltete. Mit der Eröffnung der Kunstseidefabrik „Viscose“ 1924 stellte sie einen jahrzehntelangen wirtschaftlichen Motor für die ganze Region. Die Globalisierung führte zwar zum Niedergang und 2005 zur Schließung des Unternehmens, doch die vorhandenen, ausgedehnten Industrieflächen waren willkommene Grundstücksreserven für eine Vielzahl anderer Unternehmen. Der kontinuierliche Wandel generierte seit den 1990er Jahren einen Bevölkerungszuwachs von über 40 Prozent.
All dies findet sich verknüpft in der Geschichte des Hauses. Andreas Sieber arbeitet im Industrieareal und das Quartier liegt in Gehdistanz. Hier haben sie ein altes Einfamilienhaus abgebrochen und den Platz mit einem eingeschoßigen Doppelhaus neu besetzt. Die Eingeschoßigkeit war Vorgabe und der Entwurf stieß sofort auf Begeisterung. Eine durchgehende Mauer in der Form eines H“ bildet den massiven Kern und öffnet die Wohnungen nach zwei Seiten. Sie trennt das Gebäude in eine Wohnung nach Westen und eine nach Osten und passt so genau zu den Vorlieben der beiden Familien für jeweils Morgen- und Abendsonne.
Garagen zur Straße und Lagerräume nach rückwärts schirmen als geschlossene Körper mit einer Schalung aus Douglasienholz die Flanken ab.
Einer der Gärten ist straßenseitig bereits mit zwei Meter hohen, malerisch rostenden Eisenplatten und zum Nachbargrundstück mit einer Hecke umfriedet. Dort können sich die Kinder frei bewegen und es ergibt sich so etwas wie ein großes „Gartenzimmer“, das über die 3–4 m tiefe Terrasse und die durchgehende Verglasung mit den Wohn- und Schlafräumen eine intime Einheit bildet. Die zweite Haushälfte wird diesem Beispiel vermutlich bald folgen, denn soeben wurde vor deren Garten ein benachbarter Neubau fertiggestellt.
Gebaute Beispiele sind einfach die besten Argumente. Der Architekt hatte sich zuvor selbst ein Doppelhaus mit ähnlicher Konstruktion errichtet. Das Zusammenwirken von sichtbaren Holzbalken und Holzdecken mit verputzten, gedeckt farbigen Mauerwerkswänden überzeugte die Bauherren. Dies verlieh die gewünschte Wohnlichkeit und eine gute Balance zur Aufgeräumtheit und der Nüchternheit der sonstigen Innenausstattung. Keine offenen Schränke, selbst die Garderobe verschwindet dezent hinter einer Schranktüre. Als besonderes Architekturelement sind zwei schlanke Innenhöfe an der Mittelmauer eingefügt. Sie lassen Licht von der zweiten Himmelsrichtung in den Wohnraum und in das (sonst innenliegende) Bad fließen und ihr Kiesbett bietet Raum für charmante, kleine Gartenkunstwerke.
Aus der konsequenten, aber dennoch unaufdringlichen Logik von Ort, Wohnbedürfnissen und Konstruktion sind zwei ideenreiche Wohneinheiten entstanden, deren Ökonomie und gestalterisches Understatement Bauherren und Besucher überzeugt. Man verspürt eine geistige Verwandtschaft zur legendären Spätmoderne der 1960er-Jahre, wie sie in Vorarlberg u. a. von Rudolf Wäger oder Hans Purin zu einer regionalen Reife gebracht wurde. Analogien, die nicht auf simplem, formalem Nachbau beruhen, sondern auf intelligenten Reaktionen auf ähnliche Rahmenbedingungen.
Verdichteter Flachbau, ein gleichmäßiger Zimmerraster mit neun Feldern, Mauerwerk, wo es benötigt wird. Dazwischen dienen beidseitig nutzbare Schrankwände aus Dreischichtplatten als Raumteiler, ganz selbstverständlich und ohne komplizierte Details. Auf den Mauern ruhen hohe Leimbinder, die Dach und Vordach vereinen. Diese Ordnung bleibt auch im großen Wohn- und Essraum an der Decke sichtbar und die Raumhöhe zwischen den Leimbindern erstreckt sich sich auf beachtliche 2,80 m. Sparsam in den Grundflächen (und -kosten) verspürt man dennoch eine angenehme Großzügigkeit. Das ist damals wie heute das Resultat von präziser Planung, die auch die Einrichtung mitdenkt und über Ausblicke und Innenfenster Verbindungen und große Räume schafft.
Die Stringenz in Konstruktion und Material, sowie die Kompaktheit und der präzise durchgeplante Grundriss verleihen dem Bau etwas Zeitloses und den Charme der Konstruktion spätmoderner Vorarlberger Holzbau- Architektur.
Daten & Fakten
Objekt: Doppelwohnhaus in Widnau
Architekten: Joshua Loher, carnier carnier loher architekten, Widnau (CH)
Statik: Beton Bauingenieure, Heerbrugg (CH)
Statik: Holzbau merz kley partner, Dornbirn
Planung: 2009-2011
Fertigstellung: 2011
Grundstücksfläche: 930 m²
Wohnnutzfläche: 2 x 120 m²
Bauweise: Böden: Stahlbetonplatte, eingefärbter Anhydritboden; Wände: Ziegelmassivbauweise mit Sumpfkalkputz; Dach: Leimbinder und Massivholzdecke mit Flachdachabdichtung; Achsabstand Leimbinder: 3 m, Heizung: Erdwärme, Fußbodenheizung
Ausführung: Baumeister: Schawalder, Widnau; Zimmerer: Kugler Holzbau, Wolfhalden (CH); Fenster und Türen: Gautschi Holz- & Fensterbau, St. Margrethen (CH); Tischler: Gottfried Frei, Widnau; Gartengestaltung: Patrick Reck Naturgarten, Altstätten (CH); Heizung (Erdwärme, Fußbodenheizung): Fritz Gresser, Widnau
(VN/ Leben & Wohnen)
Für den Inhalt verantwortlich:
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