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"Das ist Pharisäertum"

Gerald Matt möchte seinen Vertrag erfüllen.
Gerald Matt möchte seinen Vertrag erfüllen. ©APA
Der temporär frei­gestellte Kunsthallenchef Gerald Matt nimmt Stellung zu Politik und Erpressung.
Matt wird freigestellt

Herr Dr. Matt, Sie können auf ein erfolgreiches Jahr mit rund 170.000 Besuchern zurückblicken und haben gerade ein ambitioniertes Programm für 2012 vorgestellt. Von Jänner bis März sind Sie freigestellt. Mit welcher Perspektive gehen Sie ins nächste Jahr?

GERALD MATT: Für ein international tätiges Haus, das mit großen Häusern wie der Tate und dem MOMA auf Augenhöhe arbeitet, ist es selbstverständlich, dass die Ausstellungen längst vorbereitet sind. Die Ausstellungen sind alle im Haus entstanden. Wir sind ein Ort der Produktion und des Know-how, kein Durchlauferhitzer für Wanderprojekte. Die Vorwürfe hängen sich ja nicht an der inhaltlichen Leistung der Kunsthalle auf, sondern sind von den Grünen maßgeblich gegen mich und meine Person gerichtet.

Vorwürfen, denen Sie womit begegnen?

GERALD MATT: Dazu kann ich nur sagen, dass sämtliche dieser Vorwürfe haltlos sind. Das haben alle bisherigen Prüfungen bestätigt. Die nächste Prüfung, davon bin ich überzeugt, wird das wieder bestätigen. Da geht es um Partei- und Machtpolitik der Grünen, die versuchen ihre Interessen und ihre Leute in die Institutionen zu bringen.

Das heißt, Sie werden im April 2012 wieder in der Kunsthalle Wien sein. Ihr Vertrag läuft bis Ende 2014.

GERALD MATT: Ich werde meinen Vertrag erfüllen. Ich habe vor, ein ambitioniertes Programm durchzuführen, unter anderem eine Yoko-Ono-Retrospektive mit dem Guggenheim und der Schirn.

Die Vorwürfe, die man Ihnen macht, beziehen sich auf Spesenabrechnungen, Korruption im Zusammenhang um Ansuchen von Staatsbürgerschaften etc. Konkretisieren Sie sie bitte selbst.

GERALD MATT: Die Liste ist lang und nebulös und stellt die Tätigkeit von Museumsleitern insgesamt infrage. So gibt es den Vorwurf, dass ich als Juror tätig bin, Ausstellungen im Ausland mache und Museumsmanagement an der Hochschule unterrichte. Man wirft mir vor, ich hätte mich um Sponsoring bemüht, indem ich angefragt hätte, ob dieses Sponsoring so weit im öffentlichen Interesse ist, dass es die Verleihung einer Staatsbürgerschaft ermöglicht. Das ist in Österreich bitte auch im Fall eines Sportlers oder Opernsängers gesetzlich möglich, und andere Museumsdirektoren haben auch angefragt. Dann gibt es den Vorwurf, ich hätte Ressourcen der Kunsthalle für private Zwecke genutzt. Ich hätte vom Büro aus mit dem Arzt meines Vaters telefoniert und ich hätte Mitarbeiter für Möbeltransporte eingesetzt. Zum Telefonat stehe ich, wenn ich zehn Stunden und mehr am Tag arbeite, den anderen Vorwurf weise ich zurück. Ich habe mein Büro auf eigene Kosten eingerichtet, und diese Möbel sind von Büro zu Büro transportiert worden. Es gibt aber keinen Vorwurf, dass ich das Haus schlecht geleitet hätte.

Es konnte Ihnen bislang also nichts nachgewiesen werden.

GERALD MATT: Es sind Vorwürfe der Grünen und es gibt kein rechtskräftiges Verfahren, es gibt Anzeigen, aber ich kann ja jeden Menschen anzeigen. Die Vorwürfe reichen alle in die Jahre 1998 bis 2004 zurück. Politische Vorverurteilung ist eine Sache, der Rechtsstaat eine andere.

Womit wird Ihre Dienstfreistellung begründet?

GERALD MATT: Sie bezieht sich darauf, dass die Grünen die Kunsthalle erpressten. Wenn ich nicht dienstfrei gestellt werde, verweigern sie die Subvention für die Kunsthalle. Der Vorstand stellte den Direktor gegen seine Überzeugung frei.

Die GmbH, in die die Kunsthalle Wien in nächster Zeit überführt wird, hat Vor- und Nachteile. Wie sieht Ihre Position dazu aus?

GERALD MATT: Ich bin bis 31. Dezember im Dienst und habe maßgeblich an der Überführung in die Städtische GmbH mitzuwirken. Eine GmbH gibt dem Haus und den Mitarbeitern mehr Sicherheit als ein Verein. Trotzdem ist die Kunsthalle absolut kein Krisenfall, im Gegenteil, wir haben nie ein Budget überschritten, es hat nie eine Nachsubventionierung gegeben, wir haben unsere Ziele immer erreicht. Die städtische GmbH übernimmt ein wohlgeordnetes Haus.

Was wird entscheidend sein?

GERALD MATT: Dass man künstlerische Autonomie und Freiheit bewahrt. Es wird entscheidend sein, dass man zwei konkrete Errungenschaften bewahrt, die Politikerklausel und die Konkurrenzklausel. Das ist die Basis der künstlerischen Freiheit. Da sehe ich große Gefahren, weil die Grünen jetzt schon einen Grünpolitiker in den Aufsichtsrat schicken wollen.

Die Öffentlichkeit wurde jüngst mit Meldungen konfrontiert, dass sich die Kuratoren der Kunsthalle gegen Sie als Direktor wenden.

GERALD MATT: Die Mitarbeiter haben große Ängste, wenn sie hören, dass Subventionen gekürzt werden, und die werden instrumentalisiert. Ich habe versucht, den Mitarbeitern diese Zukunftsangst zu nehmen. Inzwischen haben sie wieder Vertrauen. Das hat mit einer Destabilisierung der Institution zu tun, die die Grünen anstreben. Sie wollen ja nicht nur die Dienstfreistellung, sondern auch eine massive Budgetkürzung um zehn Prozent.

Ist es für Sie ergründlich, mit welcher Absicht das verfolgt wird?

GERALD MATT: Das sind Stellvertreterkriege. Es geht um unterschiedliche kulturpolitische Auffassungen. Ich stehe nun einmal zur Kunst als etwas, was mit dem Außergewöhnlichen, was mit Top-Qualität, was mit Neuem und Herausragendem zu tun hat. Da gibt es Leute, die sehen das eher als basisdemokratische Gruppentherapie. Es wurde uns auch vorgehalten, wir würden zu wenig für die lokale Kunstszene tun. Dabei ist unser klarer Auftrag, dass wir das Schaufenster für zeitgenössische Kunst sind.

Es geht also auch um inhaltliche Einflussnahme?

GERALD MATT: Ja, es geht nicht nur um meine Person, sondern um Macht, um Einflussnahme. Es scheint kein Zufall zu sein, dass die Grünen Listen haben mit Leuten, die sie in die Institution setzen wollen.

Die Kunsthalle hat selbst auch Anzeige erstattet.

GERALD MATT: Es hat einen Datendiebstahl gegeben und die Daten sind nachweislich auf dem Computer des Abgeordneten Wolfgang Zinggl gelandet. Ich finde, es ist beschämend, dass die Grünen, die sich für Persönlichkeitsrechte und Datenschutz einsetzen, von solchen Methoden profitieren wollen. Ich finde es eine extreme Heuchelei, wenn der Grün-Abgeordnete mir Nebentätigkeit vorwirft. Er hat als Vorsitzender des Mumok nichts einzuwenden gehabt, wenn der Direktor parallel zu seinem Job eine Ausstellung im Oberen Belvedere macht. Das ist Pharisäertum und sonst gar nichts.

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