Das große Tabu enttarnt: Verstehen und Meistern der unsichtbaren zweiten Pubertät

Die Wechseljahre werden oft stigmatisiert. Die Menopause gilt für viele als Eintrittstor ins Alter, obwohl die Lebenserwartung immer größer wird und danach heute noch im Gegensatz zu früher ein langer Lebensabschnitt folgt. "Alter bedeutet, nicht mehr so attraktiv, schön und leistungsfähig zu sein", spricht die Lustenauer Unternehmerin Benedicte Hämmerle über ein gesellschaftliches Klischee. Während Männer wie etwa Schauspieler Pierce Brosnan mit grauen Haaren als interessant und sexy gelten, ist dies bei Frauen meist nicht der Fall. Deswegen wird meist lieber über diesen Wechsel geschwiegen.

"Oft wird es belächelt"
"Wir haben von Müttern und Großmüttern vorgelebt bekommen: Das ist so, das vergeht wieder", so Hämmerle. Dies will die Unternehmerin jedoch anderes machen. Sei ist überzeugt, dass man die Wechseljahre nicht einfach nur aushalten muss. Bei Arbeitsterminen nimmt sie einfach den Fächer mit und thematisierte ihre Symptome. "Ich war offen und habe festgestellt, dass viele völlig irritiert waren", erzählt die 53-Jährige. "Frauen sind zu mir gekommen und haben gefragt: traust du dich das so zu sagen?"
Durch das Schweigen wissen viele Frauen nicht, was auf sie zukommt. Hämmerle selbst war mit 50 Jahren überrascht, als bei ihr die Symptome "ordentlich zuschlugen". Von heute auf morgen hatte sie mit Wallungen, Schlafstörungen und Gelenkschmerzen zu kämpfen. "Oft wird es belächelt", spricht sie darüber, dass sowohl Frauen, Männer als auch Ärzte und Ärztinnen zu wenig über Wechseljahre und die Menopause Bescheid wissen und wie man die Nebenwirkungen in den Griff bekommt.
Sie selbst musste sich erst eigenständig informieren und von ihrer Gynäkologin eine Hormontherapie verlangen, welche sie erst nicht verschrieben bekam. "Junge Mädchen bekommen die Pille und Frauen über 50 müssen darum kämpfen, dass sie Hormone bekommen", hinterfragt sie dies. Hämmerle gilt schließlich nicht als "Extremfall". Denn konnte weiterhin arbeiten und war nicht schwer depressiv wie andere vereinzelte Frauen. Nicht alle Frauen treffen die Wechsel gleich stark - manche verspüren keine Symptome, andere hingegen starke. Etwa ein Drittel der Frauen im Wechsel haben laut der Lustenauerin schwere Beschwerden, ein Drittel mittlere Beschwerden und ein Drittel gar keine.
"Da muss man nicht durch"
Teilweise werden die Wechseljahre gar nicht erkannt. Andrea Butterwerk merkte etwa schon mit 45 Jahren Veränderungen der psychischen Gesundheit. Weil sie noch jung war, wurde dies bei Arztbesuchen nicht auf die Hormone zurückgefühlt. In diesem Alter würden die meisten Mediziner nicht an die Wechseljahre denken. Sie wünscht sich deshalb, dass das Thema in deren Ausbildung mehr Platz bekommt und mehr darüber gesprochen wird. Es brauche mehr Verständnis, so die 51-Jährige.
Sie gibt einen häufigen Satz wider, den Frauen zu hören bekommen: „Da müssen sie durch. Da müssen alle Frauen durch." Das empfindet die Lustenauerin anders. Sie ist überzeugt: "Da muss man nicht durch. Wenn es den Frauen besser geht, geht es alles besser." Statt die Symptome mit Schlafmittel oder Antidepressiver zu behandeln, gehe es darum die Ursache zu behandeln.
Deswegen informiert die Gründerin und Obfrau des Vereins "Feuerfrauen" über die Wechseljahre und Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen. Bei Stammtischen in Lustenau treffen sich inzwischen etwa 30 Frauen einmal im Monat. Inzwischen gibt es die "Feuerfrauen" auch schon in fünf anderen Bundesländern. Auch innerhalb Vorarlbergs möchte sie den Stammtisch ausbauen.
Die Lustenauerin hält seit Mitte des Jahres Vorträge in Unternehmen und gemeinsam mit Hämmerle Workshops. Damit will sie dem entgegenwirken, dass Frauen aufgrund fehlender Hilfe kündigen oder Stunden reduzieren, da sie aufgrund von Schlafdefizit keinen anderen Ausweg mehr sehen. Dann besteht die Gefahr, dass sie in Altersarmut schlittern.
Butterweck sieht sowohl die Frauen selbst als auch die Arbeitgeber gefragt. So könnten die Betroffenen durch das Wissen die Ursache selbst gezielt in Angriff nehmen. Zusätzlich macht sie darauf aufmerksam, was Arbeitgeber beitragen können: Etwa durch Duschmöglichkeiten, einen Ruheraum, Möglichkeiten, die Temperatur zu regulieren und eine angepasste Arbeitskleidung etwa. Helfen können generell zudem die Ernährung.
Zweite Pubertät
Doch was passiert dabei im weiblichen Körper? Die Menopause ist der Zeitpunkt, wenn die Frau genau zwei Jahre keine Menstruation mehr hatte. "Im Durchschnitt sind die Frauen dann 52 Jahre alt", spricht die Feldkircher Gynäkologin Barbara Niederer aus der Erfahrung in ihrer Praxis. Dies ist aber auch schon durchschnittlich ab 45 Jahren möglich. Als Wechseljahre wird die Zeitphase dazwischen benannt. Diese dauert zwei bis sieben Jahre.

"Der Körper ist im Wandel, es kommt zu hormonellen Umstellungen, der Östrogen- und Progestronspiegel sinkt", erklärt die Frauenärztin. Durch den abfallenden Östrogenspiegel wird auch der Serotoninhaushalt beeinflusst. Neben Hitzewallungen, trockener Schleimhäute, Veränderung der Haut, sexueller Unlust, Herzrasen, Gewichtszunahme trotz Diät und Sport und Erschöpfung kann dieser Wandel im Hormonhaushalt also auch Stimmungsschwankungen hervorrufen: "Weinerlich bis aggressiv ist alles möglich. Ich bemerke, dass die Gefühle wieder ähnlich wie in der Pubertät sind."
Es ergeht aber nicht allen so. Niederere macht darauf aufmerksam: "Es gibt aber auch einige wenige Glückliche, die gar nicht viel spüren und einfach nur berichten, dass die Periode ausgeblieben ist." Die weibliche Fruchtbarkeit nimmt ab. Die Blutungen werden in dieser Phase unregelmäßig, bis sie dann irgendwann ganz ausbleiben. Dann hat sich ein neues Gleichgewicht der Hormone etabliert.

Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.