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"... dann schleich dich!": Schultheaterprojekt uraufgeführt

©Dschungel Wien
Das Foyer sei für ein "Dschungelcamp Casting" verschiedener Fernsehanstalten vermietet, erklärt Stephan Rabl, der Leiter des Kinder- und Jugendtheaterhauses Dschungel Wien, den Premierenbesuchern.

Leider könne die Aufführung daher nicht am vorgesehenen Ort stattfinden, denn in Zeiten der Wirtschaftskrise benötige man dringend Zusatzeinnahmen, tut echt leid. “Also schleichts euch!” – Das hört man in der nächsten Stunde noch einige Male. “… dann schleich dich!” heißt eines der Schultheaterprojekte, die im Rahmen der Aktion “Macht – Schule – Theater” österreichweit in Schreibwerkstätten entstanden. Die Uraufführung wurde gestern, Dienstag, Abend bejubelt.

Erarbeitet wurde die “Realitätsshow” von Regisseur Karsten Dahlem und Autorin Nicole Kanter gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des BG+BRG Rahlgasse. Dort war vor zwei Jahren auch das packende, Gewalt in den Schulen thematisierende Stück “komA” entstanden, das einen Nestroy-Preis gewinnen konnte. “Wir gehen in die Rahlgasse. Dort hängt jeder Schüler an der Nadel! Dort wischt der Schulwart das Blut auf! Dort brennen die Autos!”, versichert einer der Darsteller lautstark, und die Kollegen können nur mühsam ein Schmunzeln unterdrücken, um nicht aus der Rolle zu fallen. Denn das Stück sieht ohnedies bereits ein Verwirrspiel zwischen einem “Anti-Gewalt-Theaterprojekt” und der Realität vor, in der einem sich besonders liberal gebenden Lehrer ein Verhältnis mit einer Schülerin angedichtet wird, um ihn aus der Schule zu ekeln.

Dann gibt es noch diverse Statuskämpfe und Liebeswirren sowie eine anstehende Wahl zum Schulsprecher. Flächendeckende Videoüberwachung und Lehrer-Schüler-Kontakte künftig nur noch via E-Mail fordert einer der Kandidaten per Megafon. Er trägt Dreadlocks. Politische Gesinnung sucht sich heute perfekte Tarnung, könnte eine der Botschaften lauten, und die Dinge beim Namen zu nennen fällt den goscherten Kids gar nicht schwer. Ein junges Liebespaar fühlt sich “wie Bonnie und Clyde, wie Haider und Petzner”, Be- und Erkenntnissprüche lauten etwa “Ich lebe in einem Land, in dem ihr den Tod eines Rechtspopulisten verglorifiziert”, oder “Ich lebe in einem Land, wo man nicht nur auf der Rolltreppe rechts steht.”

Die Inszenierung ist eine engagierte Mischung aus TV-Show-Persiflage, Stationendrama und Theater-Prozession, in der Unsicherheiten durch doppelten Einsatz und dreifache Lautstärke überspielt werden. Vom Theaterfoyer wird man von Fähnchen schwenkenden Lotsinnen über die Mariahilfer Straße in das Top Kino gelotst, von dort geht es über die Rahlgassen-Stiege und die U-Bahn-Passage wieder zurück in den Dschungel Wien. “So ein Arschloch” ist immer wieder laut aus den Megafonen zu hören, und die Passanten bekommen einiges zu sehen und zu wundern.

“Ich lebe in einem Land, wo Politiker denken, dass man sich durch Finanzierung von Anti-Gewalt-Projekten aus der Verantwortung stehlen kann”, lautet eines der abschließenden Statements. Und man bedauert, dass für die Einarbeitung der aktuellen “Einigung” im Lehrerstreit, die den Schülern eine Woche mehr Unterricht beschert hat, offenbar keine Zeit war. Dazu wäre den Beteiligten sicher auch noch der eine oder andere deftige Spruch eingefallen.

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