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D: Weiter Wirbel um Stoibers Äußerungen

Der Streit um die Äußerungen von CSU-Chef Edmund Stoiber zum Wählerverhalten in Ostdeutschland schlägt weiter hohe Wellen. Angela Merkel distanziert sich erneut vom CSU-Chef.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte der „Welt am Sonntag“, Stoibers Äußerungen seien „verantwortungslos und unpatriotisch“.

In seine Kritik bezog Platzeck auch Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) ein. „Die Kollegen Stoiber und Oettinger verhalten sich wie süddeutsche Separatisten“, sagte Platzeck dem Blatt.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel distanzierte sich erneut von Stoibers Äußerungen. „Ich habe deutlich gemacht, dass Ost und West nur gemeinsam nach vorne kommen können“, sagte Merkel der „Welt am Sonntag“. „Alles, was falsche Gegensätze zulässt, ob gewollt oder ungewollt, ist kontraproduktiv.“ Wahlen gewinne man nur in ganz Deutschland, betonte die Herausforderin von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).

Stoiber hatte erklärt, die Wahl dürfe nicht wieder im Osten entschieden werden. Nicht die „Frustrierten“ sollten das Schicksal des Landes bestimmen, hatte der CSU-Chef gesagt und damit eine Welle des Protestes bis ins Unionslager hinein ausgelöst. Bei einer anderen Wahlveranstaltung warnte Stoiber die Ostdeutschen vor einer Wahl der Linkspartei mit den Worten „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“

Stoiber legt Merkel die Latte

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hat der Unions-Kanzlerkandidaten Angela Merkel erneut eine Zielmarke von bis zu 45 Prozent für die vorgezogene Bundestagswahl gesetzt. Es komme nicht nur darauf an, die Wahlen zu gewinnen, sondern man brauche eine klare Mehrheit für massive Reformen, sagte Stoiber am Sonntag im ZDF-Sommerinterview. „Und dazu brauchen wir natürlich schon auch eine deutliche Mehrheit und nicht eine Mehrheit mit ein, zwei, drei Punkten.“

Stoiber sagte, das Potenzial der Union liege realistischerweise bei 42 Prozent bis 45 Prozent. „Aber das ist sozusagen das, was ich glaube, was wir erreichen können und auch erreichen müssen, wenn wir mit einer deutlichen Mehrheit regieren wollen.“

Stoiber, der 2002 als Unions-Kanzlerkandidat 38,5 Prozent erreichte, hatte die Zielmarke 45 Prozent vergangene Woche erstmals genannt und war dafür aus der Union kritisiert worden. Die Lage sei derzeit völlig anders als 2002, sagte Stoiber. Jetzt gebe es eine starke Wechselstimmung und die Bürger wollten Rot-Grün wegen deren schlechter Bilanz nicht mehr haben.

Die CDU hatte bisher lediglich von einem Wahlziel deutlich über 40 Prozent gesprochen. In der jüngsten Umfrage des ZDF-Politbarometers hatten Union (42 Prozent) und FDP (acht Prozent) eine knappe Mehrheit. Im ARD-Deutschlandtrend von Infratest dimap hatten Union (42) und FDP (6) hingegen in zwei aufeinander folgenden Wochen keine Mehrheit mehr.

Stoiber fordert Härte gegen Linke – Keine Entschuldigung

Trotz Mahnungen aus der CDU, keinen Ost-West-Konflikt zu schüren, hat der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber seine umstrittenen Äußerungen über Ostdeutsche verteidigt und eine Entschuldigung abgelehnt. Ziel seiner Angriffe seien die Spitzenpolitiker der Linkspartei, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, sagte Stoiber am Sonntag. Er habe auf die für ihn unverständliche Tatsache eingehen wollen, „dass Gysi und Lafontaine – diese Altfrustrierten in Deutschland“ vor allem im Osten großen Zulauf hätten. Dies sei eindeutig gewesen. Bundeskanzler Gerhard Schröder verurteilte die Äußerungen Stoibers scharf und warf Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel Führungsschwäche vor. Diese distanzierte sich erneut von den Äußerungen, ohne den Stoiber direkt zu nennen. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff forderte die Unionsparteien auf, „die Nebenkriegsschauplätze im Wahlkampf“ zu verlassen.

Am Wochenende wurden weitere Zitate Stoibers bekannt, in denen er Wähler der Linkspartei als „dümmste Kälber“ bezeichnete. Zuvor hatte er bereits gesagt, der Osten dürfe nicht erneut bestimmen, wer Kanzler werde. Die Frustrierten dürften nicht über Deutschlands Zukunft bestimmen. Ähnlich hatte sich auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) geäußert.

Auf die Frage, ob es nicht einfach wäre zu sagen, er entschuldige sich, „wenn ihr das missverstanden habt im Osten“, sagte Stoiber im ZDF: „Das kann nicht missverstanden werden.“ Es sei klar, dass er Gysi und Lafontaine gemeint habe: „Da habe ich darauf hingewiesen, und ich werde natürlich diese Auseinandersetzung weiter führen und werde alle auffordern, gegen diese härter vorzugehen.“ Die Union und die FDP bräuchten eine deutliche Mehrheit bei den Wahlen im September. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) nannte eine Entschuldigung unnötig. Stoiber habe mit seinen Äußerungen lediglich wachrütteln wollen, sagte er Reuters-TV.

Das Interview wurde nach ZDF-Angaben geführt, bevor weitere Äußerungen Stoibers über ostdeutsche Wähler bekannt wurden. Stoiber hatte auf einer Wahlkampfkundgebung in Bayern berichtet, er habe in Thüringen mit Blick auf Lafontaine davor gewarnt: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“ Er sei sich nicht ganz sicher, ob alle das bei der Kundgebung in Thüringen richtig verstanden hätten. „In Bayern mit Sicherheit.“

Die CDU-Vorsitzende Merkel distanzierte sich erneut von Stoiber, erwähnte ihn allerdings namentlich nicht. „Alles, was falsche Gegensätze zulässt, ob gewollt oder ungewollt, ist kontraproduktiv“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. „Wir müssen 15 Jahre nach der Wiedervereinigung noch bestehende Gegensätze hinter uns lassen.“ Wahlen gewinne man nur in ganz Deutschland. „Ich bin sehr stolz darauf, dass ich als gesamtdeutsche Kandidatin wahrgenommen werde.“ Fast wortgleich hatte sie sich am Donnerstagabend in einer Fernsehsendung von Stoiber distanziert. Mehreren Zeitungsberichten zufolge hatte Merkel unmittelbar zuvor mit Stoiber telefoniert und ihm gesagt, er sei zu weit gegangen. Seine Äußerungen über die Wähler im Osten seien nicht hilfreich gewesen. Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff (CDU) forderte in der „Bild am Sonntag“ die Unionsparteien auf, alles zu unterlassen, was einen Wahlsieg gefährden könnte. „Die abenteuerlichen Debatten um Pannen, Pöstchen und Koalitionen müssen aufhören“.

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