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D: Wahlkampf kommt langsam auf Touren

In Berlin hat der Polit-Sport begonnen, den Konterfeis der Bundestagskandidaten blaue Augen oder hässliche Flecken zuzufügen. In Köln werden sie dagegen bisher nicht behelligt - weil noch keine Wahlplakate hängen.

Zwar laufen die Vorbereitungen für die Bundestagswahl am 18. September in allen Parteien auf Hochtouren, aber der Wahlkampf hat von Land zu Land und Stadt zu Stadt unterschiedliches Tempo. Vom Wahlrecht über Schulferien bis zu Listenkonferenzen muss eine Vielzahl von Faktoren beachtet werden. Durch das Vorziehen der Wahl ist auch der Wahlkampf verkürzt, doch die Rituale von den Wahlkampftouren führender Kandidaten bis zu Wahlwerbe-Spots wiederholen sich in den gut sechs Wochen, die noch bis zur Wahl bleiben.

Bei den Plakaten hatte Berlin die Nase vorn. Schon seit Ende Juli blickt Bundestagspräsident Wolfgang Thierse auf Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer im östlichen Zentrum der Hauptstadt, wo der SPD-Politiker seinen Wahlkreis hat. Auch Angela Merkel ist in Berlin plakatiert, ebenso Tausende Plakate mit Wahlslogans und Kandidatenfotos anderer Parteien, besonders an viel befahrenen Straßen. Bald werde auch Bundeskanzler Gerhard Schröder plakatiert, kündigte SPD-Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel an.

In München kann sich CSU-Chef Edmund Stoiber mit einem Blick aus der Staatskanzlei seiner Wahlentscheidung vergewissern: „Zeit für den Wechsel – CSU“ ist dort plakatiert, während die SPD-Plakate auf die andere Seite verbannt sind. Doch wird in der bayerischen Landeshauptstadt bisher nur an einzelnen Orten Plakatwahlkampf gemacht, noch nicht flächendeckend. Köln ist noch weitgehend plakatfrei. In Hamburg blickt SPD-Chef Franz Müntefering auf die Fischauktionshalle, aber nur von einer Terminankündigung, große Wahlplakate hängen noch nicht.

„Das Anbringen von Wahlplakaten wird nicht vom Wahlrecht, sondern von den Kommunen mit großem Entscheidungsspielraum geregelt“, heißt es beim Bundeswahlleiter als Erklärung für den unterschiedlichen Beginn. In Berlin liegt die Entscheidung bei den Tiefbauämtern, die die Plakatierung ab der siebenten Woche vor der Wahl genehmigen. In Stuttgart gibt es eine Vereinbarung zwischen der Stadt und den Parteien, die eine Staffelung der Plakatdichte in den Wochen vor der Wahl vorsieht. Der Münchner Stadtratsbeschluss, der Plakate drei Monate vor der Wahl erlaubt, ist durch die verkürzten Fristen überholt.

Noch sind in allen Bundesländern Schulferien, doch die heiße Phase des Wahlkampfs naht. Die CDU startete am Donnerstag eine erste Welle von Großflächenplakaten. Mitte des Monats will sie ihr „Kompetenzteam“ vorstellen und damit neuen Schwung für die heiße Phase gewinnen. Auf der Homepage wird die Zeit bis zum erhofften Wechsel in Tagen, Stunden und Minuten herunter gezählt.

Für die SPD kündigte Wasserhövel an: „Ab Samstag werden wir den Wahlkampf auf die Straße bringen.“. Schon seit Montag sind bundesweit die „Roten Busse“ der SPD unterwegs. Die Grünen schicken am 8. August mit Joschka Fischer ihren Spitzenkandidaten auf seine Wahlkampftour durchs Land, für die FDP startet Generalsekretär Dirk Niebel. Die Linkspartei setzt auf Schub durch ihren Parteitag Ende August.

Obwohl der Wahlkampf gegenüber früheren Jahren deutlich kürzer ausfallen wird und die Parteien zumeist weniger Geld dafür ausgeben wollen als vor drei Jahren, werden ihre Kampagnen genauso allgegenwärtig sein. Nicht nur die SPD, die in allen Umfragen klar hinter der Union liegt, setzt darauf, dass sich viele Wähler erst sehr kurz vor der Wahl entscheiden.

Die SPD beziffert den Anteil der Unentschiedenen auf bis zu 40 Prozent oder fast 25 Millionen Wähler. Die meisten Unentschiedenen – und Vorentschiedenen – dürften spätestens am 22. August den Versuch aufgeben, vor dem Wahlkampf die Augen zu verschließen: Ab diesem Tag, vier Wochen vor der Wahl, laufen im Fernsehen die Werbespots der Parteien.

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