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D: Vereinzelte Proteste gegen Hartz IV

Zu vereinzelten Protesten gegen die neue Hilfe für Langzeit-Arbeitslose ist es am Montagvormittag in Städten in Deutschland gekommen. Der Verlauf der Demonstrationen war zumeist friedlich.

Mit Infoständen und Plakaten protestierten mehrere Dutzend Arbeitslose unter anderem in Nürnberg, Stuttgart, Leipzig und Schwerin gegen Kürzungen ihrer Bezüge. In Hamburg, Berlin und Leipzig drangen Demonstranten in Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein.

Mit Jahreswechsel waren in Deutschland die finanziellen Hilfen für Langzeit-Arbeitslose und für Bedürftige zu einer neuen Grundsicherung zusammengelegt worden. Sie orientiert sich bei Langzeit-Arbeitslosen nicht mehr an deren bisherigem Verdienst, sondern richtet sich nur nach der finanziellen Situation der Betroffenen. Deutschland-weit waren für Montag Protestaktionen in mehr als 80 Städten angekündigt.

Die Zahl der Demonstranten blieb zunächst allerdings weit hinter den bei den Anti-Hartz-Demonstrationen im vergangenen Sommer erreichten zurück. In Leipzig zählte die Polizei 50 Demonstranten, in Nürnberg 60 und in Stuttgart 20. Auch in Duisburg und Erfurt protestierten laut Polizei jeweils nur sehr wenige Menschen. Die Proteste in den betroffenen Städten verliefen den Angaben zufolge friedlich; es kam zunächst weder zu Blockaden noch Handgreiflichkeiten.

Zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten kam es hingegen in Berlin. Rund 400 Menschen hatten sich Montag früh vor der Arbeitsagentur im Bezirk Wedding versammelt und versucht, in das Gebäude einzudringen, wie die Polizei mitteilte. Danach sei es zu kleineren Ausschreitungen zwischen Beamten und den teils vermummten Demonstranten gekommen. Die Beamten versuchten den Angaben zufolge, die Protestierenden hinter die polizeiliche Absperrung zurückzudrängen. Dabei wurde demnach auch Pfefferspray eingesetzt. Mehrere Personen wurden nach Polizeiangaben vorläufig festgenommen.

Vor der Frankfurter Arbeitsagentur demonstrierten rund 80 Menschen mit Plakaten, Trillerpfeifen und Sprechchören gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV. Einige Demonstranten gelangten vorübergehend in das Gebäude der Arbeitsagentur. Der Geschäftsablauf war nach Angaben der Agentur jedoch nicht beeinträchtigt.

In Hamburg besetzten rund 100 Arbeitslose eine Nebenstelle der Agentur für Arbeit. Unter dem Motto „Weg mit Hartz-IV“ demonstrierten knapp 50 weitere Männer und Frauen vor dem Arbeitsamt gegen die Reform.

Überschattet wurde der Start der deutschen Reform auch von einer Computer-Panne. Die Bundesagentur hatte zum Teil falsche Konten-Nummern an die Banken übermittelt. Bundesagentur und Finanzinstitute in Deutschland bemühten sich aber, die Panne bis Montag früh zu beheben. Betroffenen wurde auch angeboten, ihre Hilfe in bar bei den Dienststellen abzuholen.

Der Vorsitzende des Wirtschafts- und Arbeitsausschusses im Deutschen Bundestag, Rainer Wend (SPD), kündigte unterdessen eventuelle Nachbesserungen bei einzelnen Hartz-IV-Regelungen an. „Bei der Minijob-Regelung spricht einiges dafür, dass die Zuverdienstgrenze nicht passt und zur Motivation nicht ausreichend beiträgt“, sagte Wend am Montag im DeutschlandRadio Berlin. Das werde man „im Verfahren sehr genau prüfen müssen“. Mit Minijobs können deutsche Arbeitnehmer monatlich bis zu 400 Euro abgabenfrei verdienen. Die Arbeitgeber führen eine Renten-, Krankenversicherungs- und Steuerpauschale ab. Wend sagte weiters, man müsse auch bei der Angleichung des Arbeitslosengeldes II Ost und West für Gespräche offen sein.

Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II ist einer der Kernpunkte der Hartz-IV-Reform, die am 1. Jänner in Deutschland in Kraft getreten ist. Im Westen liegt der Grundbetrag bei monatlich 345 Euro, im Osten bei 331 Euro.

Clement ruft deutsche Wirtschaft zur Zusammenarbeit auf

Nach dem In-Kraft-Treten der Arbeitsmarktreform in Deutschland hat der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Wirtschaft zur Zusammenarbeit mit den Kommunen und mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) bei der Umsetzung von Hartz IV aufgerufen. „Diese Reform wird nur gelingen, wenn Sie alle mit den Arbeitsagenturen vor Ort und den Kommunen zusammenwirken, damit wir so viele Arbeitssuchende so schnell wie möglich aus der Langzeitarbeitslosigkeit herausholen können“, sagte Clement am Montag in Nürnberg.

Der Minister fügte hinzu, er sei überzeugt, dass Hartz IV eine der entscheidenden Strukturreformen für mehr Wachstum sei. Clement bedauerte nochmals, dass es unmittelbar vor dem Start des neuen Arbeitslosengelds II zu einem Softwarefehler gekommen sei, wodurch voraussichtlich rund 150.000 Bezieher der Unterstützung ihr Geld nicht pünktlich auf dem Konto gehabt hatten. Es sei ein „sehr, sehr ärgerlicher Programmierfehler“ passiert, den er sehr bedauere. Insgesamt habe die neue Software aber funktioniert, betonte der deutsche Wirtschaftsminister.

Clement wies laut Redetext nochmals darauf hin, dass durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bisherige Sozialhilfeempfänger neu in der Arbeitslosenstatistik auftauchen würden, was die Zahl der Arbeitslosen im Jänner rein statistisch erhöhen werde. „Im Verlauf des Jahres erwarte ich dann einen allmählich einsetzenden Rückgang der Zahl der Arbeitslosen“, bekräftigte er.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Arbeitsmarktreform wies Clement zurück. Das Gesetz zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sei von einer überragenden Mehrheit in Bundestag und Bundesrat getragen worden, sagte der Minister. „Wir sind überzeugt, dass es auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält“, ergänzte er.

Die Umsetzung bewege sich nicht auf unsicherem Boden, sondern auf einer von einer breiten Mehrheit getragenen gesetzlichen Grundlage. Auslöser für Berichte über angebliche Zweifel des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sei eine Aussage eines Mitarbeiters gewesen. Dieser habe nur mögliche Problempunkte aufgezeigt, ohne dass diese gleichzeitig einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen worden seien. „Das ist völlig undramatisch“, sagte Clement.

Deutsche Bundesagentur für Arbeit: Hartz-IV-Reform ruhig angelaufen

Der Start der deutschen Arbeitsmarktreform Hartz IV ist am Montag in den Agenturen für Arbeit und in den Arbeitsgemeinschaften mit den Kommunen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) relativ ruhig angelaufen. Unter anderem sei die Nachfrage von Langzeitarbeitslosen nach Barzahlungen weitaus geringer als ursprünglich erwartet, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt am Montag bei einer Pressekonferenz mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund in Berlin.

Bei der weit überwiegenden Zahl der Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes II in Deutschland seien die entsprechenden Beträge trotz einer Computerpanne der BA auf dem richtigen Konto verbucht worden. Alt bekräftigte, dass bisher deutlich weniger Anträge auf Arbeitslosengeld II abgelehnt worden seien als ursprünglich angenommen.

Bis zum Jahresende seien in dem neuen Computersystem der BA und der mit ihr zusammenarbeitenden Kommunen 2,706 Millionen Anträge auf Arbeitslosengeld II erfasst worden, führte Alt aus. Davon seien 176.000 Anträge oder 6,5 Prozent abgelehnt worden. Die Zahl der Ablehnungen sei damit „weit niedriger als ursprünglich angenommen“. Dennoch gebe es bisher keine Hinweise, dass die vom Bund veranschlagten Finanzmittel nicht ausreichten. Er gehe davon aus, dass die Zahl der Leistungsempfänger im Jahresverlauf abnehme.

In der Finanzplanung für das Arbeitslosengeld II hatte das deutsche Wirtschaftsministerium zu Grunde gelegt, dass etwa 15 Prozent der mehr als zwei Millionen bisherigen Arbeitslosenhilfebezieher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben würden. In früheren Planungen war das Ministerium sogar von einer Quote von 23 Prozent ausgegangen. Insgesamt zeichnet sich laut Alts Aussagen nur eine Quote von elf bis zwölf Prozent ab. Zu der Ablehnungsquote von 6,5 Prozent kämen weitere etwa fünf Prozent Langzeitarbeitslose hinzu, die ihren Antrag nicht eingereicht hätten, weil sie nach eigener Berechnung keinen Anspruch hätten.

Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II war mit Jahreswechsel im Rahmen der Hartz-IV-Reform in Deutschland in Kraft getreten. Bei der ersten Auszahlung der neuen Leistung an die etwa drei Millionen Langzeitarbeitslosen war der Bundesagentur für Arbeit jedoch eine Computerpanne unterlaufen. Durch einen Programmierfehler wurden den Banken fehlerhafte Kontonummern übermittelt. Bis zu fünf Prozent der Leistungsempfänger könnten ihr Geld daher mit ein- bis zweitägiger Verspätung auf dem Konto haben. Die Agenturen für Arbeit hatten sich für Barauszahlungen gerüstet.

Bis Montagmittag ließen sich Deutschland-weit aber nur rund 300 Betroffene in den Arbeitsagenturen einen Abschlag auszahlen, wie BA-Finanzvorstand Reimund Becker in Nürnberg erklärte. Etwa 130.000 Menschen hatten am Montag zunächst noch kein Geld auf dem Konto. Die Überweisungen sollten aber noch im Laufe des Tages ankommen, versprach Becker.

15 Festnahmen bei Protesten gegen Hartz-IV-Reform in Berlin

Bei Protesten gegen die deutsche Arbeitsmarktreform Hartz IV sind in Berlin 15 gewalttätige Demonstranten festgenommen worden. Vor einer Arbeitsagentur im Stadtteil Wedding hatte ein Teil der rund 400 Protestierenden versucht, die Absperrung der Polizei zu durchbrechen. Etwa 60 Sympathisanten der autonomen Szene griffen dabei Polizisten und Einsatzfahrzeuge an, wie die Polizei mitteilte. 15 Demonstranten wurden wegen Körperverletzung, Widerstands gegen die Staatsgewalt und Landfriedensbruches festgenommen.

Der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sprach sich unterdessen für ein Ende der Diskussion um Nachbesserungen bei Hartz IV aus. „Es ist jetzt Zeit, das Begonnene zu realisieren und nicht nach- und wiederzukauen“, sagte der SPD-Politiker am Montag in Nürnberg. Es müsse nun alles daran gesetzt werden, dass die Reform so rasch wie möglich wirken könne. Man werde die Entwicklung genau beobachten und im Laufe des nächsten Jahres entscheiden, „ob und was gegebenenfalls geändert werden sollte“.

Stichwort: Deutsche Hartz-IV-Reform

Das „Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (kurz: Hartz IV) in Deutschland steht unter dem Motto „Fördern und Fordern“. In erster Linie geht es um die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den deutschen Arbeitsmarkt. Erwerbslose bisherige Sozialhilfeempfänger erhalten erstmals das Recht auf Betreuung durch die Arbeitsvermittlung und Eingliederungshilfen.

GELDLEISTUNG: Besteht kein Anspruch (mehr) auf Arbeitslosengeld, wird statt der bisherigen Arbeitslosen- oder Sozialhilfe das einheitliche steuerfinanzierte „Arbeitslosengeld II“ (ALG II) ausbezahlt. Zur Zeit gibt es rund drei Millionen Empfänger. Im Westen Deutschlands liegt der Grundbetrag bei monatlich 345 Euro, im Osten bei 331 Euro. Für jedes Kind gibt es je nach Wohnort (Ost/West) und Alter 199 Euro bis 276 Euro. Dazu werden die Kosten für die Miete einer angemessenen Wohnung inklusive Heizkosten übernommen.

ZUMUTBARKEIT: Wer Hilfe erhält, muss alles tun, um die Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung so schnell wie möglich zu beenden. Deshalb ist generell jede Arbeit zumutbar, es sei denn, sie sei „sittenwidrig“. Als „sittenwidrig“ gilt ein Lohn von etwa 30 Prozent unter Branchenniveau. Bei Ablehnung zumutbarer Arbeit oder fehlender Eigeninitiative wird das Arbeitslosengeld II für drei Monate um etwa 100 Euro gekürzt.

VERMITTLUNG soll deutlich besser werden. Jeder ALG-II-Bezieher bekommt einen persönlichen Ansprechpartner (Fallmanager). Ein Fallmanager soll mittelfristig nicht mehr als 75 Hilfebedürftige betreuen. Dieses Ziel wird aber zunächst nur für Arbeitslose unter 25 Jahren erreicht. Sie sollen „sofort in Arbeit oder Ausbildung vermittelt“ werden.

EIN-EURO-JOBS: Langzeitarbeitslose, die keine reguläre Arbeit finden, bekommen gemeinnützige „Arbeitsgelegenheiten“ und dafür pro Stunde ein bis zwei Euro zusätzlich zum ALG II. Zuverdienstchancen sollen die Arbeitsaufnahme attraktiver machen.

Zweifel an Verfassungskonformität von Hartz IV

Die Zweifel an der Verfassungskonformität der Arbeitsmarktreform Hartz IV in Deutschland mehren sich. Nach Gemeinden, Parteien und Sozialverbänden hält nun auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem am Wochenende bekannt gewordenen Gutachten das Reformwerk zumindest in Teilen für „verfassungsrechtlich problematisch“. Im Folgenden ein Überblick über die wesentlichen Angriffspunkte:

REGELLEISTUNGEN: Der Grundbeträge des neuen Arbeitslosengelds II von 345 Euro im Westen und 331 Euro im Osten Deutschlands sind nach Ansicht des Berliner Juristen und Gutachters der PDS, Ulrich Wende, zu niedrig, um den Lebensunterhalt zu decken. Dies verstoße gegen den in der Verfassung garantierten Schutz der Menschenwürde. Zudem werde das sozialstaatliche Prinzip des Grundgesetzes verletzt, wonach der Gesetzgeber das Existenzminimum von Bedürftigen zwingend sichern muss.

LANGZEITVERSICHERTE: Manche Experten sehen darin, dass die Anspruchsdauer für das Arbeitslosengeld II verkürzt wurde und die Höhe der Unterstützung für viele unter der bisher bezogenen Arbeitslosenhilfe liegt, einen Verstoß gegen den Eigentumsschutz und das rechtsstaatliche Prinzip der deutschen Verfassung: Dann nämlich, wenn die Betroffenen zuvor jahrelang hohe Beträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.

BEDARFSGEMEINSCHAFTEN: Bei der Gewährung des Arbeitslosengeldes II wird künftig das Einkommen von Lebensgefährten oder Ehepartnern mit angerechnet. Viele bisher Anspruchsberechtigte werden deshalb leer ausgehen und die Gesamteinkommen von Familien sinken. Zahlreiche Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen den Auftrag des Grundgesetzes an den Staat, das Wohl von Familien zu schützen. Von der Neuregelung würden zudem vor allem Frauen betroffen sein, die so in stärkere Abhängigkeit ihres arbeitenden Partners gerieten. Dies sei eine mittelbare Diskriminierung.

ZUMUTBARKEIT: Der Zwang, jede Arbeit anzunehmen unter der Androhung, dass andernfalls des Arbeitslosengeld gekürzt wird, verstößt etwa nach Ansicht Wendes gegen das Verbot der Zwangsarbeit, wenn Betroffenen der Arbeitsmarkt verschlossen ist und sie diesem Zwang deshalb nicht ausweichen können.

MISCHVERWALTUNG: Verfassungsrechtliche Zweifel bestehen zudem an den von Gemeinden und Arbeitsagenturen zu bildenden Arbeitsgemeinschaften für die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Im vergangenen Dezember hatten deshalb bereits elf Landkreise in Sachsen und Bayern Verfassungsbeschwerde eingelegt. Nach einem Gutachten des Landkreistags in Nordrhein-Westfalen handelt es sich bei den Arbeitsgemeinschaften um ein unzulässige Form der „Mischverwaltung“, weil sie die Aufgaben der Bundes (vertreten durch die Bundesagentur) und die der Länder (vertreten durch die kommunalen Leistungsträger) einheitlich zusammenführt. Dies widerspreche dem „Rechtsstaatsgebot der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung und der Verantwortungsklarheit“.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags bezeichnete diese Form der Mischverwaltung als verfassungsrechtlich problematisch, weil eine Regelung dazu im Grundgesetz fehlt. Der Bund hält die Arbeitsgemeinschaften nach eigenen Angaben für verfassungsgemäß, weil die Rechtshoheit der Gemeinden nicht ausgehebelt wird.

Veranstalter: 15.000 protestierten in ganz Deutschland gegen Hartz IV

Rund 15.000 Menschen haben nach Angaben der Organisatoren am Montag deutschlandweit gegen den Start der Arbeitsmarktreform Hartz IV der rot-grünen Regierung protestiert. Sie beteiligten sich an dezentralen Aktionen in insgesamt 83 Städten, teilten die Veranstalter von „Agenturschluss“ in Berlin mit. Der Protest richtete sich „gegen die Funktion der Arbeitsagenturen als Zurichtungs- und Zwangsanstalten des Arbeitsmarktes, nicht gegen die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, hieß es.

Der große Protest am ersten Werktag des neuen Jahres gegen die zum Jahreswechsel in Kraft getretene Arbeitsmarktreform blieb damit aus. Bei den wöchentlichen „Montags- Demonstrationen“ im vergangenen Spätsommer waren noch mehr als 100.000 auf die Straße gegangen. Die geplanten Besetzungen der Arbeitsagenturen unter dem Motto „Agenturschluss“ konnten die Protestierer kaum durchsetzen.

Zehntausende Einsprüche gegen deutsche Arbeitsmarktreform

Nach Angaben des Vorstandschef der deutschen Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, sind in den Arbeitsagenturen bisher 75.000 Widersprüche gegen die Arbeitslosengeld-II-Bescheide eingegangen. In 4.800 Fällen hätten die Antragsteller mit Verfassungswidrigkeit der zum Jahreswechseln in Kraft getretenen Arbeitsmarktreform Hartz-IV argumentiert. Der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wies am Montag Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Hartz IV zurück.

Das Gesetz sei von einer überragenden Mehrheit in Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. „Wir sind überzeugt, dass es auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung Stand hält“, zeigte sich Clement in der Debatte zuversichtlich.

Bei einem Papier des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sozialreform geschürt hatte, handelt es sich laut dem Minister um die Ausarbeitung lediglich eines Mitarbeiters. Die Aussage dieser Stellungnahme, wonach das Gesetz zur Reform “überprüfungsbedürftig“ sei, nannte Clement „völlig undramatisch“. Der SPD-Politiker warnte davor, Betroffene durch weitere Diskussionen über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu verunsichern.

Der Arbeitsmarktexperte der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dirk Niebel, bekräftigte dagegen seine Bedenken. „Ich will Rechtsklarheit für die Betroffenen, keine Rückabwicklung“, sagte Niebel der Nachrichtenagentur Reuters. Er werde an die Regierung eine Anfrage richten.

In einer Antwort auf eine bereits erfolgte Anfrage Niebels war ein Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu dem Schluss gekommen, dass die Umsetzung der Reform durch Arbeitsgemeinschaften der BA und der Kommunen “überprüfungsbedürftig“ sei. Eine Verfassungswidrigkeit hätte demnach die Anfechtbarkeit von Verwaltungsakten, wie etwa der Bescheide über das Arbeitslosengeld II, zur Folge. Niebel räumte ein, dass es sich bei der Antwort auf seine Anfrage nicht um eine abschließende verfassungsrechtliche Prüfung handle. „Es ist kein juristisches Gutachten“, sagte der liberale Politiker.

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