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D: Schuldspruch im Terror-Prozess

Das Oberlandesgericht Hamburg hat den Marrokaner Mounir el Motassadeq im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat den Marokkaner Mounir el Motassadeq im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Das sind acht Jahre weniger Haft als in einem ersten Urteil aus dem Jahr 2003, das der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) wegen Mängeln in der Beweisführung aufgehoben hatte.

Der Vierte Strafsenat stützte sein Urteil am Freitag auf Motassadeqs Zugehörigkeit zu der Zelle um die Todespiloten aus Hamburg. „Das Bild zeigt den Angeklagten als Mitglied einer terroristischen Vereinigung, nicht aber als Gehilfen der Morde des 11. September“, sagte der Vorsitzende in seiner Urteilsbegründung. Für eine Verurteilung auch im zweiten Anklagepunkt der Beihilfe zum Mord in über 3.000 Fällen hätten die Beweise nicht ausgereicht. Motassadeq nahm das Urteil ohne äußerliche Regung auf. Seine beiden Verteidiger wirkten überrascht. Sie hatten auf Freispruch plädiert und für den Fall einer anderen Gerichtsentscheidung angekündigt, den Bundesgerichtshof anrufen zu wollen.

Motassadeq war 2003 als weltweit erster Angeklagter wegen Beihilfe zum Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Hamburg zur Höchststrafe von 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der BGH hob das Urteil aber auf, weil möglicherweise entlastende Aussagen aus den USA nicht berücksichtigt worden waren, und ordnete die Neuverhandlung vor einem anderen Senat des Oberlandesgerichts an. In der Neuauflage plädierte die deutsche Bundesanwaltschaft erneut für die Höchststrafe von 15 Jahren.

Richter Ernst-Rainer Schudt sagte, die Belege für Motassadeqs Schuld kämen einem Puzzle gleich. „Die Puzzle-Arbeit ist beendet. Es gibt kein schwarzes Loch mehr. Es gibt ein klares Bild.“ Letztlich sei die Ideologie des Angeklagten und der Gruppe von Studenten, der er angehört habe, der Schlüssel zu seiner Beurteilung. „Der Jihad (Heiliger Krieg) gegen die Ungläubigen und die Amerikaner mit dem Ziel, als Märtyrer einen direkten Zugang zum Paradies zu erhalten“, habe die Gruppe angetrieben. „Das ist nichts anderes als Terror als Gottesdienst“, sagte Schudt.

Schudt kritisierte, dass die US-Regierung eine Vernehmung der beiden Drahtzieher der Anschläge, Ramzi Binalshibh und Khalif Sheikh Mohammed, nicht ermöglicht habe. Allerdings hätten diese vermutlich als Zeugen in Hamburg von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. So habe man sich auf Ermittlungsergebnisse deutscher Behörden gestützt.

Bei den Anschlägen mit Hilfe entführter Passagierflugzeuge waren am 11. September 2001 in den USA mehr als 3000 Menschen getötet worden.

Mounir Motassadeq: Der Freund der Todes-Piloten des 11. September

Mounir El Motassadeq geriet nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA schnell in das Visier der Ermittler. Der Marokkaner war ein Freund von Mohammed Atta, dem Anführer der Todespiloten, den er beim Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität (TU) Hamburg-Harburg kennen gelernt hatte.

Die deutsche Bundesanwaltschaft beschreibt Motassadeq als „einen radikalen Muslim, der den gewaltsamen Heiligen Krieg (Jihad) suchte“ und als „Statthalter“ einer Hamburger Terrorzelle die Anschlagspläne verschleierte und unterstützte. Die Verteidigung dagegen sieht in dem heute 31-Jährigen einen „fleißigen, zielstrebigen Studenten“, der ohne Kenntnis der Terrorpläne Freunden Gefälligkeiten erwiesen habe, wie sie unter Arabern üblich seien.

In der Neuauflage des Prozesses gegen ihn hat der Marokkaner, den Zeugen als „nett, höflich und zurückhaltend“ charakterisierten, beharrlich geschwiegen. Im ersten Verfahren hatte er den Aufenthalt in einem Ausbildungslager der Al Kaida in Afghanistan eingeräumt, dennoch aber seine Unschuld beteuert. Damals sei ihm kein Wort geglaubt worden, begründeten Motassadeqs Verteidiger das Schweigen ihres Mandaten im zweiten Prozess.

Motassadeq wuchs in Marrakesch auf. 1993 kam er zum Studium nach Deutschland, wo er zunächst in Münster Deutsch lernte. Im Wintersemester 1995/96 erhielt er einen Studienplatz an der TU Harburg. Der fromme Moslem ist mit einer Russin verheiratet und hat zwei Kinder.

Das Hamburger Verwaltungsgericht hat ein Studienverbot für den Marokkaner verfügt. Die Innenbehörde beschloss die Ausweisung Motassadeqs im Falle eines Freispruchs. Er sollte nur noch für die Dauer des Prozesses in der Hansestadt geduldet werden. Nach der erneuten Verurteilung durch das Hamburger Oberlandesgericht am Freitag muss er nun wieder ins Gefängnis. Allerdings ist die nun verhängte Haftstrafe mit sieben Jahren um mehr als die Hälfte geringer als beim ersten Urteil vom Februar 2003 (15 Jahre). Dieses Urteil war wegen Mängeln in der Beweisführung vom deutschen Bundesgericht aufgehoben worden.

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