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D: Proteste gegen Oper-Absetzung

Die Deutsche Oper Berlin hat die für November geplante Wiederaufnahme der seit fast drei Jahren laufenden Mozart-Oper "Idomeneo" am Montag aus dem Spielplan genommen.  

Als Grund dafür gab das Haus an, dass bei den Berliner Sicherheitsbehörden ernst zu nehmende Hinweise eingegangen seien, wonach Szenen der Inszenierung ein „unkalkulierbares Sicherheitsrisiko für das Haus darstellen“. In der Schlussszene der Inszenierung von Hans Neuenfels werden in einem sehr drastischen Bild die abgeschlagenen Köpfe von Neptun, Christus, Mohammed und Buddha gezeigt. Die Entscheidung sorgte am Dienstag für heftige Reaktionen aus Kultur und Politik.

Opern-Intendantin Kirsten Harms verteidigte ihre Entscheidung: Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) habe ihr persönlich von einem anonymen Hinweis berichtet, demzufolge es ein „unkalkulierbares Risiko“ mit sich brächte, wenn es bei den geplanten Vorstellungen bliebe, sagte Harms am Dienstag in Berlin. Hätte sie dies ignoriert und wäre dann doch etwas passiert, wäre ihr das auch zum Vorwurf gemacht worden, sagte die Intendantin, die darauf verwies, dass die Entscheidung nur für vier Vorstellungen im November gelte. „Der ’Idomeneo’ ist damit nicht komplett abgesetzt.“ Einigkeit habe mit dem Regisseur Hans Neuenfels darin bestanden, die Inszenierung auf keinen Fall abzuändern. Die Frage der Sicherheit in ihrem Haus stelle sich nun neu, dafür sei ein Konzept erforderlich.

Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, es sei keine konkrete Gefährdung zu erkennen, die die Absetzung rechtfertige. „Bei allem Verständnis für die Sorge um die Sicherheit von Besuchern und Künstlern halte ich die Entscheidung der Intendantin deshalb für falsch.“ Die Vorstellungen von Offenheit, Toleranz und Freiheit müssten offensiv gelebt werden. „Eine freiwillige Selbstbeschränkung gibt denen, die unsere Werte bekämpfen, eine vorauseilende Bestätigung, die wir ihnen nicht zugestehen sollten.“ Ähnlich reagierte der Deutsche Kulturrat: Die Absetzung markiere „einen tiefen Einschnitt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Verteidigung unserer kulturellen Errungenschaften und die Freiheit der Kunst.“

Kulturstaatsminister Bernd Neumann erinnerte an die Freiheit des Wortes und der Kunst: „Wenn die Sorge vor möglichen Protesten schon zur Selbstzensur führt, dann gerät die demokratische Kultur der freien Rede in Gefahr.“ Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte die Entscheidung „verrückt“. Die CSU-Kulturpolitikerin Renate Blank sprach von einem „verheerenden Signal“ und „irrationaler Selbstzensur“. Kultur dürfe sich nicht einschüchtern lassen. Vor einem „Kniefall vor Terroristen“ warnte Wolfgang Börnsen, Kulturexperte der Unionsfraktion im Bundestag. Auch die Grünen kritisierten die Entscheidung. Ihr kulturpolitische Sprecherin Katrin Göring-Eckardt sprach von einer „Kapitulation in vorauseilendem Gehorsam“. SPD-Fraktionschef Struck reagierte „mit Unverständnis“. Dies sei „die Kapitulation vor einer möglichen Gefahr“. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse sieht darin „ein geradezu beklemmendes Zeichen für die Angst vor islamistisch motivierter Gewalt in Deutschland“.

Vertreter der Muslime reagierten dagegen unterschiedlich. Der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, Ali Kizilkaya, begrüßte die Absetzung, weil die Inszenierung die Gefühle der Muslime verletze. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, pochte dagegen auf die Freiheit der Kunst. „Ich empfehle allen Muslimen, bestimmte Sachen zu akzeptieren“, sagte er der „Netzeitung“.

Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch zeigte Verständnis für die Entscheidung der Intendantin und verwies auf die Erfahrungen mit dem Karikaturenstreit. Der Regisseur Hans Neuenfels kritisierte die Haltung von Harms als „vorauseilenden Gehorsam und Hysterie“. Er betonte, mit seiner Arbeit nicht den Islam, sondern Idomeneos individuelle Sicht auf „jede Form von Religionsstiftung und -stifter“ kritisieren zu wollen. Sein Peter Raue hat unterdessen Harms den Rücktritt nahe gelegt. „Sie muss sich überlegen, ob sie ein Haus noch leiten kann, wenn sie so eine Entscheidung trifft“, sagte Raue der „Netzeitung“. Er prüft nun, ob sein Mandant juristisch gegen die Intendantin vorgehen wird.

Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung kommt einem lange geplanten Islam-Gipfel am Mittwoch besondere Bedeutung zu. Auf Einladung von Innenminister Schäuble setzen sich in Berlin Vertreter des Islam in Deutschland und der Regierung an einen Tisch. Der Islamrat in Deutschland erwartet eine Gleichstellung des Islam mit anderen Religionsgemeinschaften. Die CDU erklärte dagegen eine klare Absage an Gewalt und die Anerkennung der deutschen Werteordnung zur Voraussetzung für einen erfolgreichen Dialog mit dem Islam in Deutschland.

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