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D: Müntefering ist zusammengebrochen

Der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten (SPD), Franz Müntefering, ist am Mittwoch auf einer Wahlkampfveranstaltung in Homburg (Saarland) zusammengebrochen.

Müntefering erlitt während seiner Rede offenbar einen Schwächeanfall und wurde von Ordnern aufgefangen. Er wurde noch auf der Bühne von Sanitätern versorgt. Die Veranstaltung wurde abgebrochen.

SPD-Chef Franz Müntefering: Die „Seele der Partei“

Der Chef der deutschen Sozialdemokraten (SPD), Franz Müntefering, ist oft als „Seele der Partei“ bezeichnet worden. Oder als „SPD-Rhetorik-Maschine“. Der Fußball-Begeisterte selbst sieht sich als „SPD-Vorstopper“. Am Mittwoch brach Müntefering bei einer Veranstaltung zum Bundestags-Wahlkampf in Homburg (Saarland) zusammen. Der 65-Jährige wurde sofort ärztlich versorgt und anschließend in die Universitätsklinik der Stadt gebracht. Laut einem Parteisprecher handelte es sich um eine Kreislaufschwäche. Müntefering habe gerade geredet, als er gegen 17.45 Uhr kollabiert sei, hieß es. Der SPD-Vorsitzende sprach an jener Stelle der Rede über den demographischen Wandel in der Gesellschaft: „Die älteren Menschen in unserem Land – entschuldigen Sie…“ Dann brach er zusammen, wurde aber von Ordnern und SPD-Parteifreunden aufgefangen. Die Veranstaltung wurde abgebrochen. Im März 2004 war Müntefering mit großer Mehrheit zum neuen SPD-Vorsitzenden gewählt worden. Auf dem Sonderparteitag in Berlin stimmten am Sonntag 95,11 Prozent der Delegierte für ihn. Er folgte auf dieser Position Bundeskanzler Gerhard Schröder nach, der wegen anhaltender innerparteilicher Kritik am Reformkurs nach fünf Jahren im Amt zurückgetreten war. Müntefering bekannte sich damals zur Fortsetzung der Reformen und forderte die Partei zu deren geschlossenen Unterstützung auf. Müntefering war es auch, der Schröder nach den gescheiterten Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu Neuwahlen riet. „Ich habe dem Kanzler gesagt, wenn nach dem Debakel von Kiel auch noch Nordrhein-Westfalen verloren gehen sollte, können wir nichts mehr bewegen“, sagte er später. Schröder habe diese Einschätzung geteilt. Man habe daher abgesprochen, nach verlorenen Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen gemeinsam die Auflösung des Bundestags anzustreben.

Nach dem ersten rot-grünen Wahlsieg 1998 hatte Müntefering für ein Jahr das Amt des deutschen Bundesministers für Verkehr und Städtebau übernommen. Davor hatte er sich bereits lange Zeit als Bundesgeschäftsführer der SPD um die Organisation der Partei gekümmert. Seit 2002 ist er SPD-Fraktionschef im Deutschen Bundestag.

Gar nicht zimperlich im Umgang mit dem Gegner, aber stets loyal zur eigenen Mannschaft und insbesondere zum Star des Teams: So wurde Müntefering in den vergangenen Jahren unaufhaltsam zum „Macher“ in der SPD – zum Hoffnungsträger jener, denen Schröder als Kanzler zu wenig SPD-„Stallgeruch“ hatte. Müntefering ist kein „geborener Sozialdemokrat“. Ers stammt aus einer konservativ-katholischen Arbeiterfamilie im Sauerland. Der Vater, ein Arbeiter, war geprägt vom Krieg und wählte konservativ.

Als sich Müntefering politisch emanzipierte und schließlich 1966 der SPD beitrat, machte ihn dieser Hintergrund zum Gemäßigten. Es fällt ihm nicht schwer, jene, die anderer Ansicht sind, aus deren historischen Erfahrungen heraus zu verstehen. Zum Anfang seiner Karriere hatte „Münte“ das Etikett des „Apparatschiks“: Spröde, verbissen, gesichtslos. Davon hat er sich inzwischen befreit: Immer gut für ein scharfzüngiges Witzchen, eher zugänglich als abweisend und alles andere als ideologisch verbissen.

Eine seiner Qualitäten: die Fähigkeit zur Meinungsänderung. „Ich bin zu neuen Überzeugungen gekommen. Das nehmen mir die Leute ab“, sagt er zur Begründung seines großen Rückhaltes in der Partei. Als die SPD 1999 nach dem abrupten Rücktritt des damaligen Parteichefs Oskar Lafontaines in größte Unordnung geriet, musste Müntefering seinen Posten als Bau- und Verkehrsminister aufgeben und als Geschäftsführer und später Generalsekretär in die Parteizentrale zurückkehren. Nur ihm traute Schröder zu, die Partei zusammenzuhalten und wieder auf Kurs zu bringen.

Berufs-Optimist Müntefering kokettiert gerne mit seiner einfachen Herkunft kokettiert: „Ich kann nur kurze Sätze.“ Er durchlief die klassische SPD-„Ochsentour“ in der westfälischen SPD, bevor er in den 90er Jahren als Minister in Nordrhein-Westfalen und als Mitglied des SPD-Vorstands allmählich zu einer bestimmenden Größe und zu einem der geschicktesten „Strippenzieher“ hinter den Kulissen wurde. 1995 wurde er SPD-Bundesgeschäftsführer, 1998 war er Organisator des erfolgreichen Bundestags-Wahlkampfs. Schon damals ging nichts mehr ohne den Vorsitzender der wichtigen nordrhein-westfälischen SPD.

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