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D: Einweihung des Holocaust-Mahnmals

Das Bauwerk nach Plänen des US-Architekten Peter Eisenman besteht aus 2711 Betonstelen sowie einem unterirdischen "Ort der Information". Hochrangige Gäste waren bei der Feier in Berlin geladen.

Deutschland hat einen zentralen Ort des Gedenkens an den Holocaust: Nach einem 17 Jahre währenden Streit wurde am Dienstag in der Nähe des Brandenburger Tors in Berlin das Denkmal für die ermordeten Juden Europas eingeweiht. Dieses sei nicht der „steinerne Schlusspunkt unseres öffentlichen Umgangs mit unserer Nazi-Geschichte“, sagte der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Es übertrage die „beunruhigende Erinnerung“ an den Holocaust „in das kulturelle Gedächtnis der Deutschen“.

Thierse: Streit wird weitergehen

„Was heute noch in großer Eindringlichkeit Zeitzeugen erzählen können, müssen in Zukunft Museen, muss Kunst vermitteln“, sagte Thierse, der auch Vorsitzender des Stiftungsrats für das Mahnmal ist. Dieses werde „Anstoß bleiben, der Streit darum wird weitergehen“, was gewiss nicht das Schlechteste sein müsse. Deutschland gerate mit dem Mahnmal an die „Grenze dessen, was einer sozialen Gemeinschaft möglich ist“. Dies könne „die Heftigkeit der Debatte um das Denkmal, auch manchen Widerstand, erklären und rechtfertigen“.

Thierse erinnerte zudem an das Bundestags-Votum für das Mahnmal im Zusammenhang mit dem Umzug nach Berlin. „Es war die Entscheidung für ein erstes gemeinsames Erinnerungsprojekt des wiedervereinigten Deutschland und das Bekenntnis, dass sich dieses geeinte Deutschland zu seiner Geschichte bekennt – und zwar, indem es in seiner Hauptstadt, in ihrem Zentrum, an das größte Verbrechen seiner Geschichte erinnert.“

Eisenman: Von heute an Teil meiner Seele in Berlin

Der US-Architekt des Mahnmals, Peter Eisenman, sagte sichtlich bewegt: „Es ist mir eine Ehre, das Denkmal dem deutschen Volk zu übergeben. Es soll nun zu den Deutschen und zu der Welt sprechen.“ Er sei beim Bau des Denkmals „meinem Jüdischsein näher gekommen“, erklärte Eisenman. Er sei New Yorker, aber „von heute an ist ein Teil meiner Seele immer hier in Berlin“.

Spiegel fehlt die Frage nach dem “Warum”

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, äußerte neben seiner Anerkennung für das gesamte Projekt auch deutliche Kritik daran, dass sich das Denkmal jeder Aussage über die Schuldigen entziehe. Spiegel dankte ausdrücklich für die durch das Bauwerk „zum Ausdruck gebrachte Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft“ und würdigte das Denkmal als „wichtiges und notwendiges Signal im Kampf gegen das Vergessen“. Das Mahnmal entziehe sich aber der Frage nach dem „Warum“ und sei kein authentischer Ort wie andere Gedenkstätten.

Die Mitinitiatorin Lea Rosh ging in ihrer Rede indirekt auf die Kritik Spiegels ein. „Dies ist kein Denkmal, das über die Täter aufklären wollte, es ist ein Denkmal für die Opfer, denen wir auch ihre Namen zurückgeben wollten.“ Auf Anregung Roshs werden in einer Stele ein Backenzahn und ein Judenstern von zwei Ermordeten eingefasst.

Festakt mit 1.000 Ehrengästen

An dem Festakt, der mit dem jüdischen Totengebet („Kaddish“) endete, nahmen 1.000 Ehrengäste aus aller Welt teil, darunter auch Überlebende des Holocaust und die politischen Repräsentanten der Bundesrepublik mit dem deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und CDU-Chefin Angela Merkel.

Israel dankte am Dienstag allen in Deutschland, die sich für das Mahnmal einsetzten. Es sei auch symbolhaft für die Beziehungen zwischen Israel und dem neuen Deutschland, sagte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Mark Regev.

Eine Holocaust-Überlebende, Sabina van der Linden, erklärte: „Ich bin die Stimme von sechs Millionen ermordeten Juden.“ Die Australierin hatte 11-jährig als einzige ihrer Familie den Holocaust überlebt. Das 1999 vom Deutschen Bundestag beschlossene Denkmal mit 2.711 Betonstelen und unterirdischen Dokumentationsräumen wurde in zweijähriger Bauzeit für 27,6 Millionen Euro errichtet.

Es liegt nur einen Steinwurf vom früheren Machtzentrum der Nationalsozialisten, der nach dem Krieg abgerissenen Reichskanzlei mit dem „Führerbunker“, entfernt. Das Denkmal neben dem Berliner Parlaments- und Regierungsviertel soll ab Donnerstag der Öffentlichkeit zugänglich sein.

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