Corona: Wie gefährlich sind die neuen Virus-Mutationen?

VOL.AT: Die britische Mutation ist in Vorarlberg angekommen. Worin unterscheidet sie sich vom klassischen Virus, gerade auch aus genetischer Sicht?
Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Die britische Variante VOC 202012/01 unterscheidet sich vom herkömmlichen SARS-CoV2 Virus nicht nur durch eine, sondern durch insgesamt 23 verschiedene Mutationen innerhalb des Virusgenoms. 17 davon bewirken eine geringfügige Veränderung des Zusammenbaus der Proteine aus deren Aminosäuren, wodurch die Funktionalität der Virusproteine beeinflusst werden kann. Auffallend ist, dass bei der britischen Varianten das sogenannte Spike-Protein, welches für das Andocken des Virus auf der Oberfläche der menschlichen Zelle verantwortlich ist und gegen welches die aktuell verfügbaren Impfstoffe gerichtet sind, gehäuft von genetischen Veränderungen betroffen ist. Die britische Variante wie auch weitere neue, sich ausbreitenden Varianten aus Südafrika, Nigeria und Brasilien haben die Mutation N501Y, welche den Austausch der 501. Spike-Protein Aminosäure Asparagin (abgekürzt mit N) mit Tyrosin (Y) verursacht, gemeinsam. Diese und weitere Mutationen im Spike-Protein werden mit einem optimierten Andocken des Virus an der Zelloberfläche, einer höheren Viruslast und damit mit einer stärkeren Übertragbarkeit des Virus in Verbindung gebracht.
VOL.AT: Was macht die britische Variante VOC 202012/01 (auch B.1.1.7 genannt) so gefährlich?
Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Berichte aus Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark zeigen, dass die im Dezember 2020 identifizierte britische Variante 40 bis 70 Prozent ansteckender ist als das herkömmliche SARS-CoV2 Virus. Man geht daher davon aus, dass VOC 202012/01 das herkömmliche Coronavirus verdrängen wird und dies bereits in kurzer Zeit. In Dänemark rechnet man mit einem Dominieren der britischen Variante bereits im Februar, in den USA im März 2021. Durch die erhöhte Übertragbarkeit dieser Coronavirus-Variante ist mit einer erneuten, starken Welle auch bei uns zu rechnen, zumindest sobald die bestehenden Schutzmaßnahmen zunehmend gelockert werden und solange nur ein kleiner Teil der Bevölkerung geimpft ist.
VOL.AT: Verändert sich auch der Krankheitsverlauf durch das mutierte Virus?
Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Es gibt keine Hinweise, dass die britische Variante VOC 202012/01 zu einer schwereren COVID-19 Erkrankung oder einer erhöhten Sterblichkeit führt als das herkömmliche Coronavirus in seinen bisherigen Varianten. Dies gilt auch für die südafrikanische Variante 501Y.V2.
VOL.AT: Wie viele Mutationen des Virus sind inzwischen bekannt? Wie oft wird das Virus noch weiter mutieren?
Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Bislang sind tausende Mutationen des SARS-CoV2 Virusgenoms bekannt. Die Entstehung dieser Mutationen ist zufällig und die meisten Mutationen sind harmlos. Das Virus wird, solange es die Möglichkeit hat, zumindest in einem Teil der Bevölkerung zu grassieren, immer wieder mutieren. Wobei einschränkend hinzugefügt werden kann, dass SARS-CoV2 im Vergleich zu anderen RNA-Viren, wie beispielsweise den Grippeviren, eher mutationsträge ist. Die weltweit besonders starke Verbreitung des SARS-CoV2 Virus erhöht aber die Chance des Neuauftretens von Mutationen. Dadurch besteht weiterhin die Gefahr, dass wiederholt besonders leicht übertragbare Mutationen entstehen und sich ausbreiten können. Darin steckt aber auch etwas Hoffnung: Zumindest theoretisch können wir langfristig davon ausgehen, dass durch weitere Mutationen eine SARS-CoV2 Infektion zunehmend milder verläuft, da beispielsweise bei einer unbemerkten Erkrankung der Kontakt einer infizierten Person zu anderen bestehen bleibt und dadurch die Übertragbarkeit des Virus ebenso erleichtert wird. Noch ist es aber nicht so weit.
VOL.AT: Was bedeuten die abgewandelten Varianten für die Impfstoffe. Fangen wir bald wieder bei null an?
Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Prinzipiell kann man von einem guten Impfschutz der bereits zugelassenen oder sich noch in der Entwicklung befindlichen COVID-19 Impfungen bei der britischen Coronavirus-Variante ausgehen. Weniger stark scheinen die Impfstoffe allerdings bei der südafrikanischen Variante zu wirken. Der mRNA Impfstoff der Firma Biontech/Pfizer soll laut Herstellerangaben gegen diese Variante allerdings immer noch einen effektiven Schutz bieten. Dies trifft sehr wahrscheinlich auch für den fast baugleichen Impfstoff von Moderna zu. Daten zur Wirksamkeit des AstraZeneca Impfstoffs bei neuen Varianten liegen noch nicht vor. Die in der EU noch nicht zugelassenen COVID-19 Impfstoffe von Johnson & Johnson und Novavax zeigen trotz deutlicher Einbußen bei der südafrikanischen Variante eine Wirksamkeit von immer noch ca. 60 Prozent und liegen somit deutlich über den von der WHO geforderten 50 Prozent. Auch lassen sich schwere COVID-19 Krankheitsverläufe selbst durch eine Impfung mit reduzierter Schutzwirkung minimieren.
Gerade die modernen, mittels Gentechnik hergestellten, Impfstoffe oben genannter Hersteller lassen sich relativ leicht an neue Varianten anpassen. Die Zulassungsbedingungen angepasster Impfstoffe müssen allerdings durch die Behörden noch geklärt werden. Vorstellbar ist, dass, ähnlich wie bei der Grippeimpfung, zukünftig gegen mehrere Varianten gleichzeitig geimpft wird.
Virus-Mutation nun auch in Vorarlberg festgestellt
Eine mutierte Variante des Coronavirus ist diese Woche auch in Vorarlberg bestätigt worden. Vier Covid-19-Proben seien positiv auf eine Mutation getestet worden, informierte am Montag die Landespressestelle. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit" habe man es mit der britischen Mutation zu tun.
Die eingereichten Proben wurden in einem Salzburger Privatlabor untersucht. Mit den Ergebnissen der Sequenzierung werde im Lauf der Woche gerechnet, hieß es. Stehen diese fest, wird man definitiv wissen, welche Mutation des Coronavirus sich in Vorarlberg ausgebreitet hat. Laut Landessanitätsdirektion stehen die vier Fälle nicht in Verbindung. Weitere Umfeldtests würden bereits durchgeführt.
Erste Verdachtsmomente, dass die britische Mutation in Vorarlberg angekommen sein könnte, hat es schon vor zwei Wochen gegeben, sie wurden aber nicht bestätigt.
(VOL.AT)
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