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Cooles Model statt dralle Blonde: "Buhlschaft" Sophie von Kessel

"Jedermann" Peter Simonischek erhält mit der deutschen Diplomatentochter Sophie von Kessel heuer bereits die vierte Gespielin seit 2002. Hier ein Porträt der 39-Jährigen mit Festspiel-Erfahrung und ohne Starallüren.

Langzeit-Liebschaften sind passé. Dieser “Jedermann” hat einen ordentlichen Frauen-Verschleiß. Stand Peter Simonischek ab 2002 in den ersten drei Jahren seines Lebens und Sterbens als reicher Mann auf dem Salzburger Domplatz Veronica Ferres als Buhlschaft zur Seite, folgte 2005 und 2006 Nina Hoss, ehe 2007 Marie Bäumer die prominente Frauenrolle mit dem kurzen Text übernahm. Schon nach einer Saison wird nun, offiziell wegen eines Filmprojektes, erneut umbesetzt. Sophie von Kessel heißt die neue Buhlschaft, und wie ihr neues Kostüm aussehen wird, ist für manche eine mindestens genauso wichtige Frage wie das Gelingen der Inszenierung.

“Sophie von Kessel hätte allen Grund dazu, eine Diva zu sein”, schrieb kürzlich die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”, und rühmte ihre Natürlichkeit, die frei von Allüren sei, “Sie hat das Gesicht eines Stars, einen Namen, der nach Star klingt, und demnächst spielt sie in Salzburg eine Starrolle.” Den adeligen Namen verdankt die 1968 in Mexiko Geborene beiden Elternteilen, einem Diplomaten und einer Kinderpsychologin, ihre Sprachgewandtheit, vielleicht aber auch ihre leicht distanziert wirkende Professionalität im Umgang mit Menschen, ihrem Auwachsen als Weltbürgerin zwischen Lateinamerika, Finnland, Österreich (wo sie als Kind in Wien-Hietzing die Volksschule besuchte) und den USA.

Bereits als Studentin des Wiener Max-Reinhardt-Seminars war sie 1991 und 1992 Mitglied der “Jedermann”-Tischgesellschaft. Von damals weiß sie: “Der Domplatz ist sehr schwierig zu bespielen, alles muss vergrößert, potenziert werden, damit es wirkt. Es ist eine andere Form des Spielens.” Aus dieser Zeit, als Sunnyi Melles die Buhlschaft gab, weiß Sophie von Kessel aber auch, dass die Proben und Aufführungen nur den kleineren, weniger anstrengenden Teil eines Sommers als Buhlschaft darstellen.

Die zu erwartenden Begehrlichkeiten von Festspieltrubel und Yellow Press waren auch, neben den Ferienplänen der Familie, dafür verantwortlich, dass die Schauspielerin, die 1993 auch als junges Mädchen in Andrzej Wajdas “Wesele”-Inszenierung Salzburger Festspiel-Erfahrung sammeln konnte, nicht sogleich zusagte, als sie am Ende eines langen Drehtages von Schauspielchef Thomas Oberender das ebenso ehrende wie überraschende Angebot erhielt.

“Sinnlich, weich, warm und intelligent”, nennt Oberender die neue Buhlschaft, die trotz blonder Haare und blauer Augen mehr wie ein cooles Model denn als Jedermann-kompatible dralle Blondine wirkt, “eine brillante Bühnenpersönlichkeit und eine exzellente Schauspielerin”: “Sie ist Mädchen und berückende Frau zugleich und kann den Domplatz füllen. Das ist Grundvoraussetzung für eine gute Buhlschaft, die ja auf der Bühne nicht viel Zeit hat, ihre Rolle zur entwickeln.”

An profunder Berufserfahrung fehlt es der 1,78 Meter großen Frau, die auf dem Laufsteg gute Figur machen würde, Foto-Shootings aber gar nicht schätzt, keineswegs. Ihre Schauspiel-Ausbildung absolvierte sie neben Wien auch in New York und Berlin. Einem breiten Fernsehpublikum wurde sie durch die Herz-Schmerz-Serie “Schloss Hohenstein” und die erste Rosamunde-Pilcher-Verfilmung bekannt. Vor dem seichten Fernseh-Melodram flüchtete sie auf die Bühne und startete dort eine respektable Karriere: Über Aachen und Köln kam sie an die Münchner Kammerspiele, wo sie 1997 bis 2001 Ensemblemitglied war. Ab 2001 hatte sie in Yasmina Rezas “Drei Mal Leben” am Bayerischen Staatsschauspiel großen Erfolg.

Erst die Familie – mit dem Schauspieler Stefan Hunstein hat sie zwei Kinder im Alter von acht und zwei Jahren – brachte die 39-Jährige wieder mehr zu Film- und Fernsehen zurück, da der Theateralltag in einem fixen Ensemble noch kinderfeindlicher ist als das wochenweise Drehen weitab des Wohnortes. Partner wie Charlton Heston oder Alain Delon (im französisch-deutschen Krimi-Dreiteiler “Frank Riva”) waren der Lohn, mit den Kinderfilmen “Herr Bello” und “Rennschwein Rudi Rüssel” hatte aber auch der Nachwuchs etwas von Mamas Beruf. Zuletzt spielte die Deutsche in “Giacomo Puccini” die Frau des italienischen Komponisten.

Mit “emotionaler Kraft” möchte Sophie von Kessel als 29. Buhlschaft der Salzburger Festspielgeschichte überzeugen. Christian Stückls Inszenierung des Traditionsstücks von Hugo von Hofmannsthal ist weitgehend unverändert geblieben, die Buhlschaft die einzige wesentliche Umbesetzung. Bei der Premiere am 27. Juli wird sich die Aufmerksamkeit der Besucher daher noch mehr als sonst auf die Buhlschaft konzentrieren. Dagegen gibt es kein spezielles Rezept, meint die Schauspielerin: “Ich bin ich, und ich kann nur so spielen, wie ich bin.”

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