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Claude Regy bei Wiener Festwochen: "Theater bleibt ein Abenteuer!"

Bild aus "La Barque le soir"
Bild aus "La Barque le soir" ©Pascal Victor ArtComArt
Regisseur Claude Regy ist 91 Jahre alt. Vor 52 Jahren hatte seine erste Regiearbeit Premiere. Das Theater war und ist sein Leben. "Ich hab' mir eben nichts anderes gefunden", lächelt der freundliche alte Herr, dem bei den Wiener Festwochen ein Special gewidmet wird.
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Die Wiener Festwochen präsentieren den großen Einzelgänger des französischen Theaters mit zwei Arbeiten erstmals in Österreich: “Interieur” gastiert ab Sonntag, “La Barque le soir” folgt ab 11. Juni.

Japanische Inszenierung in Wien

In Wien probt Regy derzeit mit japanischen Schauspielern die Wiederaufnahme einer in Japan entstandenen Inszenierung, mit der er gleich zwei Bögen schließt.

Zum einen habe ihn das japanische Bunraku-Theater bereits als junger Mann fasziniert, als er vom Bread and Puppet Theatre bis zu Tadeusz Kantor alle möglichen Theatersprachen förmlich in sich eingesogen habe, erzählt Regy im APA-Gespräch. Zum anderen hat er Maurice Maeterlincks selten gespieltes Stück “Interieur” bereits 1985 mit französischen Schauspielern inszeniert. Als ihn das Shizuoka Performing Arts Center zu einer Arbeit einlud, sei ihm dieses Stück wieder eingefallen.

Claude Regy hält Rückschau

Die Frage, ob sich die Inszenierung von damals unterscheide, entlockt dem sanften Mann ein Lächeln. “Das hoffe ich doch. Schon alleine deshalb, weil die 30 Jahre hoffentlich nicht spurlos an mir vorübergegangen sind. Ich bin sicher noch tiefer eingetaucht in die Stille und die Langsamkeit. Ich bin sehr glücklich, dass das Abenteuer weitergeht. Theater bleibt ein Abenteuer. Es wird auch ein Abenteuer, wie das Publikum in Wien auf den Abend reagieren wird.”

Tatsächlich sind der ästhetische Minimalismus und die asketisch anmutende Strenge in Inhalt und Ausdruck, die Regys Arbeiten kennzeichnen, auch ein Abenteuer für ein Publikum, das aus einem rastlosen Alltag kommend zum Innehalten gezwungen wird. “Man sollte das Publikum nicht unterschätzen. Es gibt viele, die froh sind, wenn sie für eine Stunde aus dieser medialen Überforderung herausgerissen werden. Viel mehr Angst vor dem Abenteuer und vor dem Unbekannten haben die Veranstalter, die lieber auf Nummer sicher gehen.”

Mehrfach bei den Wiener Festwochen vertreten

Was man den Wiener Festwochen nicht nachsagen kann. Sie haben neben “Interieur”, das die häusliche Idylle einer Familie in den Mittelpunkt stellt und diese gleichzeitig durch die bevorstehende Nachricht vom möglichen Freitod der ältesten Tochter in einen brüchigen Schwebezustand versetzt, mit “La Barque le soir” eine zweite Arbeit von Regy eingeladen. Was verbindet die beiden Abende? “Es ist vor allem das Thema des Todes”, meint Regy. “Es ist ein Fehler, den Tod heute so zu verdrängen. Dabei haben schon die antiken Philosophen gewusst, dass der Tod Teil des Lebens ist.”

“La Barque le soir” fußt auf neun Seiten Text aus dem autobiografischen Roman “Boot am Abend” des norwegischen Autors Tarjei Vesaas. “Jon Fosse hat ihn mir empfohlen”, erzählt der Regisseur, der sich von Anfang an mit zeitgenössischen Autoren beschäftigt hat – von Harold Pinter, Marguerite Duras, Nathalie Sarraute und Edward Bond bis zu Peter Handke, David Harrower und Sarah Kane. In “La Barque le soir” kämpft ein Mann gegen das Ertrinken, eine schemenhafte Figur in einem dunklen Raum. Der Text wird zur Hauptfigur dieser Reflexion über den Überlebenstrieb, über die Übergänge von Leben und Tod, Bewusstem und Unbewusstem, Licht und Finsternis.

Das ist bei Regy Programm

Poesie statt Realismus, Sprache statt Handlung, Konzentration statt Überschwang, Purismus statt Aufwand – so könnte Regys Programmatik lauten – wenn er sich nicht vehement gegen alle Programme und auch gegen den Begriff der künstlerischen Heimat wehren würde. “Ich bin kein Patriot. Ich habe keine Heimat. Ich bin alleine!”

Vereinnahmen möchte er sich von niemandem lassen. Auch nicht von denen, die hinter seinen so einfach wirkenden Arbeiten einen möglichen Weg aus der Budgetkrise der Theater vermuten: “Glauben Sie ja nicht, diese Produktionen seien billig, nur weil die Bühne so leer aussieht! Das ist ein großer Irrtum.” Der wahre Luxus heute sei Zeit. Davon nimmt er sich in der Vorbereitung so viel, wie er braucht. Und schenkt sie dem Publikum zurück. Und nicht nur der Meister der Stille und der Langsamkeit ist darauf gespannt, wie das Wiener Publikum mit diesem Geschenk umgehen wird.

“Interieur” von Maurice Maeterlinck, Aufführung in japanischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Premiere im deutschsprachigen Raum, Aufführungen in der Halle G im Museumsquartier: 11.-14.5., 20.30 Uhr, Publikumsgespräch am 12.5. nach der Vorstellung; “La Barque le soir” nach einem Roman von Tarjei Vesaas, Aufführung in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Premiere im deutschsprachigen Raum, Aufführungen in der Halle G im Museumsquartier: 11.-15.6., 20.30 Uhr, Publikumsgespräch am 12.6. nach der Vorstellung; Filmmatinee mit Claude Regy: 15.6., 11 Uhr, Festwochen-Zentrum im Künstlerhaus; www.festwochen.at; Karten: 01 / 589 22 11

Mehr zu den Wiener Festwochen finden Sie hier.

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