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Chronologie einer Affäre

Chronologie der Ereignisse seit den Doping-Razzien italienischer Behörden in den Privat-Quartieren der österreichischen Biathleten und Langläufer bei den XX. Olympischen Winterspielen in Turin am Samstagabend (Samstag, 18. Februar, bis Freitag, 24. Februar).

Samstag, 19:30 Uhr: Mehrere Polizeiautos fahren mit Blaulicht und samt Durchsuchungsbefehl der italienischen Staatsanwaltschaft vor den Quartieren der Langläufer (in Pragelato) und Biathleten (in San Sicario) vor. Insgesamt 30 Beamte einer Anti-Drogen-Einheit durchsuchen die Zimmer, die Sportler und deren Gepäck.
Samstag, 22:30 Uhr: Zehn ÖSV-Athleten – die vier Langläufer Martin Tauber, Jürgen Pinter, Roland Diethart und Johannes Eder sowie die sechs Biathleten Wolfgang Perner, Wolfgang Rottmann, Christoph Sumann, Ludwig Gredler, Daniel Mesotitsch und Friedrich Pinter – werden zu Dopingtests nach Sestriere gefahren. Biathlon-Cheftrainer Alfred Eder informiert die APA – Austria Presse Agentur von den Vorfällen.
Sonntag, 02:00 Uhr: Die letzten kontrollierten Athleten kehren in ihre Unterkünfte zurück. Das ÖOC hat bereits Protest gegen die Vorgehensweise der Beamten angekündigt. Mittlerweile ist bekannt, dass die Suche nach ÖSV-Trainer Walter Mayer Auslöser für die Razzia gewesen ist.
Sonntag, 03:00 Uhr: Die österreichischen Biathleten Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann reisen als Reaktion auf die Hausdurchsuchung aus dem Olympia-Quartier ab. Grund sei laut Perner die Angst vor den strengen italienischen Anti-Doping-Gesetzen.
Sonntag, 11:30 Uhr: Die ÖSV-Langlauf-Staffel wird von den Vorfällen der vergangenen Nacht völlig entnervt wegen “Überrundung“ von der Jury nach drei von vier Läufern aus dem Bewerb genommen. Das IOC rechtfertigt die Razzia mit mehreren „erheblichen Verdachtsmomenten“.
Sonntag, 12:30 Uhr: Die italienische Justiz lässt durchsickern, dass gegen Mayer offizielle Ermittlungen eingeleitet worden sind. Vergehen gegen das strenge Anti-Doping-Gesetz werden in Italien strafrechtlich verfolgt.
Sonntag, 13:30 Uhr: ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth bestätigt in einer Pressekonferenz, dass die Polizeiaktion Mayer zum Ziel hatte. In den Quartieren seien „gewisse Medikamente“ sichergestellt worden.
Sonntag, 18:20 Uhr: Mayer wird von der Polizei in Paternion in Kärnten in seinem Auto schlafend aufgefunden. Er widersetzt sich stark alkoholisiert der Polizei-Kontrolle, flüchtet und kracht mit Selbstmordabsichten in eine errichtete Straßensperre. Der 48-Jährige wird von der Polizei in Gewahrsam genommen.
Sonntag, 21:00 Uhr:
Das ÖOC bestätigt die vorzeitige Abreise von Perner und Rottmann und schließt beide Athleten wenig später nach Rücksprache mit deren Betreuern aus dem Olympia-Team aus.
Sonntag, 21:30 Uhr: Nach Bekanntwerden der Umstände des Unfalles von Walter Mayer gibt ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel die fristlose Entlassung des ehemaligen Sportlichen Leiters der Langläufer und Biathleten bekannt. Nacht von Sonntag auf Montag: Mayer wird trotz laufender Doping-Ermittlungen italienischer Behörden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Der Salzburger wird allerdings wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und mehrerer Verkehrsdelikte auf freiem Fuß angezeigt. Mayer steht nun auch in Österreich ein Strafverfahren bevor. Der Ex-Trainer befindet sich ab sofort für mehrere Wochen im LKH Klagenfurt in psychiatrischer Behandlung.
Montag, 12:00 Uhr: Der Österreichische Rundfunk (ORF), der sich auf den zuständigen Staatsanwalt Raffaele Guariniello bezieht, berichtet von Funden von belastendem Material im Zuge der Razzia am Samstagabend. Es soll sich unter anderem um 100 Spritzen, 30 Packungen Medikamente und Apparaturen zur Blut-Transfusion handeln.
Montag, 12:30 Uhr: In einem Interview mit der APA – Austria Presse Agentur begründet Wolfgang Perner seine überstürzte Abreise mit Angst vor der italienischen Justiz. In seinem Zimmer seien Spritzen und Nadeln gefunden worden. Perner will vor Vorliegen der Ergebnisse nicht sagen, ob etwas Verbotenes dabei gewesen ist, meint aber: „Für mich ist es vorbei, ich brauche Biathlon nicht mehr zu machen.“
Montag, 19:00 Uhr: In einem Nebenquartier des ÖSV in Pragelato, in dem die Langlaufbetreuer untergebracht sind, wird neuerlich eine Doping-Razzia durchgeführt. Der zuständige Nordische ÖSV-Direktor Markus Gandler versichert, dass „nichts gefunden worden ist“.
Dienstag, 10:00 Uhr: Aus ÖSV-Kreisen wird bekannt, dass sich die ÖSV-Langlauf-Trainer Emil Hoch und Roland Diethart nicht mehr bei den Olympischen Spielen in Italien befinden. Beide sind bereits am Sonntag nach der Doping-Razzia abgereist. Während Dietharts Abreise geplant gewesen sein soll, wird dem suspendierten Liechtensteiner Hoch eine Nähe zu Walter Mayer nachgesagt.
Dienstag, 13:30 Uhr: Die ÖSV-Biathlon-Staffel landet auf dem 17. und letzten Platz. Dienstag, 17:00 Uhr: In einer zum Missfallen von bis zu 200 internationalen Journalisten großteils in Deutsch abgehaltenen Pressekonferenz gibt ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel die Suspendierungen von Langlauf-Trainer Hoch sowie der Biathleten Perner und Rottmann bekannt. Schröcksnadel gesteht eine „Fehleinschätzung“ im Fall Mayer.
Mittwoch, 19:00 Uhr: Das ÖOC reagiert durch die Einsetzung einer Untersuchungs-Kommission auf die Razzien. Das Gremium, das von Eishockey-Verbandspräsident Dieter Kalt geleitet wird, hat den Auftrag einer lückenlosen Aufklärung der Vorfälle. Das IOC hatte bereits am Vorabend eine eigene Untersuchung nach Ende der Winterspiele angekündigt. ÖOC-Generalsekretär Jungwirth bestätigt der APA: „Es wurde absolut nicht erlaubtes Equipment gefunden, darunter Material zur Bluttransfusion.“
Donnerstag, 12:00 Uhr: Der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Richard Pound, äußert in einem ZDF-Interview erhebliche Vorwürfe: „Es sieht nach einem Fall organisierten Blutdopings aus.“ Währenddessen spricht ÖSV-Präsident Schröcksnadel bei der Staatsanwaltschaft in Turin vor. Donnerstag: In Österreich setzt eine innenpolitische Diskussion zur Verschärfung der Anti-Doping-Gesetze ein. Die Opposition bezichtigt die Regierung in diesem Zusammenhang der Untätigkeit. Freitag: ÖSV-Geschäftsführer Klaus Leistner und Gandler werden in einer Polizeikaserne in Sestriere von Polizei und angereisten Staatsanwälten mehrere Stunden verhört. Die italienische Justiz kündigt einen Prozess gegen in den Skandal involvierte Personen an, Mayers Anwalt eine Verleumdungs-Klage gegen IOC-Präsident Rogge, sollte dieser seine Aussagen („Für mich ist Walter Mayer jener Mann, der Doping organisiert“) nicht zurücknehmen.
Freitag, 18:40 Uhr: Das IOC gibt in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt, dass alle zehn am Samstagabend von Österreichern abgegebenen Dopingproben negativ ausgefallen sind – auch jene der verdächtigten Rottmann und Perner. IOC-Sprecherin Giselle Davies spricht dennoch nur von einem „Teilergebnis einer größeren Affäre“. Es wird weiter ermittelt, auch Blutproben sollen entnommen werden.
Freitag, 19:30 Uhr: Gandler holt in einer Pressekonferenz zu einem Rundumschlag gegen ÖOC-Generalsekretär Jungwirth, IOC-Präsident Rogge und den WADA-Vorsitzenden Pound aus und fordert eine Neuaustragung beider Staffelbewerbe (Langlauf und Biathlon). Jungwirth habe den Aufenthalt Mayers bei den Olympischen Spielen laut Gandler genehmigt.

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