Sie sollen somit nach eigenem Gutdünken über die entsprechende Flächenwidmung abstimmen. Damit setzt Vassilakou die rot-grüne Mehrheit trotz Koalition aufs Spiel.
Krisensitzung der Grünen blieb ohne Ergebnis
Die Grünen hatten sich am Montagabend zu einer stundenlangen Krisensitzung zurückgezogen und an einem Weg aus der Zwickmühle getüftelt. Denn Vassilakou und die Parteiführung waren in Bedrängnis geraten, nachdem eine knappe Mehrheit der Grünen sich mittels Urabstimmung gegen die Umsetzung der Heumarkt-Pläne ausgesprochen hat. Die Stadträtin selbst hat das Vorhaben stets verteidigt und ist zudem dem Koalitionspartner SPÖ und dem privaten Investor im Wort.
Flächenwidmung am 1. Juni im Gemeinderat
Planungsstadträtin Vassilakou versicherte am Dienstag, dass die Vorgangsweise in Sachen freie Abstimmung zur Heumarkt-Flächenwidmung mit dem Koalitionspartner SPÖ akkordiert sei. Und sie sei zuversichtlich, “dass Rot-Grün das aus eigener Kraft schaffen kann und nicht auf die Hilfe der Opposition angewiesen ist.” Gewissheit herrscht am 1. Juni, wenn die Flächenwidmung in den Gemeinderat kommt.Von 100 Mandaten im Stadtparlament hat Rot-Grün derzeit 54 inne – 44 die SPÖ, zehn die Grünen. Um FPÖ, ÖVP und NEOS außen vorlassen zu können, braucht Vassilakou also mindestens sieben Projekt-Unterstützer aus den eigenen Reihen, um die Flächenwidmung durchzubringen. Vorausgesetzt, die SPÖ stimmt geschlossen für das Dokument. Davon geht die grüne Ressortchefin aber offenbar aus. Sie habe den Eindruck, dass die Roten zu 100 Prozent hinter dem Heumarkt-Vorhaben stehen, sagte sie.
Ellensohn nahm Stellung
Der grüne Klubobmann David Ellensohn gab am Dienstag per Aussendung postwendend eine Garantie ab, dass es eine rot-grüne Mehrheit geben werde – denn: “Auch in schwierigen Situationen müssen Entscheidungen getroffen werden”. Ob alle Mitglieder der grünen Fraktion pro Heumarkt stimmen werden, ließ er allerdings offen.
Mit der Vorgangsweise einer freien Abstimmung reagiert Vassilakou auf die Mitgliederbefragung unter allen Wiener Grünen, die mit knapper Mehrheit gegen das Projekt ausgegangen ist. “Ich habe Respekt vor diesem Ergebnis, ich habe Respekt vor den Gegnern des Projekts und ich habe Respekt für ihre Motive und Überlegungen”, beteuerte die Stadträtin. Sie habe ihr bestes gegeben, diese Befürchtungen und Sorgen in den vergangenen Wochen auszuräumen. “Das Ergebnis zeigt, dass es mir nicht gelungen ist”, merkte sie selbstkritisch an: “Die grünen Mitglieder haben gesprochen.”
Vassilakou schickt deutliches “Aber” hinterher
Vassilakou schickte allerdings ein deutliches “Aber” hinterher: “Die letzte Entscheidung in einer Demokratie haben hier allerdings die Mitglieder des Gemeinderats. Ich werde daher die Flächenwidmung dem Gemeinderat am 1. Juni vorlegen”, so ihr Argument. Sie stehe weiterhin zu diesem Projekt und werbe daher für eine Mehrheit.
Sie sei sowohl dem Eislaufverein als auch der Öffentlichkeit und dem Projektbetreiber – der Wertinvest von Investor Michael Tojner – im Wort, betonte Vassilakou. Um eventuell die Zustimmung manchem zweifelndem Grünen zu erleichtern, verkündete die Ressortchefin heute, dass sie mit Tojner vereinbart habe, die Hälfte der Räumlichkeiten des umstrittenen Wohnhochhauses nicht als Luxuswohnungen zu entwickeln, sondern als “Räumlichkeiten für eine Institution im öffentlichen Interesse”. Details dazu würden noch geklärt.
Außerdem soll der städtebauliche Vertrag öffentlich gemacht werden. Damit könne dann jeder überprüfen, was rechtlich rund um das Projekt verankert sei. “Etliche Bedenken” von Kritikern würden spätestens dann ausgeräumt, hofft Vassilakou.
Kein Aufstand der Basis befürchtet
Einen Aufstand der Basis, da die Flächenwidmung nun trotz mehrheitlicher parteiinterner Ablehnung doch dem Gemeinderat vorgelegt wird, befürchtet die Spitzen-Grüne nicht. Es habe sich gestern, Montag, im Laufe der stundenlangen Krisensitzung gezeigt, dass die Vorgangsweise der freien Abstimmung “breitest” geteilt werde.
Vassilakou gestand aber auch ein, dass man Lehren aus der jüngsten Krise ziehen müsse. Welche das sein könnten – eventuell Statutenänderungen, um Urabstimmungen zu bestimmten Themen künftig unmöglich zu machen – ließ sie freilich offen. Es gelte jedenfalls, interne Strukturen so auf neue Beine zu stellen, dass man als Partei die rot-grüne Regierungsarbeit bestmöglich unterstützen könne.
Heumarkt: Urabstimmung für Glawischnig “sauber”
Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig übt im Streit um den Hochhausbau am Heumarkt keine Kritik an der Urabstimmung ihrer Wiener Landesgruppe. “Ich finde an und für sich die Vorgangsweise sauber”, meinte sie in einer Pressekonferenz am Mittwoch. Zur Aufhebung des Klubzwangs in dieser Frage konnte sie nichts sagen, denn die war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.Die inhaltliche Frage sei hoch komplex, “da möchte ich mich auch nicht einmischen”. All das und damit auch die weitere Vorgangsweise sei eine “Wiener Angelegenheit”, meinte Glawischnig – und zwar noch bevor Stadträtin Maria Vassilakou die Freigabe der Abstimmung für die Gemeinderäte der Grünen bekanntgegeben hatte.
Heumarkt: Keine Zustimmung der ÖVP
Die Mandatare der Wiener ÖVP werden dem Flächenwidmungsplan zum Heumarkt-Projekt nicht zustimmen. Das sagte Obmann Gernot Blümel bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Ausschlaggebend für das Nein der ÖVP ist die drohende Aberkennung des Weltkulturerbes: “Man kann eine legitime Diskussion über das Thema führen, aber nicht in einer Husch-Pfusch-Aktion, weil man gerade jemandem etwas zugesagt hat.”Es handle sich zwar um “ein Regierungspartner angutes Projekt, das viele Vorteile für Wien hat”. Die Aberkennung des Weltkulturerbes als “Kollateralschaden” will die ÖVP aber nicht in Kauf nehmen. Wenn es zur Abstimmung über den Flächenwidmungsplan kommt, der die Aberkennung des Weltkulturerbes bedeuten würde, könne die ÖVP “natürlich nicht zustimmen”. Ein Ja der schwarzen Gemeinderäte würde es nur geben, wenn die UNESCO die Pläne goutiert, meinte Blümel.
Blümel bot sich als Regierungspartner an
Angesichts der durch die Causa Heumarkt ausgelösten Krise der Grünen bot sich Blümel im Rahmen der Pressekonferenz der SPÖ als Regierungspartner an. Die Debatte um das Heumarkt-Projekt stelle den “Höhepunkt der Dauerkrise” der rot-grünen Koalition dar, meinte er. Seit Freitag werde die Wiener ÖVP häufig bezüglich eines etwaigen Koalitionswechsels kontaktiert – “nicht offiziell, nicht aus der ersten Reihe, aber von SPÖ-Funktionären der zweiten und dritten Reihe”, sagte er. “Um das Leiden Wiens zu beenden, sind wir bereit, in Koalitionsverhandlungen zu treten. Wir warten auf den Anruf.”
Grundvoraussetzung für Rot-Schwarz sei “ein Pakt für den Standort”. Zu den Bedingungen zählen die Umsetzung der Sonntagsöffnung, die Einrichtung von Demozonen, ein Ja zur dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat und zum Lobautunnel sowie eine Reduzierung der Abgaben und Gebühren.
Dass SPÖ und ÖVP gemeinsam auf lediglich 51 der insgesamt 100 Mandate kommen, stellt für den ÖVP-Chef kein Problem dar. “Eine knappe Koalition, die funktioniert, ist besser als Rot-Grün”, sagte Blümel. “Wir haben eine sehr hohe Sitzungsdisziplin”, meinte er. Zum Vergleich: Rot-Grün verfügt über 54 Mandate.
Wohl auch keine Zustimmung von FPÖ und NEOS
Häupl geht von rot-grüner Mehrheit aus
Gleichzeitig verhehlte er jedoch nicht, dass es auch Gespräche mit den Oppositionsparteien geben werde. Die SPÖ sei jedenfalls geschlossen für das Projekt, stellte er überdies klar. Zusatz: “Wir sind verlässlich in unserer Partnerschaft.”
Kein “Plan B” vorbereitet
Dass der grüne Klubchef David Ellensohn heute bereits eine rot-grüne Mehrheit für die Widmung in Aussicht gestellt hat, begrüßte Häupl. Erstaunt zeigte er sich lediglich darüber, dass der Fraktionschef in seiner Aussendung die “Feilscherei” über Wartefristen bei den laufenden Verhandlungen zu einer Wiener Mindestsicherungsregelung kritisiert hatte. Eine solche Frist werde auch von der SPÖ schon längst nicht mehr gewünscht, versicherte er.
Häupl will zudem weitere Gespräche über die Welterbeproblematik führen. Die UNESCO hatte ja in Aussicht gestellt, die Wiener Innenstadt auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten zu hieven, falls das Projekt umgesetzt wird. Auf Details zu diesen Verhandlungen wollte der Bürgermeister nicht eingehen.
Dass die ÖVP sich bereits als Koalitionspartner in Spiel bringt, sorgte bei Häupl eher für Amusement. “Das ist eine interessante Antwort auf eine nie gestellte Frage”, befand er.
Investor: “Vertraue auf Stärken des Projekts”
Über die Widmungsunterlagen und den städtebaulichen Vertrag könnten sich die Gemeinderatsmitglieder ein objektives Bild über das Projekt machen und “sind nicht auf die zum Teil mit mehr als fragwürdigen Mitteln geführte Gegen-Kampagne angewiesen”, so Enzi.
Projektgegner orten “Problem zwischen Führung und Basis”
Kritik übte auch Wolfgang Zinggl, grüner Kultursprecher im Nationalrat und ebenfalls deklarierter Projektgegner: “Ich bin schwer enttäuscht.” Dass die Flächenwidmung samt Hochhaus-Vorhaben nun zur Abstimmung in den Gemeinderat kommt, obwohl die Mehrheit der Basis in der Mitgliederbefragung dagegen gestimmt hat, ärgert Zinggl: “Demokratiepolitisch ist das eine Entwicklung, die mir Sorgen bereitet.” Denn es sei wenig hilfreich, wenn man in den Parteistatuten die Möglichkeit einer Urabstimmung einräumt, deren Ergebnis dann aber ignoriere.
Causa Heumarkt: So geht es weiter
Da spiele es auch keine Rolle, dass die Gegner nur eine knappe Mehrheit von 18 Stimmen haben. “Auch ein Bundespräsident kann mit nur drei Stimmen Überhang gewählt werden”, so Zinggl. Was parteiintern nun passieren muss, darauf wollte der Nationalratsmandatar nicht näher eingehen. Nur soviel: “Ich befürchte, dass es bei vielen grünen Mitgliedern jetzt lange Gesichter geben wird.” Zinggl verwies auch auf einen beschlossenen Antrag bei der Landesversammlung der Wiener Grünen im vergangenen November, bei der sich das größte Gremium der Wiener Partei für den Erhalt des UNESCO-Weltkulturerbes ausgesprochen habe. Dieses ist durch das geplante Hochhaus am Heumarkt bekanntlich gefährdet.
Welche Maßnahmen die Gegner nun zu setzen gedenken, wollen sie in den nächsten Tagen beraten. Ziel sei es, aus der Kluft zwischen Parteispitze und Basis “konstruktiv rauszufinden”, sagte Hirschenhauser.
Ob zumindest der Rathausklub der Wiener Grünen geschlossen hinter der Causa Heumarkt steht, ist ebenfalls fraglich. Einigermaßen kryptisch äußerte sich hierzu der grüne Abgeordnete Martin Margulies. “echt froh über freies mandat, ermöglicht ergebnis der urabstimmung heumarkt im gemeinderat individuell nachzuvollziehen”, twitterte er am Dienstag. Er wolle das Statement nicht näher kommentieren, richtete er der APA auf Nachfrage aus.
(apa/red)
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