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Can-Am Spyder Roadster: Yes we CAN!

Der Can-Am Spyder Roadster passt nicht so recht in eine Schublabe. Nicht wirklich Motorrad, nicht wirklich Quad. Und schon garnicht Auto. Helm ist Pflicht, Schutzkleidung empfehlenswert. Dennoch kann man den Spyder mit dem PKW-Führerschein fahren. Es hilft alles nichts, ein ausführlicher Test muss Klarheit schaffen.
Bilder von Can-Am Spyder Roadster

Du bist schüchtern und magst es nicht von wildfremden Leuten angesprochen zu werden? Dann ist der Can-Am Spyder mit Sicherheit nichts für Dich. Der Can-Am Spyder ist die reinste Kontaktbörse. Wer mit dem Spyder unterwegs ist, muß sich an neugierige Mitmenschen gewöhnen. Auf der Autobahn verursacht man Verkehrsprobleme, da fast jedes Auto beim Überholen abbremst um einen genaueren Blick zu erhaschen. Jeder Stop führt zu kleineren und größeren Menschenaufläufen mit immer den gleichen Fragen: Was ist daß? Wie schnell fährt es? Wie teuer? Wo kriegt man daß?

Als das Testfahrzeug zur Verfügung stand, wurde es natürlich einer genaueren Prüfung unterzogen. Flach und breit steht der Can-Am Spyder da, irgendwie geduckt. Wenn man den Spyder mit etwas vergleichen kann, dann am ehesten mit einem Schneemobil oder einem Jetski. Wobei die Bezeichnung Schneemobil mit Rädern der Wahrheit am nächsten kommt. Die Sitzposition ist sehr bequem, fast aufrecht. Bei Bedarf kann eine Lenkererhöhung nachgerüstet werden. Besagter Lenker liegt sehr gut in der Hand, alles ist da wo man es erwartet. Die Sitzbank ist sehr breit und äusserst komfortabel gepolstert, hier lässt es sich auch längere Zeit gut aushalten. Zusammen mit den angenehm tief montierten Fußrasten ergibt sich ein hoher Wohlfühlfaktor. Auch der Beifahrer findet ein kommodes Plätzchen. Leicht erhöht und mit Haltegriffen die ihrem Namen alle Ehre machen. Im Bug befindet sich ein Staufach mit 44 Litern Volumen. Nicht ausreichend für die große Urlaubstour, aber sehr wohl für das tägliche Leben. Sogar kleine Einkäufe können gut untergebracht werden. Der Spaß beginnt bei 17.299 Euronen, dafür gibt es die Version mit dem manuellen Getriebe. Für die (hier getestete) Version mit sequentiellenm Getriebe muß man mindestens 19.099 Euro über die Ladentheke schieben. In beiden Versionen ist der Rückwartsgang mit drin. Zusätzlich kann der Can-Am Spyder mit allerlei Zubehör aufgerüstet werden. Von der Rückenlehne für den Beifahrer über andere Alufelgen bis hin zur kompletten Fahrerausstattung kann man sich austoben.

Angetrieben wird der Spyder von einem 998 ccm großen V2 von Rotax. Der Motor wird in ähnlicher Form in von Aprilia bei RSV Mille und Co. eingesetzt. Im Can-Am Spyder leistet der Motor 106 PS bei 8.500 Umdrehungen. Das maximale Drehmoment von 104 NM liegt bei 6.250 Umdrehungen an. Bei einem Trockengewicht von 316 KG verspricht der Vortrieb also spaßig zu werden. Geschaltet wird über ein 5-Gang-Getriebe. In unserem Fall sequentiell. Im Klartext: der Kupplungshebel entfällt, der Schalthebel ebenso. Geschaltet wird mittels einer kleinen Wippe unterhalb des Blinkers. Mit dem Daumen wird nach oben geschaltet, mit dem Zeigefinger nach unten. Der Vorteil: man muß zum Schalten nicht vom Gas gehen. Ergo gibt es beim Beschleunigen auch nur minimale Schaltpausen. Bedeutet: die Mühle geht ab wie die berühmte Katze. Einfach Vollgas und ohne vom Gas zu gehen mit dem Daumen die Gänge wechseln. Wow, muß man erlebt haben. So manches leistungsstarke Motorrad hat Mühe da dran zu bleiben. Mich hat das Getriebe restlos begeistert, ist eine echte Innovation. Zurückgeschaltet wird übrigens automatisch. Rollt man auf eine rote Ampel zu, schaltet das Getriebe automatisch zurück bis in den 1. Gang. Zum rangieren besitzt der Spyder noch einen echten Rückwärtsgang. Auch dieser wird über die Wippe eingelegt, man muß lediglich den Rückwärtsschalter gleichzeitig drücken.

Sehr lobenswert ist das Thema Sicherheit. Der Can-Am Spyder hat so ziemlich an Bord was den täglichen Einsatz sicher macht. So beinhaltet das Fahrzeugstabilisierungssystem VSS (Vehicle Stability System) ein Stabililitätskontrollsystem, eine Traktionskontrolle und ABS. Lenkeinschlag und Vollgas: ergibt doch einen sauberen Donut? Mitnichten. Sobald der Lenker um mehr als 3 Grad eingeschlagen wird, ist die Traktionskontrolle aktiv und damit nix mit durchdrehendem Hinterrad. Wer es aber unbedingt braucht, kann geradeaus (schöne?) schwarze Striche auf die Straße brennen. Angeblich bis in den 3. Gang. Ich habe es nicht ausprobiert. Das ABS funktioniert ebenfalls bestens. Der geneigte Motorradfahrer greift aber erstmal mit der rechten Hand ins leere. Der Can-Am Spyder wird ausschliesslich per Fußpedal gebremst. Anfangs greife ich bei jeder Bremsung nach dem Hebel, also ins nichts. Kurze Zeit später habe ich mich aber auch daran gewöhnt. Die Verzögerung der reinen Fußbremse ist enorm. Ein beherzter Tritt hebt mich fast vom Sattel. Alles in allem finde ich die Sicherheitsfeatures sehr vorbildlich. Ist wie mit einer guten Versicherung: am besten nimmt man sie nie in Anspruch. Wenn notwendig, ist man froh daß man sie hat.

So. Genug der Theorie. Ich will mit dem Teil auf die Straße. Nach der Einweisung direkt auf die Autobahn und den Weg in die Heimat in Angriff nehmen. Erst mal langsam, Eingewöhnung ist angesagt. Die ersten enge Kurve ist die Autobahnauffahrt: lenken ist angesagt. Klingt komisch. Aber man sitzt wie auf einem Motorrad und mit dem legt man sich halt in die Kurve. Hier muß man heftig lenken und den Oberkörper in die Kurve legen. Uff, geschafft. War enger als gedacht. Also für die nächste Kurve: stärker lenken! Und mit dem Oberkörper arbeiten! Autobahn ist absolut easy. Die Sitzposition entspannt, die Sicht in den Spiegeln ist gut und der Windschutz ganz passabel. Geschwindigkeiten um die 150 bis 160 km/h sind auch auf Dauer kein Problem. Am Tag darauf geht es erstmal auf die Hausstrecke. Je mehr ich den Spyder fahre, je besser kommen wir beide zurecht. Lange Kurven: gerne. Sauber anfahren, schön mit dem Körper arbeiten und mit Zug durch die Kurve. Enge Kehren: auch gerne. Gleiches Spiel. Gefühlt kann man mit dem Spyder früher ans Gas. Die Ideallinie fahren ergibt sich fast von selbst. Kurz anbremsen, mit Zug durch und dann mit Schmackes raus. Auf der Geraden schnell durch die Gänge „gewippt“. Dann kommt die nächste Kurve und der Spaß geht von vorne los. Begleitet wird das ganze von einem ordentlichen V2-Sound und dem dumpfen „Klock“ beim wechseln der Gänge. Beides ergänzt sich zu einer hör- und fühlbaren Soundkulisse die immer wieder begeistert. Durch die minimalen Schaltpausen fällt die Drehzahl fast überhaupt nicht ab und damit auch nicht der begleitende Sound.

Überwog auf den ersten Metern noch die Unsicherheit, gewinne ich jetzt mehr und mehr Vertrauen in den Spyder. Die möglichen Kurvengeschwindigkeiten sind hoch, der Spaßfaktor noch höher. Allerdings verlangt der Can-Am körperlichen Einsatz. Die Haltekräfte am Lenker sind trotz Servounterstützung hoch und nehmen mit steigender Geschwindigkeit zu. In Wechselkurven gilt es ebenfalls mit dem Oberkörper zu arbeiten. Die große Apfelschorle in der Pause hat man sich also wirklich verdient. Was ist der Can-Am Spyder denn nun? In erster Linie eines: ein Spaßbringer, und zwar ein ordentlicher. Würde ich mir einen zulegen: sofort! Würde ich deshalb meine Motorräder verkaufen: eher nicht. Ein Vergleich ist auch nicht fair: der Can-Am Spyder ist kein Motorrad, er ist auch kein Quad und kein Auto. Er ist eine Klasse für sich. Hat seinen eigenen Reiz und lässt sich halt in keine Schublade stecken. Für den gebotenen Spaß und die aufwändige Technik ist auch der Preis akzeptabel. Daß man für die Sache „nur“ den Autoführerschein braucht, geht dabei fast unter.

Fazit: Der Can-Am Spyder ist schlichtweg ein geiles Gefährt. Sachlich gesehen: schnell, bequem und sicher. Emotional gesehen: er macht einen Mörderspaß – wenn man eine kurze Eingewöhnungsphase hinter sich hat. Dann begeistert der Motor und das sequentielle Getriebe, schlägt die anfängliche Unsicherheit in Fahrspaß um. Sehr schnell gewöhnt man sich an erstaunte Autofahrer und Passanten. Da winken nicht nur die Kinder aus dem Auto, sondern der Papa gleich mit. Wie gesagt: schüchtern und kontaktscheu sollte man nicht sein.

Mehr Informationen auf www.bikerszene.de

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