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Bürgerkrieg in Syrien: Erdogan gegen Assad - und jetzt auch gegen Putin?

Erdogan und Putin - zwei Alpha-Männchen auf dem internationalen Parkett.
Erdogan und Putin - zwei Alpha-Männchen auf dem internationalen Parkett. ©AP
Ankara/Moskau/Damaskus. Wenn Recep Tayyip Erdogan wütend ist, dann teilt er kräftig aus, auch wenn der Empfänger der rhetorischen Watschen die Großmacht Russland ist. Moskau sei dabei, mit seinem Militärengagement im Bürgerkriegsland Syrien einen "schweren Fehler" zu begehen, sagte Erdogan am Wochenende.
Russische Luftschläge in Syrien
Anhaltende Spannungen
Türkei fängt russischen Jet ab

Das Spiel, das Russland in Syrien spiele, sei inakzeptabel, Besorgnis erregend und verstörend: “Was will Russland eigentlich da?” Als Erdogan seinem Ärger Luft machte, wusste er wahrscheinlich schon, dass nur 24 Stunden vorher ein russischer Kampfjet aus Syrien kommend in den türkischen Luftraum eingedrungen war.

Muskelspiele in der Luft

Ministerpräsident Ahmet Davutoglu warnte Moskau am Montag, dass bei ähnlichen Zwischenfällen in Zukunft scharf geschossen werde. “Unsere Einsatzregeln sind klar”, sagte Davutoglu. Später teilte die Armee mit, am Sonntag seien zwei türkische F-16-Kampfflugzeuge an der Grenze zu Syrien von einer nicht identifizierten Mig-29 über fünf Minuten lang “bedrängt” worden. Die Vorfälle zeigen, wie brisant die Lage an der Grenze ist.

Erdogan kann und will nicht mit Assad

Die scharfen Worte und Warnungen aus Ankara an die Adresse Moskaus können aber nicht verhehlen, dass die türkische Syrien-Politik vor einem sehr schwierigen Problem steht. Seit vier Jahren setzt Ankara alles daran, den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Die Türkei ist nach wie vor überzeugt, dass mit Assad keine Rückkehr zum Frieden beim südlichen Nachbarn und entlang der 911 Kilometer langen Grenze möglich sein wird.

Deshalb unterstützen Erdogan und Davutoglu die syrische Opposition politisch wie militärisch; nach Presseberichten und Oppositionsangaben ließ die Regierung lastwagenweise Waffen und Munition über die syrische Grenze schaffen. Gleichzeitig fordert Ankara die Einrichtung einer Schutzzone im Norden Syriens. Damit sollen eine sichere Region für rückkehrwillige Flüchtlinge geschaffen und gleichzeitig kurdische Autonomiebestrebungen in Syrien behindert werden.

Mit diesen Positionen und Vorhaben kommt die Türkei nur langsam voran. Assad sitzt nach wie vor fest im Sattel. Zudem reagieren die westlichen Partner des Landes teilweise sehr skeptisch auf das Vorhaben der Schutzzone: Die Türkei verspricht, dort 300.000 syrische Flüchtlinge anzusiedeln, doch niemand weiß so recht, wie die Zone militärisch gesichert werden kann.

Mit Russland betritt ein Big Player das Feld

Der Kriegseintritt Russlands an der Seite von Assad bringt die türkische Politik nun in noch schwereres Fahrwasser. Beispiel Schutzzone: Da sich Moskau mit Luftangriffen am Kampf der syrischen Regierung gegen die diversen Rebellengruppen beteiligt, dürfte es wohl kaum damit einverstanden sein, dass die Türkei ein Schutzgebiet schafft, das von Regierungsgegnern als Rückzugsraum genutzt werden kann.

Auch die direkte türkische Unterstützung für syrische Rebellengruppen hat einen Rückschlag erhalten. Davutoglu und andere türkische Regierungspolitiker beklagen, Russlands Kampfjets griffen in Syrien nicht den “Islamischen Staat” (IS) an, sondern gemäßigte Rebellengruppen wie die Freie Syrische Armee (FSA). Nutznießer seien die Jihadisten vom IS.

In der nordwestsyrischen Provinz Idlib, in der das in den türkischen Luftraum geratene russische Kampfflugzeug offenbar unterwegs war, ist die Armee der Eroberung aktiv, ein Zusammenschluss einiger islamistischer Gruppen, zu denen aber nicht der IS gehört. Die Türkei unterstützt einige Mitglieder dieser Rebellenarmee, die Assads Truppen in den vergangenen Monaten empfindliche Verluste beibrachte.

Zähneknirschend muss Ankara anerkennen, dass Russland Assad nicht nur militärisch, sondern auch politisch aufwertet. So ließ selbst Erdogan jüngst erkennen, dass er den Machtverbleib des syrischen Präsidenten für eine Übergangszeit mittragen könnte – nachdem er eine solche Lösung lange Zeit ausgeschlossen hatte. Dass Erdogan seine 180-Grad-Wende ausgerechnet nach einem Besuch bei Wladimir Putin in Moskau verkündete, dürfte kein Zufall gewesen sein. (Thomas Seibert/AFP, APA)

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