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Britische Regierung stimmte AKW-Projekt Hinkley Point zu

So soll das Kraftwerk einmal aussehen
So soll das Kraftwerk einmal aussehen
Mit Verzögerung hat die britische Regierung Grünes Licht für das umstrittene AKW-Projekt Hinkley Point gegeben. Es wäre der erste Bau eines Kernkraftwerks in der EU seit der Katastrophe im japanischen Fukushima 2011. Österreich und andere Staaten haben vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die von der EU-Kommission gebilligten, milliardenschweren Staatssubventionen für das Großprojekt geklagt.


Das Vorhaben solle umgesetzt werden, erklärte Energieminister Greg Clark am Donnerstag. Dabei solle mit neuen Maßnahmen für eine “erhöhte Sicherheit” des AKW-Baus in der Nähe von Bristol in Südwestengland gesorgt werden.

Realisieren sollen das 21 Milliarden Euro teure Projekt des französische Stromkonzern EDF (Electricite de France), der zu 85 Prozent dem französischen Staat gehört, und der chinesische Staatskonzern CGN (China General Nuclear Power). EDF und CGN begrüßten den Beschluss der britischen Regierung. Aus der Volksrepublik fließen acht Milliarden Dollar in das Projekt.

Umweltorganisationen kritisierten den Beschluss der britischen Regierung. GLOBAL 2000 sieht den “Druck Chinas” dahinter, “das mit massiven diplomatischen Verwicklungen gedroht hatte – und mit dem Entzug von Investitionen in die marode britische Infrastruktur”. Der Reaktortyp EPR (Europäischer Druckwasserreaktor) von Areva, der zum Einsatz kommen solle, sei noch nirgends auf der Welt am Netz. Es sei “unklar, ob die EPR-Technologie überhaupt je in Betrieb gehen kann”.

Auch Atomstopp Oberösterreich zeigte sich enttäuscht: “Damit verharrt Großbritannien weiterhin in der milliardenteuren Atomfalle.” Auch aus Sicht von Greenpeace droht der geplante AKW-Bau zum “Milliongrab” zu werden. Sönke Tangermann, Vorstand bei der Energiegenossenschaft Greenpeace Energy, die ebenfalls gegen die Subventionen geklagt hat, erklärte in einer Aussendung: “Am Ende hat sich nicht energiewirtschaftliche Vernunft durchgesetzt, sondern die Interessen der Atomlobby und der beteiligten Investoren.”

CGN hätte nach den ursprünglichen Plänen an Hinkley Point 33 Prozent halten und damit die Tür für ein weiteres Projekt mit chinesischer Nukleartechnologie öffnen sollen. Es gab aber auch Sorgen, dass die staatliche chinesische Gruppe damit Zugang zu Computersystemen erhalten würde, die es ermöglichen, die britische Stromproduktion abzuschalten.

EDF und CGN sollten für die 18-Mrd.-Pfund (21 Mrd. Euro) schwere Investition aufkommen, aber Großbritannien hätte für 35 Jahre einen Mindestabnahmepreis für den Strom garantiert. Kritiker wiesen darauf hin, dass die Investition damit übersubventioniert worden wäre, weil der Garantiepreis beim Doppelten des aktuellen Marktpreises lag.

Gebilligt hatte die britischen Subventionen noch die frühere Europäische Kommission unter Präsident Jose Manuel Barroso. Aus Sicht Österreichs sind alternative Energieformen förderungswürdig, nicht aber die Kernkraft. Außerdem wurde der Kritikpunkt der Wettbewerbsverzerrung geäußert. Als die Bundesregierung Anfang Juli 2015 ihre Nichtigkeitsklage beim EuGH einbrachte, erklärte der damalige Kanzler Werner Faymann (SPÖ): Subventionen sollten “moderne” Technologien unterstützen, die im “allgemeinen Interesse aller EU-Staaten” liegen. “Das trifft bei Atomkraft in keiner Weise zu.” Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) ließ damals wissen, die Subvention für Hinkley Point C stehe im Widerspruch zum Beihilfenrecht der Union, sei ein Präzedenzfall für weitere AKW-Neubauprojekte und könne einen Subventionswettlauf im gesamten europäischen Stromsektor bewirken, hieß es darin weiter.

Nach dem angekündigten Austritt Großbritanniens aus der EU dürfte die Klage allerdings den Boden unter den Füßen verlieren. Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) sieht das aber nicht so: Großbritannien sei nach wie vor an die EU-Wettbewerbsregeln gebunden, und dies sei “sogar für die Zeit nach einem realisierten EU-Ausstieg in etlichen Jahren weiterhin wahrscheinlich” so. “Eine zweite Ausstiegsoption” sieht Anschober auch nach einem Regierungswechsel in Paris nach der französischen Präsidentenwahl im Mai 2017.

Die französische Regierung und der französische Staatskonzern EDF sahen mit dem gebilligten Großprojekt Hinkley Point Europas Atomwirtschaft vor einem Comeback. Wirtschaftsminister Michel Sapin sprach von einem Meilenstein der energiepolitischen Zusammenarbeit mit Großbritannien. EDF-Chef Jean Bernard Levy würdigte die Entscheidung Londons als Wendepunkt für die Atomindustrie in Europa. Hier hatten Sicherheitsbedenken nach der Fukushima-Katastrophe im März 2011 die Nuklearenergie in den Hintergrund gedrängt. Deutschland etwa beschloss den Atomausstieg.

Levy betonte, sein Konzern wolle seine Kontrollmehrheit bei Hinkley Point behalten. Derzeit liege der Anteil bei 66 Prozent, er werde in jedem Fall über 50 Prozent bleiben.

In Frankreich und sogar bei EDF selbst war das Projekt unter Federführung von EDF freilich nicht unumstritten: Es gibt Zweifel, ob der finanziell schon durch die Übernahme des AKW-Bauers Areva belastete Staatskonzern die Milliardeninvestition überhaupt stemmen kann.

Der chinesische Partner von EDF bei Hinkley Point, der Staatskonzern CGN (China General Nuclear Power), begrüßte die Entscheidung der britischen Regierung ebenfalls. Die neuen Eigentumsregeln stellten kein Problem für die eigenen Expansionspläne dar. Die Investition von acht Milliarden Dollar in Hinkley Point soll für die Chinesen nämlich nur der Start für einen breiteren Einstieg in den britischen Atommarkt sein. So will das Unternehmen mit EDF weitere Meiler bauen und bei einem Projekt auch die Führung übernehmen.

Das Projekt war eigentlich schon 2015 vom damaligen britischen Premierminister David Cameron abgesegnet worden. Gegner kritisierten jedoch unter anderem den Einfluss, den das kommunistische China damit auf die Nukleartechnik der europäischen Atommacht bekommen würde. Camerons Nachfolgerin May hatte schon als Innenministerin unter Cameron Zweifel bekundet. Unmittelbar nach ihrer Amtsübernahme im Zuge des Brexit-Votums stoppte sie das Projekt kurz vor Vertragsunterzeichnung, was die Beziehungen zu Frankreich und China belastete und Zweifel an ihrer Haltung gegenüber geplanten Milliardeninvestitionen aus der Volksrepublik schürte.

Nun sicherte May dem französischen Präsidenten Francois Hollande ihre Unterstützung für das Projekt per Telefon persönlich zu, wie ein Hollande-Berater sagte. Ihren Meinungswandel begründete einer ihrer Sprecher damit, dass Großbritannien nun weitgehende Rechte zur Kontrolle von Hinkley Point C ausgehandelt habe. So könne die Regierung einen Verkauf der EDF-Kontrollmehrheit verhindern. Zudem werde sie sich in allen künftigen Atomprojekten einen “Sonderanteil” sichern, um Besitzerwechsel stoppen zu können. Die Zusage für das umstrittene Projekt geht also mit einer Justierung der Investitionspolitik einher, die Industrieminister Greg Clark als großen Gewinn für die nationalen Interessen des Landes pries.

Der beiden neuen Meiler sollen 2019 in Bau gehen und rund sieben Prozent der britischen Stromversorgung übernehmen. Bis 2025 will Großbritannien seine Kohlekraftwerke stilllegen und muss den Wegfall der dort produzierten Energie kompensieren.

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