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"Bravo" wird 50

Sie ist wohl die einzige 50-Jährige, die Jugendliche wirklich "cool" finden. Trotz fortgeschrittenen Alters darf "Bravo" als Ratgeber in Sachen Stars und Sex nicht nur mitreden, sondern den Ton angeben.

Seit einem halben Jahrhundert ist die „Bravo“ gleichzeitig Trendsetter und Spiegel der Jugendkultur. Am Samstag (26. August) feiert das Kultmagazin seinen 50. Geburtstag.

„Haben auch Marylins Kurven geheiratet?“, fragte das Titel-Cover der ersten Ausgabe im Jahr 1956. Das strahlende Antlitz der frisch vermählten Monroe lächelte die potenziellen Leser an. Auf Seite 38 im Heft dann die beruhigende Antwort aus London: „Ich weiß genau, dass mir Rollkragenpullover nicht so gut stehen“, bekannte sich der Filmstar weiter zur Freizügigkeit. Die Ära „Bravo“ hatte begonnen.

„Deutschland war ein anderes, als die „Bravo“ erstmals erschien. Das Nachkriegsdeutschland war belastet und geprägt von einem konservativen Denken“, erklärt der Chefredakteur des Magazins, Tom Junkersdorf (37), warum das Blatt damals einer kleinen Revolution gleichkam. Die Jugendlichen seien im Gegensatz zum trist-biederen Alltag der 50er Jahre von einer Sehnsucht nach Spaß, Lässigkeit und Glamour getrieben gewesen. Musik- und Filmstars aus Übersee und alles, was an amerikanischem Lebensgefühl nach Deutschland schwappte, bestimmte die Mode. Und „Bravo“ half beim Import.

Eigentlich sollte die „Zeitschrift für Film und Fernsehen“ „Filmstar“ heißen. Peter Boenisch, 2005 gestorbener Erfinder und erster Chefredakteur, bestand aber auf den Namen „Bravo“. Die Entscheidung entpuppte sich als weise, denn schon bald entwickelte sich das Blatt mehr zum Musikmagazin. „Deutschlands größte Zeitschrift für junge Leute sorgt für die Beatsensation des Jahres“, kündigten Plakate im Jahr 1966 an. Erstmals starteten die Beatles eine Tournee durch Deutschland – „Bravo“ hatte die Konzerte in München, Hamburg und Essen organisiert. Wie der Erfolg der Beatles, war auch die „Bravo“ nicht zu bremsen: Lag die Startauflage des ersten Heftes bei 64.000 Exemplaren, erreichte das Magazin in den 70ern eine Auflage von mehr als einer Million Hefte.

Mitte der 90er kam dann die Zäsur: Die Auflage brach drastisch ein. Der Posten an der Spitze des Magazins wurde zum Schleudersitz – allein seit 2000 hatte die „Bravo“ vier Chefredakteure. 2006 liegt die Auflage bei 511.000 Heften. Junkersdorf jedoch beobachtet die Entwicklung gelassen: „Keiner der großen deutschen Titel kann sich mit Auflagenergebnissen der vergangenen Jahre messen.“ Zudem sei aus „Bravo“ eine komplette Markenfamilie geworden, die stetig Zuwachs bekam. Zu „Bravo Girl“ und „Bravo TV“ gesellten sich „Bravo Sport“, „Bravo Screenfun“ und ein eigenes Hip-Hop-Magazin. Nach Angaben des Heinrich Bauer Verlags erreicht die „Bravo-Familie“ insgesamt 2,57 Millionen Leser.

Legendär und auch den meisten „Bravo“-Verweigerern ein Begriff ist die Rubrik „Dr. Sommer“. Mit dem „Knigge für Verliebte“ begann das Blatt 1962 seine Aufklärungsarbeit. „Kann man von Petting schwanger werden?“ – eine Flut von bis zu 400 Briefen, in denen die Leser ihre intimen Sorgen offenbaren, überschwemmt die „Bravo“ jede Woche. Die Probleme der Heranreifenden haben sich über die Jahrzehnte kaum verändert. „Es geht bei Dr. Sommer hauptsächlich um Gefühle. Liebeskummer fühlt sich heute noch genauso an wie früher“, sagt die Leiterin des vierköpfigen Dr. Sommer-Teams, Eveline von Arx.

„Wir leben zwar in einer Zeit in Deutschland, die stark sexualisiert ist, was aber nicht bedeutet, dass die wichtigen Fragen rund um Aufklärung beantwortet sind“, betont auch Junkersdorf. Eben weil die Jugendlichen durch Fernsehen und Internet ständig mit Sexualität und Nacktheit konfrontiert seien, würden sie sich noch weniger als früher trauen, Wissenslücken in diesem Bereich zuzugeben.

Stärker als die Bedürfnisse der Teenager habe sich dagegen die Wahrnehmung der Aufklärungsarbeit durch die Erwachsenen verändert. Noch 1972 landete eine Ausgabe der „Bravo“ wegen eines Berichts zum Thema Selbstbefriedigung auf dem Index. In der Begründung für das Verbot beriefen sich die Sittenwächter auf Forschungen, denen zufolge Onanie zu „depressiver Stimmung, paranoiden Reaktionen“ und „Rückenmarksschwindsucht“ führen könne. Seither habe das Blatt weiter an der sexuellen Befreiung gearbeitet, heißt es bei „Bravo“. Mit welchem Erfolg, bringt von Arx schmunzelnd auf den Punkt: „Heute wird das Dr. Sommer-Team zum evangelischen Jugendtag eingeladen.“

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