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Brandstätter: "Kickl hätte nie Innenminister werden dürfen"

Helmut Brandstätter beim Interview zum Wahlkampf am 13. September in Lauterach
Helmut Brandstätter beim Interview zum Wahlkampf am 13. September in Lauterach ©NEOS
Der Ex-Herausgeber und Chefredakteur des Kurier und nunmehriger Listenzweiter der Neos, Helmut Brandstätter, über die „Aggressivität“ von Herbert Kickl, seine Zeit als Chefredakteur, sein neues Buch und seine Sympathie für Alexander Van der Bellen.
NEOS-Wahlkampf in Vorarlberg

Von: Lucas Ammann

Am 13. September sind die Vorarlberger Neos in den Intensivwahlkampf für die Landtagswahl gestartet. Unterstützt wurde die Landessprecherin Sabine Scheffknecht bei einer Veranstaltung in Lauterach von Neos-Nationalrat Gerald Loacker, dem Listenzweiten Helmut Brandstätter und von der EU-Mandatarin Claudia Gamon.

Sie waren ja bis vor kurzem noch Herausgeber des Kurier: Ist es anstrengender, zeitintensiver über den Wahlkampf zu schreiben oder selbst aktiv an der Spitze wahlzukämpfen?

Helmut Brandstätter: Ihn selber zu machen. Es ist einfach leichter zu beobachten und zu beurteilen als etwas selber zu machen. Wenn man darüber schreibt, ist es auch nicht so leicht messbar. Wenn man ihn selber macht, dann muss man einem Ergebnis entgegenzittern und analysieren, was man richtig und falsch gemacht hat.

Die Arbeit des Chefredakteurs ist aber sehr anstrengend, weil sie jeden Tag stattfindet. Es erscheint jeden Tag eine Zeitung und daher gibt es kaum einen freien Tag. Und es gibt jeden Tag Interesse von Wirtschaftsleuten, Pressesprechern und Politikern entweder um eine Geschichte unterzubringen oder um sich über eine zu beschweren oder Einfluss zu nehmen. Und da muss man jeden Tag dagegenhalten. Und das gilt auch für den Urlaub: Es gab keinen Urlaub, wo nicht auch jemand angerufen hat. Und im kleinen Österreich, wo jeder jeden kennt, entkommt man auch keinem Politiker.

Sie sagten über Sebastian Kurz, wie Sie ihr Buch präsentiert haben, er hätte versucht auf Redaktionen Einfluss zu nehmen, auch auf den Kurier. Was haben Sie ihm geantwortet?

Helmut Brandstätter: Meistens war ich eh höflich. Manchmal aber auch nicht, weil ich sein, vor allem aber auch das Auftreten seiner Mitarbeiter als übergriffig empfunden habe. Man wollte ganz bewusst in die Redaktionen hineinwirken. Das haben frühere Regierungen auch gemacht, aber das „Freund-oder-Feind-Denken“ hat sich verändert. Heute gilt: Entweder du bist unser Freund oder unser Feind und dann wirst du auch bekämpft.

Hatten Sie in der Redaktion auch Angst vor einer Hausdurchsuchung?

Helmut Brandstätter: Es gab eine Phase rund um die BVT-Affäre, wo zwei Redakteure bei mir waren und gesagt haben, dass sie hören, dass darüber geredet wird, dass das möglich wäre. Und da habe ich beschlossen, dass wir in meinem Zimmer in einen Kasten Dokumente hinlegen und absperren. Ich habe gesagt, wenn der Polizist hereinkommt und den Kasten aufbricht, werden wir das aufnehmen und veröffentlichen. Ich weiß nicht, ob es wirklich geplant war, aber laut unserer Information ist zumindest darüber geredet worden.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Herbert Kickl hinter den Kulissen?

Helmut Brandstätter: Ich habe mich mit Herbert Kickl erst einmal getroffen. Ich habe mit ihm in meiner Zeit als Journalist nie geredet, weil er nicht wollte. Ich habe ihn angefragt und er hat abgesagt. Eine Zeit lang hat er gar niemandem vom Kurier ein Interview gegeben. Erst als ich nicht mehr Chefredakteur war, hat er dann einer Kollegin ein Interview gegeben. Das ist mehr die Persönlichkeit des Herbert Kickl als ein rationales Denken. Man muss ihm ja nur in die Augen sehen und weiß, dass er offenbar eine innere Mission hat, von der er selber offenbar nicht weiß, was sie genau ist. Ich habe mir schon sehr große Sorgen gemacht, dass jemand mit so einer Aggressivität und Unberechenbarkeit für die innere Sicherheit von Österreich zuständig sein darf. Die Ernennung zum Innenminister war ein großer Fehler von Sebastian Kurz aber auch von Alexander Van der Bellen.

Mit welchen Spitzenkandidaten sind Sie eigentlich per Du?

Helmut Brandstätter: Mit allen Spitzenkandidaten außer jenem der FPÖ. Aus der FPÖ fällt mir überhaupt niemand ein, mit dem ich per Du bin. 

Wie würden Sie Ihr Buch in drei möglichst kurzen Sätzen zusammenfassen?

Helmut Brandstätter: Eine sehr detaillierte Erklärung der verschiedenen Facetten der Regierung Kurz-Strache-Kickl und eine massive Warnung, dass dieses schiefgegangene Experiment wiederholt werden sollte. Das alles wird genau begründet - von rechtsstaatlichen Gründen, über wirtschaftliche bis hin zu sicherheitspolitischen Gründen. Deshalb wäre es ganz schlecht für Österreich, wenn dieses Projekt wiederholt werden würde.

Und das Programm der Neos zusammengefasst?

Helmut Brandstätter: Das Programm der Neos ist das Programm einer liberalen Partei, wo aber auch auf Zusammenhalt und Gesellschaft großen Wert gelegt wird. Es soll mehr Freiheit in verschiedenen Bereichen des Lebens geben - auch in Summe weniger Steuern. Gleichzeitig soll aber auch dort, wo staatlicher Einfluss sinnvoll ist - etwa im Umweltbereich - dieser staatfinden. Daher lehne ich die Bezeichnung „neoliberal“ für das Programm der Neos ab.

Sie kritisieren Sebastian Kurz sehr für sein Medienverständnis. Wären Sie dann überhaupt bereit, in eine Koalition mit der Kurz-ÖVP zu gehen?

Helmut Brandstätter: Das ist so weit weg - jetzt warten wir zunächst auf das Wahlergebnis. Ich kann dazu nur folgendes sagen: Mein Buch ist keine Abrechnung - sondern eine Bewertung. Sie werden keinen einzigen Satz finden, wo ich Herrn Kurz persönlich attackiere, während Heinz-Christian Strache gesagt hat, Kurz wäre ein „Ohrwaschlkaktus“ und würde politisch „über Leichen gehen“. Und mit dieser Person, die ihn beschimpft hat, hat Sebastian Kurz dann eine Koalition gebildet.

Sebastian Kurz hat jederzeit die Möglichkeit, mit mir zu diskutieren - wie ich höre, will er aber nicht, was nicht für ihn spricht.

Sie sind ja jetzt, gerade im Straßenwahlkampf oder auch heute, direkt mit den Menschen in Kontakt. Wie geht es Ihnen dabei, ist es doch ein Unterschied zum Chef einer der mächtigsten Zeitungen Österreichs?

Helmut Brandstätter: Diesen Unterschied habe ich auch schon gemerkt, als ich eine Agentur gegründet habe. Da musste ich auch Unternehmen ansprechen und ihnen etwas anbieten. Es ist jetzt so, dass ich Leute anspreche, da gibt es aber Mitarbeiter und Luftballons, Broschüren und Äpfel. Wenn mich die Menschen erkennen, ist es leichter. Aber auf das Zugehen auf Menschen fällt mir nicht so schwer.

Wann steht man denn so im Wahlkampf auf und wann kommt man ins Bett?

Helmut Brandstätter: Gestern war es ein Uhr, weil eine Veranstaltung relativ lange gedauert hat und dann musste ich noch meinen Tagesreport schreiben. Den schreibe ich immer am Vortag. Und in der Früh war es nicht so schlimm, da konnte ich um 7:30 Uhr aufstehen.

Sie gelten ja gewissermaßen als Nachfolger von Irmgard Griss. 2022 wird voraussichtlich ein neuer Bundespräsident gewählt. Wollen Sie kandidieren?

Helmut Brandstätter: Ich glaube, der Respekt vor dem Bundespräsidenten und dem Amt des Bundespräsidenten gebietet es, nicht darüber zu spekulieren. Ich habe Alexander Van der Bellen 2016 schon gewählt und würde ihn wieder wählen - würde er wieder kandidieren.

Welche Parteien haben Sie eigentlich noch nie gewählt? Helmut Brandstätter: Die FPÖ und die KPÖ.

(Red.)

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