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BP-Wahl: Wahlwiederholung immer wahrscheinlicher

Kommt es zu einer Neuauflage der Stichwahl
Kommt es zu einer Neuauflage der Stichwahl ©APA
Die öffentliche Verhandlung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) über die Anfechtung der Hofburg-Wahl durch die FPÖ dauert länger als ursprünglich geplant: Denn der VfGH lädt nicht nur 50, sondern 90 Zeugen und wird deshalb nicht nur von Montag bis Mittwoch, sondern auch am Donnerstag noch öffentlich verhandeln. Zudem werden immer mehr Stimmen laut, die eine Wahlwiederholung für wahrscheinlich halten.
VfGH-Verhandlung öffentlich
FPÖ ficht BP-Stichwahl an

Nach heutigem Stand der Dinge werden die Zeugenbefragung am Mittwoch bis zu Mittag dauern; wie lange man am Donnerstag braucht, ist noch offen, sagte VfGH-Sprecher Christian Neuwirth der APA am Donnerstag. Befragt werden Mitglieder von Bezirkswahlbehörden. Die FPÖ hat in ihrer Anfechtung angeführt, dass Wahlkarten am Montag nach der Stichwahl zu früh (also vor 9.00 Uhr) geöffnet bzw. teils auch ausgezählt wurden.

Am Montag, 20. Juni, wird VfGH-Präsident Gerhart Holzinger um 8.30 Uhr die Verhandlung mit Vorbemerkungen eröffnen. Dann wird zügig mit der Zeugenvernehmung begonnen. Für den ersten Tag sind Mitglieder der Bezirkswahlbehörden von Südoststeiermark, Innsbruck-Land, Villach-Stadt, Kitzbühel, Villach-Land und Schwaz geladen. Für Dienstag, Mittwoch und Donnerstag stehen Landeck, Wien-Umgebung, Hermagor, Hollabrunn, Wolfsberg, Freistadt, Liezen, Bregenz, Kufstein, Graz-Umgebung, Gänserndorf, Leibnitz, Völkermarkt und Reutte am Plan.

Befragt werden die Zeugen zunächst von den Verfassungsrichtern – alle 14 können sich zu Wort melden -, danach haben die Anwälte der beiden Hofburg-Bewerber Gelegenheit für Fragen. Alexander Van der Bellen (Grüne) wird von Maria Windhager vertreten, Norbert Hofer (FPÖ) von einem Anwalt aus der Kanzlei Böhmdorfer.

Um rasche Entscheidung bemüht

Mit einem Erkenntnis des VfGH am Donnerstag kann nicht gerechnet werden. Denn anders als bei einem Strafprozess gibt der VfGH üblicherweise seine Entscheidung nicht am Ende der Verhandlung bekannt. Die 14 Verfassungsrichter werden sich zu Beratungen zurückziehen und angesichts des geplanten Angelobungstermins 8. Juli um eine rasche Entscheidung bemühen.

Was die Berichterstattung betrifft, muss sich der VfGH an dieselben Regeln halten wie die Strafgerichte: Bild- und Tonaufnahmen sind nur kurz zu Beginn erlaubt – der bekannte “Kameraschwenk” -, aber während der Verhandlung darf nicht fotografiert oder gefilmt werden. Live-Tickern ist gestattet, wenn dadurch die Verhandlung nicht gestört wird.

Wahlwiederholung immer wahrscheinlicher

Laut einem Bericht der “Presse” herrscht unter Insidern Fassungslosigkeit darüber, wie und in welchem Ausmaß sich die Wahlbehörden über die Vorschriften zum Umgang mit Briefwahlstimmen hinweggesetzt haben.  Für eine erfolgreiche Anfechtung genügt es, wenn eine “Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluss sein könnte”. Dabei muss gar keine Manipulationsabsicht vorliegen.

Da Van der Bellen und Hofer nach dem offiziellen Endergebnis um genau 30.863 Stimmen auseinanderlagen, reichen für eine Anfechtung 15.432, die auf relevant rechtswidrige Weise ausgezählt wurden. Eine Wahlwiederholung scheint also alles andere als ausgeschlossen.

Wiederholung wenn, dann “noch im Herbst”

“Was wäre, wenn”, diese Frage hält derzeit die österreichische Innenpolitik in Atem und wird somit auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gestellt. Sollte die Bundespräsidenten-Stichwahl tatsächlich aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) wiederholt werden müssen, dann wäre der neue Termin “im Herbst”, sagte er dazu am Mittwoch in der “Zib 2”.

Es gebe “nötige Fristen”, aber das Ministerium werde, “nachdem der VfG seinen Spruch gefällt hat”, unverzüglich die Vorbereitungen aufnehmen, so der Minister. Er “schätze, dass das im Herbst noch stattfinden kann”. Die Frage, ob bis dahin auch schon Änderungen bezüglich der Briefwahl beschlossen sein könnten, beantwortete er zurückhaltend. Allerdings müsse ohnehin – nach Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung – geändert werden und man solle alles daran setzen, Möglichkeiten für neue Regeln zu nutzen, meinte er.

Grüne sehen Mehrheit für VdB außer Zweifel

Die Grünen haben sich am Donnerstag gegen die Argumente der FPÖ für ihre Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl zur Wehr gesetzt. Es sei völlig unumstritten, dass die Mehrheit der Österreicher für Alexander Van der Bellen gestimmt habe und dass es keinen Wahlbetrug oder Manipulationen gegeben habe, betonte der geschäftsführende Parlamentarier der Grünen, Dieter Brosz, vor Journalisten.

Was es aber gebe, sei der schon lange bestehende Versuch der FPÖ, das Briefwahlsystem zu desavouieren. Spannend sei, dass es eine “absolute Mitwirkung” der freiheitlichen Kommissionsmitgliedern bei allen später beeinspruchten Handlungen und Beschlüssen rund um die Auszählung der Briefwahlstimmen gegeben habe, so Brosz. “Es gibt keinen einzigen, wo die FPÖ nicht mitbeschlossen hat.”

Plausibilität des Vorwurfs bemängelt

Brosz bemängelte die Plausibilität des Vorwurfs deutlicher Unregelmäßigkeiten in einigen Bezirken, etwa in Villach (Stadt), Hermagor, Villach Land oder Wolfsberg. Aus statistischer Sicht gebe es keine Hinweise darauf, dass die Unterschiede zwischen Urnenwahlergebnis und Wahlkartenergebnis in den angefochtenen Bezirken ein anderes Muster aufwiesen, als die entsprechenden Unterschiede in den restlichen Bezirken, verwies Brosz auf Aussagen des Statistikers Erich Neuwirth.

“Ich glaube, dass es ohne Plausibilitätsprüfung nicht gehen wird”, so Brosz zu einer allfälligen Aufhebungsentscheidung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Denn: “Wenn die Prämisse ist, dass jede Abweichung zur Neuaustragung einer Wahl führt, haben wir lustige Zeiten vor uns.” Außerdem öffne dies Tür und Tor für Manipulationen. Ein Wahlkommissionsleiter könnte dann eine Wahlwiederholung erzwingen, indem er Kuverts bewusst vorzeitig öffne. Brosz verwies auch auf die bisherige Judikatur des VfGH. Abweichungen vom gesetzlich vorgegebenen Wahlprozedere habe es wohl gegeben, “aber das war noch nie ein Grund für eine Wahlaufhebung”.

Der Grüne erwartet jedenfalls eine rechtzeitige Entscheidung des VfGH für den Angelobungstermin am 8. Juli. Sollte es zu einer Aufhebung kommen, dann sei eine Teilwiederholung der Stichwahl möglich. Die jeweils betroffenen Wahlkartenwähler seien nämlich genau registriert, betonte er.

Vorwurf der Grünen: “Taschenspielertricks”

FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer agiere mit Taschenspielertricks, so der weitere Vorwurf des Grünen, denn er zähle seine Vorwürfe mehrfach. Nach Zählung der Grünen geht es etwa um 109.000 vorzeitig aufgeschnittene Kuverts, nicht um rund 290.000. Den Vorwurf der mehr als 570.000 vorsortierten Kuverts ließ Brosz gar nicht gelten, denn die sei rechtskonform erfolgt und (bis auf drei Bezirke) auch nachträglich nachvollziehbar.

Der Vorwurf, dass psychischer Druck Richtung Stimmabgabe für Van der Bellen ausgeübt worden sei, wertete er als “absurd”. Und zur Kritik der vorzeitigen Ergebnisveröffentlichung präsentierte er jene durch den FPÖ-Vizebürgermeister von Geinberg.

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