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Bosnische Bilder aus Stoff

Feldkirch/Altach - Lucia Feinig-Giesingers Quilts erfüllen nicht nur das Leben der Altacherin, sondern auch das vieler Frauen in Bosnien.

„Das sind jetzt meine Bilder“, sagt Lucia Feinig-Giesinger und streift mit der Hand über das feine Muster des gelben Quilts, der an der Wand hängt. Daneben liegen zusammengefaltet weitere Patchworkdecken. „Ich wollte etwas, das nicht auf Mitleid aufbaut. Sonst hätte es auch nicht überlebt“, sagt die 57-jährige Altacher Künstlerin, die sich ursprünglich der Malerei verschrieben hatte.

Überlebt haben sie, die „Bosna Quilts“, seit über 18 Jahren. Damals trafen sich Vorarlberger Künstler und Flüchtlinge bei einem Kunstprojekt. Man sollte Techniken verwenden, die die bosnischen Frauen schon kannten, wurde Feinig-Giesinger gesagt. Das wollte sie aber überhaupt nicht. „Ich fand das irgendwie schräg und dachte mir, dass es das Heimweh für die Frauen nur verschlimmert.“ Stattdessen wählte sie etwas völlig Neues – sowohl für sich selbst als auch für die Flüchtlingsfrauen: Quilts. Die Altacherin hatte zuvor gemalt, mit Stoffen kaum Erfahrung. „Ich hatte keine Ahnung von Patchwork. Wir haben einfach wortlos angefangen zu arbeiten.“ Schon beim ersten Treffen lernte die Altacherin ein paar Phrasen auf bosnisch und schrieb sie auf die Hinterseite der ersten Entwürfe. „Dopada li ti se?“, steht da. „Das heißt ‚Gefällt es dir?‘. Ich wollte, dass die Frauen das, was ich bringe, gern in der Hand haben“, erklärt die Künstlerin. „Vesna konnte kaum Deutsch, sagte aber immer: ‚Ich bordeaux‘. Also bekam sie rote Decken.“

Von einer Garage nach Gorazde

In einer Garage im Flüchtlingsheim trafen sich die Frauen in den 90ern fast jeden Vormittag und steppten die Muster zusammen, die Feinig-Giesinger entwarf. Die Kommunikation geschah meist wortlos. „Reden konnten wir sowieso nicht. Ich habe geschaut, dass die Arbeit gut wird. Das ist das Kleine, das ich beitragen kann. Angst, Sorgen und Perspektivenlosigkeit waren deshalb nicht weg, aber die Frauen hatten etwas, das sie selbst in die Hand nehmen konnten.“ Perspektivenlos sind zumindest zwölf der Frauen heute nicht mehr. Denn was keiner zu Beginn gedacht hatte: Die „Bosna Quilts“ werden heute noch von Hand genäht. Aus dem Projekt wurde ein Verein, der nach zeitweiser Unterstützung heute auf wirtschaftlich eigenen Beinen steht.

Die Bosnierinnen kehrten nach Kriegsende in ihre Heimat zurück. Safira Hošo ist es zu verdanken, dass es weiterging. Noch in Vorarlberg sagte sie zu Feinig-Giesinger: „Wenn wir nach Hause gehen, bleiben wir zusammen.“ Und so passierte es. Die Altacherin entwirft weiterhin Patchworkdecken, in Bosnien nähen sie zwölf Frauen unter Koordination von Safira zusammen: „Jede Decke ist ein Unikat. Sie sind mit Hunderten Linien, die sich über die Stoffe ziehen, gesteppt. Das Muster der Nähte kommt von den Frauen“, meint Feinig-Giesinger, der erst kürzlich für ihr Engagement das Silberne Ehrenzeichen des Landes verliehen wurde.

Das ganze Jahr über bekommt sie Post aus Bosnien. „Es sind flächige Briefe. Ich schicke die lose festgesteckten Quilts, sie schreiben mir zurück, in Form der gesteppten Nähte.“ Zwei Mal pro Jahr fährt die Altacherin immer noch nach Gorazde. „Wenn die Frauen mich dann abholen und wir alle gemeinsam im Garten sitzen, dann fällt mir erst auf, dass ich mit ihnen nicht reden kann.“

Zur Person

Lucia Feining-Giesinger ist eine Künstlerin aus Altach und Gründerin der Bosna Quilt Werkstatt.

Geboren: 4. Februar 1953

Laufbahn: Pädak, Studium Kunsterziehung in Salzburg (ohne Abschluss)

Familie: verheiratet, drei Kinder

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