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Bollwerke in luftiger Höhe

(VN) Schruns – Wenn die mächtigen Staumauern der Talsperren im Hochmontafon, etwa jene des 42 Millionen Kubikmeter Wasser fassenden Kops-Speichers, bersten und vollständig einstürzen würden, wäre die Verwüstung und das Verderben durch die alles mitreißenden Wasser- und Schlammmassen bis nach Feldkirch von gewaltigem Ausmaß.
Grafik: Dammbruch-Szenario Montafon

Einmal im Jahr, im November, simulieren die Illwerke als Betreiber der Kraftwerksanlagen den Vorschriften und Richtlinien der im Land- und Forstwirtschaftsministerium angesiedelten Staubeckenkommission entsprechend mittels Flutwellenalarm den größten anzunehmenden Katastrophenfall, für die betroffenen Gemeinden gibt es speziell ausgearbeitete Fluchtpläne.

Sicherheit oberste Priorität

„Dieses Schreckens-Szenario, ausgelöst etwa durch ein massives Erdbeben in der Region, ist allerdings eine rein fiktive Annahme“, bekräftigt Dr. Ernst Pürer, Leiter Bautechnik/Engineering und Talsperrenchef der Vorarlberger Illwerke. „Die Sicherheit der Talsperren hat oberste Pri­orität.“
Die dicken Betonwände der Staumauern müssen große Temperaturschwankungen und hohe Wasserdrücke aushalten. Und vor allem auch bei seismischen Aktivitäten muss gewährleistet sein, dass die, wie im Fall Kops, bis zu 122 Meter hohen Bauwerke nicht bersten können. Die Absperrwerke der vier Großspeicheranlagen Kops-, Silvretta, Lüner- und Vermuntsee haben ein Durchschnittsalter von über 50 Jahren. Ihre Standfestigkeit ist gleichsam im Fels einzementiert.
Mittels eines unterirdischen Dichtschirms, durch den über tiefgreifende Betoninjektionen vorhandene Klüfte verfestigt und so der Untergrund gegen Durchsickerungen abgedichtet ist, wird maximale Stabilität erzeugt.

30-Millionen-Investition

Dr. Ernst Pürer: „Eine Gewichtsstaumauer darf keinen Auftrieb, also Wasserdruck von unten bekommen, der zu Verschiebungen führen könnte.“ In der Vorsorge einer ­grundsoliden Standsicherheit auf weitere Jahrzehnte hinaus wird daher beispielsweise bei der Silvretta-Talsperre gegenwärtig eine 30 Millionen Euro teure Ertüchtigung durchgeführt.
Wie sieht es nun aber konkret hinsichtlich der Erdbebensicherheit der vorhandenen Absperrwerke im Hochgebirge aus? Eingedenk auch dessen, dass es im Fall eines Talsperrenbruchs keinen Versicherungsschutz gebe. „Ich getraue mir zu sagen, dass die Menschen im Tal darauf vertrauen dürfen, dass die Bauwerke so gebaut und darauf ausgerichtet sind, allen bei uns vorstellbaren Ereignissen zu widerstehen“, erklärt der Talsperrenchef.

So besteht zwischen der Tragwirkung eines Gebäudes und der einer Staumauer ein grundlegender Unterschied. Während Häuser oder Brücken vor allem Vertikallasten aufnehmen und ins Fundament umleiten müssen, sind es bei Staumauern die aus dem Wasserdruck herrührenden Horizontalkräfte. Durch ihre Konstruktion verfügen die Talsperren über große Tragreserven, die sie auch gegen die horizontal auftretenden Erdbebenkräfte als Bollwerk wirken lassen.

„Die vor einigen Jahren nach international gültigen Bemessungskriterien erfolgte Sicherheitsbeurteilung und Berechnung unserer Anlagen ergab, dass Silvretta, Vermunt, Kops, Rifabecken und Bielerdamm einem Erdbeben der Stärke 5 sowie Lünersee und Latschau der maximal angenommenen Belastung eines Bebens der Stärke 5,5 nach Richter standhalten“, erläutert Ernst Pürer. Der bislang höchste verzeichnete Magnitudenwert in Vorarlberg liegt übrigens bei 4,6.

Um die allgemeine Sicherheit der Staumauern zu gewährleisten, setzen die Illwerke auf ein ausgeklügeltes Kontrollsystem aus Messgeräten und dem Einsatz speziell ausgebildeter Talsperrenwärter.

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