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Blümel: Keine nationalen Positionen als Vorsitz

Blümel will auch im Sommer viel arbeiten
Blümel will auch im Sommer viel arbeiten ©APA
Österreich stellt seine nationalen Positionen während des EU-Ratsvorsitzes in den Hintergrund. "Da ändert sich die Rolle für diese sechs Monate", sagte Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) im APA-Interview. Als Ratsvorsitzender "spreche ich nicht für Österreich und vertrete nicht die nationale Position, sondern versuche zwischen den Positionen der Länder zu vermitteln".
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Man müsse zwischen der Präsidentschaft und der “Vorpräsidentschaftsphase” unterscheiden, erläuterte Blümel. In letzterer “wäre es geradezu unverantwortlich, nicht eigene österreichische Positionen zu beziehen”, sagte er mit Blick auf die klaren Positionen Österreichs in der Budget- oder Migrationsdebatte.

Fortschritte beim EU-Budget

Bezüglich des EU-Mehrjahresbudgets stellte Blümel in Abrede, dass Wien die Gespräche verschleppen wolle, um im nächsten Halbjahr seine Nettozahlerposition wieder mit mehr Nachdruck vertreten zu können. Der Ratsvorsitz habe das EU-Budget bei jeder Sitzung des allgemeinen Rates auf die Tagesordnung gesetzt, “um möglichst schnell Fortschritte beim mehrjährigen Finanzrahmen zu erzielen”, betonte der Europaminister. So sollen die Positionen der einzelnen Staaten klarer werden, um zu sehen, wo man Kompromissvorschläge machen könne.

Verhandlungspositionen

Entsprechend beantwortete Blümel auch auf die Frage, ob Österreichs Pochen auf eine EU-Budgetobergrenze von einem Prozent des Bruttonationaleinkommens in Stein gemeißelt sei. “Was jetzt diskutiert wird, sind die Verhandlungspositionen von verschiedenen Ländern, von der Kommission, vom Parlament. Weiter sind wir noch nicht. Was danach am Tisch liegt als Kompromissvorschlag, muss man dann bewerten, wenn er am Tisch liegt”, sagte er.

APA/ROLAND SCHLAGER
APA/ROLAND SCHLAGER ©APA/ROLAND SCHLAGER

Einheit bei Brexit-Gesprächen

Als eine der Hauptaufgaben des Ratsvorsitzes bezeichnete Blümel die Aufrechterhaltung der Einheit der 27 EU-Staaten in den Brexit-Gesprächen. “Das ist definitiv nicht gottgegeben. Da braucht es viel professionelle Arbeit, viele Telefonate, viel Austausch, viel Kommunikation.” Man wolle EU-Chefverhandler Michel Barnier unterstützen, “indem wir regelmäßig danach trachten, Positionen zu diskutieren, um eben die Gemeinsamkeit aufrechtzuerhalten”.

Kein Rosinenpicken

“Das oberste Gut ist die Einheit und die Gemeinschaft der 27”, betonte Blümel. Es könne nicht sein, dass die restlichen 27 Staaten “mehr leiden” und derjenige Staat, der gehe, “pickt sich die Rosinen raus”, sagte er mit Blick auf London. Daher habe der Ratsvorsitz nach der Vorlage des britischen Weißbuches zum Brexit gleich einen Ministerrat einberufen, bei dem die im Frühjahr beschlossene Verhandlungsposition bekräftigt worden sei. “Wenn jemand austreten will, okay, aber dann ohne die Dinge zu torpedieren, die davor gemeinsam beschlossen worden sind”, sagte Blümel unter Verweis darauf, dass der von den EU-27 verteidigte Rechtsbestand unter Mitwirkung Londons entstanden sei.

Gemeinsamer Vertrag

“Priorität ist für uns, dass wir möglichst schnell und so wie angekündigt im Oktober zu einem gemeinsamen Austrittsvertrag kommen”, sagte Blümel. “Das war immer das Ziel, und das muss es auch bleiben, solange es irgendwie geht.” Zwar sei der Austrittsvertrag zu 80 Prozent akkordiert, doch seien “noch ganz, ganz große Dinge offen, die wesentlich sind”, nannte Blümel die Grenze zu Nordirland, Gibraltar oder Zypern.

APA/HANS PUNZ
APA/HANS PUNZ ©APA/HANS PUNZ

Zurückhaltend bewertete er auch, dass Premierministerin Theresa May die Federführung in den Brexit-Verhandlungen übernommen hat. “Ich glaube nicht, dass es wesentliche Änderungen im Verhandlungsprozedere gibt”, sagte er. Schon bisher habe es nicht an Ansprechpartnern in London gemangelt, sondern an Positionen.

Arbeitsintensiv

Blümel zog eine “arbeitsintensive” Bilanz des Ratsvorsitz-Auftaktmonats. “Wir wollen auch über den Sommer de facto durcharbeiten”, sagte Blümel nicht nur mit Blick auf den Brexit und das EU-Budget, aber auch zahlreiche weitere EU-Gesetze, die noch vor der Europawahl beschlossen werden sollen. “Was in unserem Halbjahr nicht mehr beendet wird an Dossiers, das hat nur mehr sehr geringe Chancen auf einen Abschluss in dieser Periode. Deswegen ist der Druck ein hoher, aber auch die Beschlussfassungsdynamik eine hohe”.

Drei Schwerpunkte

Der Ratsvorsitz wolle in allen drei Schwerpunktbereichen (Schutz vor illegaler Migration, Schutz des europäischen Wohlstandes und Stabilität in der Nachbarschaft) “einen Schritt nach vorne machen”, gab Blümel als Ziel aus. Keine Festlegungen wollte er bezüglich des EU-Gipfels Ende September in Salzburg treffen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Migrationsdebatte bewege sei derzeit “eine wirklich große”. Daher könne man jetzt noch nicht sagen, was in Salzburg “genau herauskommt”, so Blümel. “Vieles ist ja schon passiert durch den Europäischen Rat im Juni. Die Schlussfolgerungen dort sind die Basis für die weitere Arbeit.”

APA/HERBERT NEUBAUER
APA/HERBERT NEUBAUER ©APA/HERBERT NEUBAUER

Rückendeckung für Juncker

Auf die Frage, ob er Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für befähigt halte, sein Amt auszuüben, verwies Blümel auf dessen “jahrzehntelange Regierungserfahrung” und seine Nominierung mit klarer Mehrheit zum Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei 2014. “Er hat es auf seine Art und Weise, oft pointiert, aber jedenfalls intensiv abgearbeitet”, sagte Blümel zu dem von FPÖ-Politikern nach Alkohol-Gerüchten zum Rücktritt aufgeforderten Politiker. “Er ist der Kommissionspräsident und er ist in vielen Bereichen ein sehr erfahrener Staatsmann.”

Keine Sorgen

Dass die Regierung an europapolitischen Differenzen zwischen ÖVP und FPÖ zerbrechen könnte, glaubt Blümel nicht. “Nein, aus Erfahrungen der letzten Monate und der sehr hohen Disziplin, die von beiden Parteien dargelegt wird, mache ich mir da keine Sorgen.” Auf die Frage nach möglichen roten Linien der ÖVP in der Europapolitik, etwa bei einem neuerlichen Liebäugeln der FPÖ mit einem Öxit, antwortete der Europaminister: “Rote Linien sind das Regierungsprogramm, und wenn man davon abgehen möchte, dann muss man das gemeinsam beschließen.”

(APA)

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