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Razzia bei Finanzminister Blümel wegen Spendenverdachts

Finanziminster Gernot Blümel
Finanziminster Gernot Blümel ©APA
In Österreich ist es am Donnerstag zu einer Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Minister gekommen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hielt Nachschau bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Es geht um Ermittlungen zu Novomatic. Blümel bestätigte der APA, dass er beschuldigt wird, wies die Spendenvorwürfe aber als falsch zurück. Die Opposition forderte den Rücktritt Blümels, den dieser ausschließt. Die Grünen wollen Aufklärung.

Experten über die politische Zukunft von Gernot Blümel:

Blümel weist Vorwürfe zurück

Blümel, der am Abend vor die Kameras trat, will den Rücktrittsforderungen "sicher nicht nachkommen", wie er sagte. Der Frage, ob es Spenden der Novomatic an parteinahe Vereine gab, wich Blümel aus. Er wiederholte in der knapp fünfminütigen Presseerklärung mehrfach, dass die Vorwürfe falsch und einfach zu widerlegen seien.

Die WKStA hatte Blümel für Donnerstagvormittag zu sich gebeten. Blümel sprach danach von einem "guten Gespräch" mit dem Staatsanwalt. Die "freiwillige Nachschau" bei Blümel zuhause ist im Anschluss an die Einvernahme durchgeführt worden. Dabei sind Unterlagen und elektronische Geräte sichergestellt worden. Die Razzia muss bereits länger geplant gewesen sein, für eine Hausdurchsuchung braucht es nämlich eine richterliche Anordnung. Wie "Der Standard" (Donnerstagsausgabe) berichtete, soll die WKStA deshalb auch nicht glücklich gewesen sein, dass Blümels Beschuldigtenstatus im Casinos-Akt vor zwei Tagen medial bekannt wurde.

Hausdurchsuchungen

Die WKStA teilte am Nachmittag mit, dass sie heute Hausdurchsuchungen "an mehreren Standorten in Privat- und Unternehmensräumlichkeiten" durchgeführt habe. Neben Blümel werden zwei weitere, in der Aussendung nicht genannte, Personen beschuldigt. Es geht um den Verdacht der Bestechlichkeit auf der einen Seite und um den Verdacht der Bestechung andererseits. "Den Ermittlungen liegt der Verdacht zugrunde, dass ein Verantwortlicher eines Glücksspielunternehmens Spenden an eine politische Partei im Gegenzug für die Unterstützung von Amtsträgern der Republik Österreich bei einer dem Unternehmen drohenden Steuernachforderung im Ausland angeboten habe", so die WKStA. "Die Hausdurchsuchungen wurden gerichtlich bewilligt und vorab der Oberstaatsanwaltschaft Wien berichtet."

Novomatic streitet Spenden ab

Der Anwalt Nobert Wess teilte indes mit, dass sein Mandant, der Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann, festhalte, "dass es weder von ihm persönlich noch von Seiten der Novomatic AG Spenden an politische Parteien, sohin auch nicht an die ÖVP, gegeben hat. Eine etwaige Spende wurde von meinem Mandanten - insbesondere in Zusammenhang mit einer allfälligen Thematik mit Italien - zu keiner Zeit versprochen, angeboten oder auch nur in Aussicht gestellt. Mag. Neumann weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück und ist davon überzeugt, dass es rasch zu einer Aufklärung dieser falschen Rückschlüsse kommt".

Laut Medienberichten geht es um eine Nachricht, die Blümel 2017 von Neumann erhalten haben soll. Darin soll Neumann den damaligen Wiener ÖVP-Chef und nicht amtsführenden Wiener Stadtrat um die Vermittlung eines Termins beim damaligen Außenminister und heutigen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gebeten haben. Der "Standard" zitierte am Abend aus der Anordnung zur Hausdurchsuchung. Neumann schrieb demnach am 10. Juli 2017 an Blümel: "Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problemes, das wir in Italien haben!" Novomatic machten in Italien zu der Zeit strengere Glücksspielgesetze und eine Steuernachzahlung zu schaffen.

"Operation Ballhausplatz"

Laut "Standard" stellten die Ermittler die Kommunikation zwischen Blümel und Neumann in ihrer Durchsuchungsanordnung in einen Zusammenhang mit der damaligen Neuaufstellung der ÖVP. Kurz hatte die Partei im Mai 2017 übernommen, die Machtübernahme war zuvor von seinem Umfeld geplant worden. Dazu existieren Dokumente, die unter dem Namen "Operation Ballhausplatz" bekannt sind. Laut der Ermittlungsanordnung kam es "im Zuge des Projekts ÖVP neu" im Frühjahr 2017 zu einem Treffen zwischen Kurz, Neumann und dem damaligen Novomatic-Sprecher. Dieser schrieb danach in Chats an Neumann, dass Kurz die "Finanzierung der Bundespartei" offenbar "vergessen" habe, dort sei es "ziemlich trist". Zwei Wochen später soll sich Neumann dann intern dafür eingesetzt haben, dass offene Parteispenden zulässig seien. Im Juli 2017 schrieb der Novomatic-Sprecher seinem Chef, dass der ÖVP-Spender Stefan Pierer die Summe aller Kleinspenden an die Partei "verdoppeln" wolle. "Wir haben noch etwas Besseres vor :))", soll Neumann geantwortet haben.

Opposition fordert Rücktritt

Die Opposition forderte am Donnerstag geschlossen Blümels Rücktritt. Sowohl für den SPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, als auch für dessen Pendant auf blauer Seite, Christian Hafenecker, kann Blümel nicht Beschuldigter in Ermittlungen wegen Bestechung durch einen Glücksspielkonzern und gleichzeitig oberste Fachaufsicht für diesen Glücksspielbereich sein. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger fand "das geht sich nicht mehr aus - Gernot Blümel muss zurücktreten". Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner "versinken Teile dieser Regierung im Korruptionssumpf".

Blümel könne "keinen Tag länger" Finanzminister bleiben, ohne dass die Vorwürfe restlos aufgeklärt seien, so Krainer: "In einem zivilisierten Land nimmt der Finanzminister seinen Hut." Krainer berichtete von derzeit laufenden Gesprächen zwischen den parlamentarischen Klubs, wie man gemeinsam vorgehen soll. Nach Blümels Statement am Abend ortet Krainer eine Falschaussage des Finanzministers im Ibiza-U-Auschuss. Denn bei der Pressekonferenz habe Blümel eingeräumt, dass die Novomatic an ihn mit einem Spendenangebot herangetreten sei, was er bei seiner Befragung im Ausschuss jedoch verneint habe. Blümel sagte laut Krainer dort auf eine entsprechende Frage: "Ich kann für mich ausschließen, dass ich mich daran erinnern kann, dass das ein Thema war." Bemerkenswert ist für Krainer auch, dass Blümel Kurz in die Causa mit hinein ziehe, indem er bestätigt, dass er die Bitte des Glücksspielkonzern zur Intervention in einer Steuersache in Italien angenommen und an Kurz als damaligen Außenminister weitergegeben habe.

Für Hafenecker gibt es für Blümel "keine andere Option" als dessen Rücktritt. Sollte dieser nicht erfolgen, sieht der Freiheitliche Bundeskanzler Kurz (ÖVP) in der Pflicht: "Kurz muss wissen, was zu tun ist und den Finanzminister entlassen." FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz forderte ein Machtwort von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Bundesparteiobmann Norbert Hofer verlangte gar den Rücktritt der gesamten Bundesregierung.

Grüne fordern Aufklärung

Der Grüne Koalitionspartner schloss sich den Rücktrittforderungen vorerst nicht an. "Minister Blümel muss unverzüglich alles dazu beitragen, um die Vorwürfe zu klären, und vollumfassend mit den ermittelnden Behörden kooperieren", erklärte die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer in einem Statement am Donnerstagnachmittag. Sie erinnerte aber daran, dass die Hausdurchsuchung "nach Bewilligung durch ein unabhängiges Gericht" durchgeführt worden sei. "Offenbar gibt es einen begründeten Verdacht, der dies rechtfertigt. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft am Zug", so Maurer.

Der Grüne Vizekanzler Werner Kogler äußerte sich zur Hausdurchsuchung bei Blümel nicht. Er sagte, "als Justizminister in Vertretung kann und will ich laufende Verfahren und Ermittlungsschritte nicht kommentieren". Die Staatsanwaltschaft müsse ohne jeden Anschein von politischer Einflussnahme auf Basis der Gesetze arbeiten können. Kogler vertritt derzeit die Grüne Justizministerin Alma Zadic, die gerade in Mutterschutz ist.

ÖVP stellt sich hinter Blümel

Der ÖVP-Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, sieht keinen Grund für einen Rücktritt des Finanzministers. "Seitdem Sebastian Kurz Bundeskanzler und Parteiobmann ist, hat die ÖVP keine Spenden von Glücksspielkonzernen, Waffenunternehmen oder Tabakkonzernen angenommen", wie er in einem Statement am Rande des Ausschusses festhielt. Zudem seien alle Spenden der ÖVP öffentlich einsehbar - "so hat es auch Blümel in Wien gehandhabt".

Die jetzt aufgekommenen Vorwürfe seien in "keiner Weise nachvollziehbar", so Gerstl: "Es gab keine Parteispende der Novomatic auf Bundes- oder Landesebene." Auf Nachfrage, ob es sich eventuell um eine Spende an einen parteinahen Verein oder Vorfeldorganisationen gehandelt haben könnte, meinte Gerstl, dass er keine Kenntnis davon habe, und hielt abermals fest: "Es gibt keine Parteispende von der Novomatic an die ÖVP."

Auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger stellte sich hinter Blümel. "Es muss Schluss sein mit übereilten, reflexartigen Vorverurteilungen. Das schadet nicht nur der politischen Kultur in diesem Land, sondern der Demokratie insgesamt", befand Wöginger.

Blümel: "Falsche Vorwürfe"

Blümel selbst sagt, jetzt, wo er die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft kenne, könne er diese aufklären. "Ich bin jederzeit bereit, alles weitere Notwendige beizutragen, um eine schnelle Aufklärung zu ermöglichen und die falschen Vorwürfe zu widerlegen", so der Minister in einer schriftlichen Stellungnahme zu Mittag.

"Spenden von Glücksspielunternehmen hätten und haben wir nie angenommen, schon gar nicht, wenn noch zusätzlich eine Gegenleistung im Raum stünde", wies Blümel die Vorwürfe zurück. "Anliegen von österreichischen Unternehmen im Ausland werden täglich an die Politik herangetragen und sind selbstverständlich, wenn es im Sinne des Einsatzes für österreichische Arbeitsplätze geht." Die Spendenlisten der ÖVP-Bundespartei und der ÖVP-Wien seien "öffentlich und für jeden einsehbar", versicherte Blümel. "Es wurden keine Spenden von Novomatic angenommen."

Als Beschuldigter geführt

Dass Blümel als Beschuldigter geführt wird, war am Dienstag öffentlich bekannt geworden. Ein "Dossier"-Journalist hatte eine aktuelle Auflistung der im Casinos-Akt als Beschuldigte geführten Personen auf Twitter verbreitet. Eine offizielle Bestätigung gab es zwei Tage lang nicht, die WKStA gab dazu keine Auskunft. Blümels Anwalt hatte daraufhin bei der Staatsanwaltschaft urgiert, wie denn nun der Status sei. Laut Strafprozessordnung müssen Beschuldigte "sobald wie möglich" von Ermittlungen informiert werden.

Kern der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in der sogenannten Causa Casinos war die Bestellung des FPÖ-Manns Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand und mögliche Absprachen im Hintergrund. Es besteht der Verdacht, Novomatic habe sich für die Bestellung von Sidlo zum Casinos-Finanzchef nur deshalb eingesetzt, weil im Gegenzug die FPÖ ein Entgegenkommen bei der Vergabe von Lizenzen versprochen habe. Im Zuge der Ermittlungen dürfte der Verdacht gegen Blümel aufgekommen sein. Novomatic war bis vor kurzem einer der drei bestimmenden Aktionäre der Casinos Austria AG, verkaufte seinen Anteil aber an den nunmehrigen tschechischen Mehrheitseigentümer Sazka. Die Staatsholding ÖBAG hält 33,24 Prozent an dem Glücksspielkonzern.

Blümel war in der Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition Kanzleramtsminister von Sebastian Kurz (ÖVP). Ermittelt wird unter anderem auch gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann, Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) und ÖBAG-Chef Thomas Schmid. In der Causa gab es bereits etliche Hausdurchsuchungen bei früheren Spitzenpolitikern, vom ehemaligen blauen Vizekanzler Strache abwärts. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

(APA)

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