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"Bludesch hat viele Chancen"

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Bludesch - Bludesch hat einen neuen Bürgermeister, und der viele Ideen.

Der Ort liegt im Walgau. Hat 2400 Einwohner, aber kein Budget. Beherbergt das Delunamagma-Areal, aber diese Blase ist ja bekanntlich geplatzt. Durch Bludesch führt eine lange Straße. Von der Autobahn kommend ist man in drei Minuten durch.

Bis hin zum eigenen Wein

Aber Bludesch stützt sich auf eine sehr lange Geschichte. Die romanische Nikolaus-Kirche zählt zu den ältesten im Land. Bludesch hat jede Menge Landwirtschaft, und sie keltern ihren eigenen Wein dort: Blauer Zweigelt von Lotte und Johann Getsch. Dem haben die Bludescher Sonntagabend tüchtig zugesprochen, denn sie haben nun auch einen neuen Bürgermeister: Michael Tinkhauser, politischer Quereinsteiger. Und zwar so was von quer: Hat seine Liste „Wir in Bludesch-Gais“ selber erfunden. Die Leute gesucht. Den Wahlkampf mit rund 6000 Euro aus der eigenen Tasche bestritten. Und jetzt sitzt er da, im ehrwürdigen Sitzungssaal aus dem 17. Jahrhundert, und ist „noch immer sprachlos“. Langzeit-Bürgermeister Erich Walter hatte ihn vor einem Jahr gefragt. „Im März 2009 hab ich mich entschieden.“ Warum tut sich das einer an? Tinkhauser hätte in der Arbeiterkammer bleiben können. Er leitete die Lehrlings- und Jugendabteilung. Feiner Job. Da hatte er viel mit Menschen zu tun. Sogar „netzwerken“ konnte er: „Ich hab viel mit der Wirtschaftskammer zusammen gearbeitet. Auch wenns komisch klingt, war eine super Partnerschaft.“ Warum also haut so einer das hin, lässt sich karenzieren und wird Gemeindechef? „Weil man in Bludesch noch was bewegen kann.“ Ein schöner Satz. Wie aus dem Hochglanzprospekt. Aber sowas hatte der gar nicht. Tinkhauser ging mit kopierten Zetteln auf Stimmenfang. Und auch jetzt drechselt er keine verschwurbelten Politikersätze, sondern packt den Besucher kurzerhand und führt ihn herum: Also das ist das Gemeindeamt. Prächtiger Saal. Alter Kachelofen. Und dort, wo früher der Stall war, haben sie Mitte der Achtzigerjahre dazu gebaut. Einen Gemeindesaal, eine neue Küche. Weil das doch immer schon die „Krone“ hier war. Ein Gasthaus wie im Bilderbuch. Nur leider seit einem Jahr geschlossen. Das will Tinkhauser ändern. Umbauen, aber behutsam. Wieder eröffnen mit neuem Pächter. Ein richtiges Dorfzentrum schaffen. Und während er das alles erzählt, ist er dauernd in Bewegung, treppauf treppab, und da merkt man: Hoppla, da meint‘s einer aber ernst. Sie hatten Krach in Bludesch, zuletzt immer öfter. Tinkhauser will das ändern. Wie der mit den Leuten umgeht! Nett ist der. Selbst dass sein härtester Konkurrent Guntram Messner im Gemeindeamt Meldeamtsleiter ist, schreckt ihn nicht. Im Gegenteil: Mit den anderen Fraktionen will Tinkhauser Kassasturz machen. Mit ihnen gemeinsam kitten, was zerbrochen war. Gemeinsam ein Kommunikationszentrum errichten. Gemeinsam einen neuen Mieter suchen für das Delunamagma-Areal. Ob das gelingen wird? „Klar“, da hat er große Hoffnung. und irgendwie wirkt das richtiggehend ansteckend.

„Die Menschen mögen“

Diesen Samstag feiert die „Schnäggabühne“ im Kronensaal die Premiere ihrer Komödie „Verrückte habens auch nicht leicht.“ Muss man verrückt sein, um das Amt als Bürgermeister anzustreben? „Man muss das Turbulente im Leben mögen“, überlegt Tinkhauser. „Und die Tatsache, dass du nicht weißt, was am nächsten Tag passiert.“ Pause. „Und die Menschen muss man mögen. Das ist überhaupt das Wichtigste.“ Draußen riskiert ein einzelner Sonnenstrahl den Blick zur Erde und lässt erahnen, wie herrlich dieses Bludesch mitten im Walgau liegt, wenn nur erst der Winter das Feld räumt. Aber das soll ja schon morgen der Fall sein.

zur Person

Michael Tinkhauser Am Sonntag wählten ihn 591 Bludescher zum neuen Bürgermeister. Geboren: 10. Jänner 1970 in Bludenz Ausbildung: Akademie für Sozialarbeit in Bregenz Laufbahn: Streetworker beim Institut für Sozialdienste in Bludenz, dann Lehrlings- und Jugendabteilung der Arbeiterkammer Familie: ledig

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