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Blasser "Rudolf" im Raimundtheater

Das Musical "Rudolf - Affaire Mayerling" feierte am Donnerstagabend im Wiener Raimund-Theater seine erfolgreiche deutsche Erstaufführung. Zwischen Jubel um das Habsburg-Musical mischt sich auch Kritik: Musikalisch konventionell, ein blasser Hauptdarsteller. Bilder  | Stadtreporter Video: Rudolf vor der "Premiere" 

Der Bub ist blass, antriebslos und kränkelt. So einem übergibt man nicht bedenkenlos den Familienbetrieb – schon gar nicht, wenn dieser, wie der Papa richtig anmerkt, nicht eine beliebige Schusterei ist, sondern eine der mächtigsten Monarchien der Welt. Auch in “Rudolf – Affaire Mayerling” steht ein ganzer Vielvölkerstaat auf der Bühne des Wiener Raimund Theaters: Österreicher spielen friedlich neben Amerikanern, Deutschen, einem Dänen und einer Holländerin. So soll es sein. Dass man jedoch Kaiser Franz Joseph nur an seinem Bart erkennt und man sich auch sonst eher in Preußen denn am Wiener Hofe wähnt, ist nur eine von vielen Unzulänglichkeiten, die das Mitjubeln über die Fortsetzung der bisher recht erfolgreichen Ausweidung der k.u.k.-Vergangenheit auf der Musical-Bühne erschwert.

Gejubelt wurde gestern, Donnerstag, am Ende der über dreistündigen “Uraufführung der Wiener Fassung” des von Frank Wildhorn (Musik) und Jack Murphy (Buch und Liedtexte) im Auftrag der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) entwickelten und im Mai 2006 im Budapester Operettentheater uraufgeführten Habsburg-Musicals dennoch. Dafür sorgte schon die professionell gesteuerte Erfolgsmaschine, die mit Promi-Event und branchenüblicher Begeisterung nichts dem Zufall überlassen wollte. Aber auch der um vieles überzeugendere zweite Teil war dafür verantwortlich, dass sich so manches in der Pause zur Schau gestellte lange Gesicht schließlich rundete.

Kronprinz Rudolf hat Schnupfen statt Syphilis, die wahre Liebe zwischen Rudi und Mary (Vetsera) war wohl weniger groß und romantisch, als die eingebauten Anklänge an Romeo und Julia es vermuten lassen. Dennoch irritiert das auf dem Roman “Ein letzter Walzer” von Frederic Morton basierende Musical weniger auf Grund historischer Verharmlosungen als durch handwerkliche Schwächen. Die Handlung plätschert im ersten Teil mit vielen Spielszenen vor sich hin und gewinnt erst spät an Fahrt, die Musik stammt weitgehend aus der modernen Musical-Retorte, lässt Eigenständigkeit vermissen und bietet nach viel diffuser Stimmungsmalerei erst unmittelbar vor der Pause das erste interessante Lied. Wirkliches Zeug zum Ohrwurm hat keiner der Songs, die im zweiten Teil immerhin häufiger werden und an Kraft gewinnen.

Die mit gefälligem, aber nicht sonderlich originellen technischen Großaufwand (Bühne: Mike Britton, Kostüme: Laura Hopkins) ablaufende Geschichte um das Scheitern des jungen Reformers, der der Welt möglicherweise einen Weltkrieg erspart und einer die Zeichen der Zeit erkennenden österreichisch-ungarischen Monarchie vielleicht die Zukunft gesichert hätte (immerhin gibt es ja auch im Europa des 21. Jahrhunderts noch erstaunlich viele konstitutionell regierende Königshäuser), hätte vor allem schauspielerische Intensität gebraucht. Hier scheitert die Produktion jedoch spektakulär.

Als “Hamlet von der Donau” wollte Regisseur David Leveaux Kronprinz Rudolf zeigen, Drew Sarich ist jedoch keine tragische, zerrissene Figur, sondern ein blaublütiger Schlappi, dem jedes Charisma abgeht. Dass einem solchen Mann die Herzen der Frauen oder des Volkes zufliegen, ist kaum glaubhaft. Aufrührerische Gedanken gestattet er sich daheim am Schreibtisch, gegenüber seinem Vater zieht er rasch ebenso den Kürzeren wie gegen seine Gattin (Wietske van Tongeren als Kronprinzessin Stephanie).

In den Schaltzentralen der Macht fühlt man sich an die Parodie “Die Habsburgischen” erinnert: Mit Claus Dam (jeder Zoll weder Wiener noch Regent) als Franz Joseph bleibt dem alten Kaiser nach Harald Serafin neuerlich nichts erspart, Uwe Kröger legt seinen Ministerpräsidenten Graf Taaffe mit Überdruck als fiesen Intriganten statt als coolen Strategen an. Den Ton treffen dagegen Carin Filipcic als Gräfin Marie Larisch und vor allem die junge Lisa Antoni als Baroness Mary Vetsera. Mit Charme und Natürlichkeit bricht sie in die steife, hohle Kunstwelt des Hofes ein, erobert das Herz des Kronprinzen und behauptet sich gegen alle Anfechtungen. Einige der schönsten Momente – etwa eine nette Szene auf dem Eislaufplatz – und Songs gehören ihr. Sie ist vielleicht die Einzige, die mit dem gestrigen Abend rundum glücklich sein darf.

“Rudolf – Affaire Mayerling”
Musik: Frank Wildhorn; Buch & Liedtexte: Jack Murphy; Regie: David Leveaux, Bühne: Mike Britton, Kostüme: Laura Hopkins, Choreographie: John O’Connell, Light Design: Patrick Woodroffe
Mit Drew Sarich (Kronprinz Rudolf), Lisa Antoni (Mary Vetsera), Uwe Kröger (Graf Taaffe), Claus Dam (Kaiser Franz Joseph), Carin Filipcic (Gräfin Marie Larisch), Wietske van Tongeren (Kronprinzessin Stephanie), u.a.
Raimund Theater, Wien, Karten: 01 / 58885, http://www.musicalvienna.at

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