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Berlinale-Sieger "Tuyas Hochzeit": Schnörkellos und schmerzhaft schön

©http://www.tuyashochzeit.de/
Dieser Film ist wahrlich erstaunlich. Ganz still und unaufgeregt kommt er daher, mit einer Direktheit im Dialog und einer Klarheit in der Bildsprache, dass es eine Freude ist.

Und präsentiert dabei die berührende Geschichte einer starken und eigensinnigen Frau in der Mongolei, ohne Schnörkel und schmerzhaft schön. “Tuyas Hochzeit” nennt sich schlicht der dritte Film des Chinesen Wang Quan’an, mit dem er die Berlinale-Jury rund um Paul Schrader im Februar überzeugte. Am 14. Dezember bringt der Filmladen-Verleih den Gewinner des Goldenen Bären in Österreich in die Kinos.

Tuya wird von der jungen Yu Nan gespielt, die – großteils vollkommen in vor dem Sand in der mongolischen Steppe schützende Kleider und Kopftücher gehüllt – allein mit ihren Augen das Publikum bei der Stange halten kann. Ihr scharfer Blick und ihre kompromisslose Art verleihen Tuya eine faszinierende Aura. Dabei geht es gar nie um irgendeine künstliche Faszination – vielmehr wird hier rund 90 Minuten lang das Leben verhandelt, und zwar so realistisch, wie es in der Steppe, die durch die sich ausbreitende Industrie immer wüstenähnlicher wird, eben sein muss.

Fast dokumentarisch agiert der deutsche Kameramann Lutz Reitemeier, wenn er die ernste Geschichte mit prägnanten Bildern und humorvollen Tönen einfängt. Tuya lebt mit ihrem invaliden Mann Bater, ihren beiden Kindern und vielen Schafen in einem kleinen Haus mitten in der Steppe. Die gesamte Last der Familienerhaltung liegt auf ihren Schultern, was auf die Dauer nicht funktionieren kann. Das weiß sie so gut wie ihr Mann, den sie sehr liebt. Doch um hier überleben zu können, muss sich was ändern: Also beschließt das Paar, sich scheiden zu lassen, damit Tuya wieder heiraten kann. Dafür soll jedoch ein Mann gefunden werden, der nicht nur sie und die Kinder, sondern auch den Ex-Mann versorgen kann.

Abgesehen von Yu Nan wurden die meisten Rollen von mongolischen Hirten gespielt, so auch die Rolle von Tuyas Mann Bater und jene von Baolier, einem Freund Tuyas und der Familie. Bater hat im Film beide Beine verloren, als er auf der Suche nach Wasser versuchte, einen Brunnen zu bauen. Baolier kümmert sich nun um Tuya, in die er sich verliebt hat, und beginnt, den notwendigen Brunnen zu bauen. Doch nach Tuyas Scheidung gibt es viele Freier, und an Baolier hat sie bei ihrer Suche nach einem neuen Mann vorerst nicht gedacht.

Neben dem bäuerlichen Leben in den ländlichen Regionen Chinas – die Innere Mongolei ist ein autonomes Gebiet im Norden der Volksrepublik – streift Regisseur Wang zahlreiche aktuelle Themen des Landes: den Männerüberschuss, zu dem die Ein-Kind-Politik geführt hat, die Industrialisierung, die den traditionell als Nomaden herumziehenden Mongolen den Lebensraum erschwert, die Vertreibung der einfachen Mongolen aus den angestammten Gebieten, weil die Regierung Kohle und Erdgas fördern will. Doch auch wenn man sich dieser Probleme des modernen Chinas nicht bewusst ist, wird “Tuyas Hochzeit” keine Minute langweilig: Wang gelang ein außerordentliches und wunderschönes Stück Weltkino.

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