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Über Hilfe im Kampf gegen die Sucht

Wolfurt - Zwei Expertinnen referierten beim Minimed-Abend zum Thema Nichtrauchen.

Oberärztin Dr. Johanna Rohrer vom Suchtkrankenhaus Maria Ebene begann im Wolfurter Cubus mit dem Suchtmodell – wie der Drang, der noch vielen Substanzen und Verhaltensweisen möglich ist, entsteht. Dies hängt mit dem Belohnungssystem im Gehirn zusammen – wenn etwas angenehm ist, wird es so noch einmal verstärkt.

Das Problem ist, dass Nikotin innerhalb von Sekunden den Weg in dieses Belohnungssystem findet – beim Alkohol dauert es um einiges länger. Kriterien einer Sucht sind: Dosissteigerung, Kontrollverlust, der starke Zwang zu rauchen, die Fortsetzung trotz Schädlichkeit sowie Entzugssymptome.

Nikotin an sich ist nicht schädlich – die Schädlichkeit liegt in den Rauchinhaltsstoffen, die oft krebserregend sind: Lunge und Kehlkopf sind am häufigsten betroffen, auch die Zähne leiden, die Hautalterung wird beschleunigt, Geschmacks- und Geruchssinn werden beeinträchtigt. Schließlich ist Rauchen die häufigste Ursache für Erektionsstörungen, erhöht das Schlaganfallrisiko und kann vor allem bei einer Schwangerschaft Mutter und Kind stark beeinträchtigen.

Der Fagerström-Test

Um standardisiert beurteilen zu können, wie sehr ein Mensch abhängig ist, wird der Fagerström-Test verwendet. Dr. Rohrer zum Thema Passivrauchen: „Wenn Menschen nicht aufhören können, dann ist zumindest das Rauchen außerhalb des Wohnbereichs sehr sinnvoll!“

Behandlungsmöglichkeiten gibt es stationäre und ambulante. Unterstützend wirkt Akupunktur, auch Hypnose und Entspannungstechniken helfen. Und Bewegung: „Regelmäßiger Sport nimmt auch das Verlangen zu rauchen“, so Rohrer, die auch Selbsthilfeprogramme (etwa Allen Carr), Telefonberatungen sowie Internetforen nannte.

Medikamentöse Maßnahmen sind Nikotinersatzpräparate, die man ausreichend lang nehmen sollte: Man muss den Körper mehrere Wochen lang überlisten und richtig „abdosieren“. Zusätzlich gibt es entwöhnungsspezifische Medikamente, die die Nikotin-Rezeptoren blockieren.

Öffentliche Verbote

Mag. Irene Fritz, Psychologin von der aks-Gesundheitsvorsorge, sieht positive Trends durch die Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden und an Schulen: „Die Raucherquote bei Männern von 20 bis 28 Jahren ist seit vielen Jahren rückläufig – bei Frauen ist sie leider Gottes gleichgeblieben.“

Die aks-Gesundheitsvorsorge hat ein Projekt entwickelt, das sich intensiv damit beschäftigt, rauchende Mädchen früher undgezielt anzusprechen: „Es geht weniger um die Eltern als viel mehr um den Drang dazuzugehören.“ Dass Rauchen etwa schlank macht, sei ein gefährlicher Irrtum: „Es gibt keine eindeutigen Belege dafür. Es ist mehr ein subjektives Gefühl, das Rauchen dient als Ersatz.“ Fünf bis sieben Versuche braucht es im Schnitt, bis aus einem Raucher ein Nichtraucher wird. Die Rauchfrei-Kurse des aks bieten verschiedene Varianten an: „Wir haben Pakete für körperliche und psychische Abhängigkeit geschnürt.“

Sechs aks-Kurswochen

In sechs Kurswochen (jeweils zwei Stunden) führt der Weg von der Abstinenzvorbereitung (durch Selbstbeobachtung, Tagesprotokolle) über Konsumbeendigung, um den Rauchstopp vorzubereiten, bis zur Stabilisierung von der dritten bis zur sechsten Kurswoche. Dort wird versucht, Rückfälle durch Ernährung und Bewegung zu vermeiden (Infos im Internet unter www.aks.or.at). Abschließend betonte Mag. Fritz noch einmal: „Aufhören lohnt sich immer. Die verschiedenen Stadien der Besserung beginnen schon nach dem ersten Tag . . .“

 

Publikumsfragen in Wolfurt 

Sie haben die typische Raucherkrankheit COPD nicht erwähnt. Und wie groß ist der Prozentsatz der Mischsucht von Alkohol und Nikotin?

Dr. Rohrer: Ich habe den Begriff COPD für „Chronic Obstructive Pulmonary Disease“ absichtlich nicht verwendet, sondern generell Lungenerkrankungen erwähnt. Ein Rauchstopp ist vor allem für Menschen, die an dieser Erkrankung leiden, besonders wichtig. Und hat viel mehr Wirkung als Sprays etc. Zur zweiten Frage: 80 Prozent der alkoholkranken Menschen sind auch Raucher.

Es gibt Leute, die in Gesellschaft rauchen und dann wieder aufhören und die ganze Woche nichts brauchen. Haben die einfach ein anderes Suchtpotenzial?

Mag. Fritz: Es gibt einige davon, die sind einfach nie süchtig geworden. Wenn man nur zwei Mal die Woche raucht, bedeutet dies nur wenig Nikotinzufuhr, der Körper schreit auch nicht danach. Es braucht schon einige Zeit, bis dieser Abhängigkeitsmechanismus entsteht.

Die Raucherambulanz im Krankenhaus Maria Ebene läuft sehr gut – weil das Angebot kostenlos ist?

Dr. Rohrer: Wir haben nicht evaluiert, ob Patienten später nicht mehr kommen, weil es gut geht oder weil sie nicht mehr wollen. In der intensiven Beratungszeit schaffen es viele sehr gut aufzuhören, aber natürlich kommt es über einen längeren Zeitraum immer wieder zu Rückfällen. Unsere Beratung ist punktuell und wird dann mit dem Einzelnen weiter vereinbart. Es gibt außerdem weitere Beratungen und Module, z. B. beim aks. Das ist wichtig, um Langzeiterfolge zu festigen.

 Wie oft muss die Akupunktur durchgeführt werden?

Dr. Rohrer: Ich bin keine ausgebildete Akupunkteurin, habe es mir erklären lassen. Bei meinem Kollegen genügen drei Sitzungen am ersten, dritten und zwölften Tag. Drei Stellen am Ohr werden gestochen, die Nadeln bleiben drin. Sie werden mit hautfarbenem Pflaster abgedeckt und können bei Rauchlust zusätzlich aktiviert werden. Akupunktur ist als Baustein sehr erfolgreich, drei Sitzungen genügen im Normalfall. Auch eine Behandlung mit Akupressur ist möglich.

Warum kommen die Leute in die Ambulanz?

Dr. Rohrer: Wenn sie bei uns vorsprechen, sind sie schon sehr motiviert, sonst kommt niemand in die Maria Ebene. Der Leidensdruck ist sehr groß: Das geht von der banalen Sache, dass Rauchen sehr teuer ist, über die Abhängigkeit vom Glimmstängel – die Leute können nicht mehr über sich selber bestimmen – bis hin zum schlechten Gewissen, wenn man Kinder zu Hause hat, aber es nicht geschafft hat, aufzuhören. Auch die körperliche Leis-tungsfähigkeit nimmt ab.

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