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"Benedikt XVI. hat keine Freunde"

Ein halbes Jahr ist der Papst im Amt, jetzt wird erstmals öffentlich ein wenig schmeichelhaftes Bild von ihm gezeichnet. Der Bayer kapsele sich von seiner Umgebung ab, schreibt die römische Zeitung "La Repubblica".

Er neige zu einsamen Entscheidungen, selbst hohe Kardinäle behandle er mitunter abweisend. „Das Problem ist, dass niemand im Vatikan weiß, was Joseph Ratzinger wirklich denkt.“ Benedikt XVI. – ein kühler Deutscher? Römische Medien gehen gemeinhin pfleglich mit Päpsten um, Kritik wird von den „Vatikanisten“ vorsichtig dosiert, Kritteleien, die ins Persönliche gehen, sind tabu. Ungewöhnlich sind die Ausführungen daher schon: „Benedikt hat keine Freunde in der Kurie, er kommt nicht mit Landsleuten zusammen, er lädt niemanden zum Mittagessen ein und hält keine Morgenmesse für Gruppenbesuche“, schreibt Marco Politi, der angesehene Vatikanexperte des Blattes. „Benedikt lebt, denkt und plant im Turm seiner Zurückgezogenheit.“ Das klingt hart.

Dabei kommt „Kopfmensch“ Ratzinger bei den „normalen“ Gläubigen geradezu unerwartet gut an. Jeden Sonntag drängen sich zehntausende Menschen auf den Petersplatz, viel mehr als ein Jahr zuvor beim populären Vorgänger Johannes Paul II. Eine Million Menschen, teilt der Kirchenstaat mit, strömten seit Amtsbeginn zu seinen Audienzen und Sonntagsgebeten, „einsamer“ Rekord sei das. Auch die gerade in Rom versammelten Bischöfe aus aller Welt äußern sich begeistert: Stunden lang habe der Papst an den Sitzungen der Synode teilgenommen. Dabei seien die zähen Sitzungen mitunter geradezu „ein Stück Fegefeuer“, wie der deutsche Kardinal Karl Lehmann freimütig einräumt.

Keine Tabus

Überhaupt, die Synode: Erstmals wurde auf der „Gipfelkonferenz“ der Katholischen Kirche offen diskutiert, sogar kontrovers diskutiert, auch über die „heißen Themen“ Priestermangel, Zölibat, gemeinsames Abendmahl. Es war Ratzinger, der dazu ausdrücklich aufgefordert hatte. „Es gab keine Themenverbote“, sagt Markus Graulich, der deutsche Synodensprecher. Tabuthemen wurden aufgegriffen, etwa ob verheiratete ältere Männer zum Priesteramt zugelassen werden könnten. „Viri probati“ heißt diese Lösung, wie sie die orthodoxen Ostkirchen teilweise praktizieren und die manche als ein Mittel gegen den Priestermangel preisen. Es wäre ein erster Schritt zur Aushöhlung des Zölibats, meinen manche.

Priestermangel, das war offenbar das große, das brennende Thema der Synode. „Es herrscht Unruhe und Sorge“, meint der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller. Priestermangel gilt der Kirche derzeit offenbar als größeres Problem als leere Kirchenbänke. Das Übel grassiert auch in Afrika und Lateinamerika. „Ein Bischof aus Malawi sagte mir, dass mitunter 80 Prozent der Gläubigen am Sonntag nicht die Eucharistie (Abendmahl) feiern können“, berichtet Lehmann. Jetzt hat die Synode 50 Thesen erstellt, die Papst Ratzinger überreicht werden. „Der wird sie gründlichen lesen“, sagt ein Theologe im Vatikan. Und fügt hinzu: „Dazu wird er sich vermutlich zurückziehen.“

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