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ÖBB-Chef Kern erwartet Millionenverluste

Seine Antrittspressekonferenz 100 Tage nach dem Amtsantritt im Juni hat ÖBB-Chef Christian Kern heute zu einer Abrechnung genutzt. Die Bundesbahnen seien durch die Reform 2003 viel zu sehr zersplittert und litten unter einer Aufblähung der Bürokratie.
Pressekonferenz von ÖBB-Chef Kern
Kern will in die Transparenzdatenbank

“Die linke Hand weiß nicht mehr was die rechte tut”, meinte er und ortet einen “Selbstbeschäftigungszirkus”. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sei dramatisch, heuer werde es einen dreistelligen Millionenverlust geben. Den notwendigen Kurswechsel zu einem modernen Mobilitätsunternehmen will Kern mit einer neuen “Leistungskultur”, mehr Kundenorientierung und Wirtschaftlichkeit schaffen. Für 2013 peilt er eine “schwarze Null” an.

Die Bahnreform 2003 unter der schwarz-blauen Regierung habe dem Unternehmen massiv geschadet. Ein aufgeblähter Verwaltungsapparat führe zu Absurditäten und teuren Mehrgleisigkeiten, kritisierte Kern. Das frühere Management habe sich mit Ausreden vor effizienten Maßnahmen gedrückt, Ausnahme sei sein direkter Vorgänger Peter Klugar gewesen. Künftig soll ein neuer Wind wehen, Kunden in den Vordergrund gestellt und Verwaltung verschlankt werden. Um Sparpotenziale zu nutzen sollen manche Bereiche wie der Einkauf wieder zentralisiert werden, beim Kunden werde man jedoch dezentral agieren.

In den ersten sieben Monaten ist die Bahn bei mehr Umsatz tiefer in die roten Zahlen geschlittert. Während der Konzernumsatz von Jänner bis Juli 2010 um 13 Prozent auf 3,127 Mrd. Euro gestiegen ist, sank das Vorsteuerergebnis (EBT) um 49 Prozent auf -46 Mio. Euro. Die Güterverkehrssparte Rail Cargo belastet das Unternehmen mit einem Verlust von 77 Mio. Euro. Neben der Wirtschaftskrise ortet Kern dafür auch hausgemachte Gründe. Die Tochter Rail Cargo Austria (RCA) habe innerhalb von drei Jahren 650 Millionen Euro Eigenkapital vernichtet. Güterverkehrsleistungen mit Kostendeckungsgrad von 30 Prozent könnten nicht länger auf Kosten der Bahn weitergeführt werden, stellt er der öffentlichen Hand die Rute ins Fenster. Die Bahn könne nicht länger Industrie und Speditionen subventionieren, um verkehrspolitische Ziele zu erreichen.

Großes Sorgenkind ist die ungarische Güterverkehrs-Tochter Rail Cargo Hungaria (früher MAV Cargo), von den ÖBB im Jahr 2008 um rund 400 Mio. Euro gekauft. Scharfe Kritik kam von Kern heute zu Tariferhöhungen in Ungarn: “Wenn die ungarische Regierung ihren Kurs nicht ändert, dann steht eine radikale Redimensionierung des Geschäfts bevor”, drohte er massive Kürzungen auch im Personalbereich an. Ein Programm mit Abfertigungen soll dabei helfen, den Personalstand der ungarischen Güterverkehrstochter deutlich zu reduzieren.

Bis 2015 strebt Kern eine Verbesserung der Zahlen um 500 Mio. Euro an. Wenn der Konzern hingegen so weiterarbeite wie bisher, dann sei man in fünf Jahren um diese 500 Mio. Euro vom Ziel entfernt, nämlich die Substanz zu erhalten. Alleine damit das Eigenkapital erhalten bleibe, müsste die Verbesserung bis 2015 bei 500 Mio. Euro liegen. Das für 2015 angestrebte EBT liegt laut Kern bei 200 Mio. Euro.

Für den Turnaround seien Einsparungen im Personalbereich nötig. 43 Prozent der Kosten seien Personalkosten, zwei Drittel der Belegschaft unkündbar. Bei der Lohnrunde hofft Kern auf einen “maßvollen” Abschluss. Trotz der Pragmatisierungen sollen die Mitarbeiter künftig flexibler eingesetzt werden können als bisher. Betriebsbedingte Pensionierungen soll es ab dem nächsten Jahr nicht mehr geben, das Pensionsantrittsalter soll weiter angehoben werden. Dass die ÖBB-ler derzeit mit im Schnitt 52 Jahren in Pension gehen ist auch dem neuen ÖBB-Chef ein Dorn im Auge. Die Mitarbeiter sollten länger im aktiven Arbeitsprozess gehalten werden, 1.000 Verwaltungsjobs und 100 Führungskräfte sollen in den nächsten drei Jahren eingespart werden. Ziel sei die Umschichtung von der aufgeblähten internen Bürokratie zu den Kunden. Weniger Leasingkräfte, der Einsatz von Arbeitsstiftungen, Teilzeit und Abfertigungsprogramme sollen genutzt werden.

Kern legte ein Bekenntnis zu den großen Bahn-Projekten Brenner- und Koralm-Tunnel ab. Entscheidend dafür sei aber die Sicherung der langfristigen Finanzierung durch die Öffentliche Hand. Politische Zurufe beeindruckten ihn wenig, meinte der Bahn-Chef. “Wir werden uns in den nächsten drei Jahren maximal anstrengen, dass wir unsere Ziele erreichen, und ich wünsche mir, dass man uns parteipolitische Zurufe erspart – das wäre mein Deal”, meinte er bei der Antrittspressekonferenz im Bahnorama, dem Aussichtsturm bei der Baustelle zum neuen Wiener Hauptbahnhof. Von dort fuhr er gleich weiter zur Eröffnung des St.Pöltner Hautpbahnhofs – allerdings mit dem Auto, wie er den Journalisten eingestehen musste. Als Kompensation für den Stilbruch stellte er eine Pressekonferenz im Zug in Aussicht.

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